Mittwoch, 16. April 2025
Vorstellung des überörtlichen Maßnahmenplans am 31. März 2025
Antwort auf den Offenen Brief von Ronald Schülke vom 7. April 2025
Sehr geehrter Herr Schülke,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Vorstellung der Ergebnisse des überörtlichen Maßnahmenplans und Ihre Ausführungen zu den Planungen.
Zunächst freut es mich zu hören, dass die Veranstaltung rege genutzt wurde und in Kesseling die Bürgerschaft sogar öffentlich zugänglich am Live-Stream teilnehmen konnte. Ich bin Ihnen auch dankbar, dass Sie mit Ihrem Offenen Brief nochmal deutlich machen, dass der überörtliche Maßnahmenplan nur ein Teil der Hochwasservorsorge im Ahrtal ist. Dass die Online-Veranstaltung die Vorstellung der Ergebnisse aus dem überörtlichen Maßnahmenplan zum Gegenstand hatte, bedeutet nicht, dass sich – wie auch bei anderen Veranstaltungen schon vorgestellt wurde – die Hochwasservorsorge im Kreis Ahrweiler auf die großräumig wirkenden Rückhaltebecken im Ahreinzugsgebiet beschränkt.
Gerne nutze ich daher die Gelegenheit und möchte Ihnen die Einbettung des überörtlichen Maßnahmenplans in das gesamte Hochwasserrisikomanagement des Ahrtals erläutern.
Ein wesentlicher Baustein, der auch von Ihnen vermisste Aspekte berücksichtigt, ist die Gewässerwiederherstellung der Ahr und ihrer Zuflüsse 2. Ordnung. Das Ziel der Gewässerwiederherstellung geht weit über die Herstellung des alten Zustands der Gewässer hinaus und beinhaltet eine nachhaltige Gewässerentwicklung unter Berücksichtigung der Hochwasservorsorge und ökologischer Belange. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen zur Aufweitung der Ahr, zur Aktivierung von Rückhaltefunktionen sowie zur Verbesserung des Abflussvermögens in besiedelten Bereichen. Im Ergebnis handelt es sich bei der Gewässerwiederherstellung um ein umfassendes Gewässerentwicklungskonzept ergänzt um Maßnahmen zur Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Ahr.
Das Gewässerwiederherstellungskonzept, das von fünf Ingenieurbüros für die Teilabschnitte Stadt Sinzig, Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, VG Altenahr, VG Adenau und die zufließenden Gewässer 2. Ordnung erstellt wurde, wurde an mehreren Terminen im März und April 2023 öffentlich vorgestellt. Es sieht insgesamt mehr als 700 Maßnahmen in der Zuständigkeit des Kreises auf rund 100 Gewässerkilometern vor. Die Schaffung eines breiteren Gewässerkorridors ist dabei eine Kernmaßnahme, die sich durch das gesamte Konzept zieht.
Die Gewässerwiederherstellung befindet sich bereits in der Umsetzungsphase. Erste Maßnahmen zur Aufweitung der Ahr und Absenkung der Vorländer wurden beispielsweise in den Flurbereinigungsgebieten Dernau-Rech und Mayschoß bereits fertiggestellt bzw. laufen aktuell. Sukzessive werden weitere Maßnahmen umgesetzt; so werden in diesem Jahr u. a. Baumaßnahmen in Kreuzberg und Altenburg beginnen. Auch in den Städten Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig sind die Planungen schon sehr weit fortgeschritten. In der Stadt Sinzig ist etwa eine Verbreitung des Ahrkorridors von aktuell rund 20 m auf bis zu 60 m vorgesehen.
Im Zuge der Gewässerwiederherstellung tragen daher alle ahranliegenden Gemeinden zur Hochwasservorsorge bei.
Weitere Informationen zur Gewässerwiederherstellung finden Sie hier:
https://kreis-ahrweiler.de/land_natur_umwelt/hochwasservorsorge/gewaesserwiederherstellungskonzept/
Neben der Gewässerwiederherstellung beziehen sich auch die weiteren Bausteine des Hochwasserrisikomanagement wie die Hochwasserpartnerschaft und die örtlichen Planungen nicht nur auf Maßnahmen im Hochwasserfall, wie z. B. Hochwasserwarnung und Gefahrenabwehr.
Die Hochwasserpartnerschaft Ahr als freiwilliger Zusammenschluss der Kommunen im Kreis Ahrweiler und der Anlieger der Ahr über die Kreisgrenze hinaus beschäftigt sich mit allen Bausteinen der Hochwasservorsorge. Im Fokus stehen dabei neben Themen, die eine Zusammenarbeit erfordern, vor allem auch Aspekte der Hochwasservorsorge, die nicht durch den Kreis oder die Kommunen umgesetzt werden können, sondern das Handeln Dritter erfordern. Ein Schwerpunkt ist dabei der natürliche Rückhalt im Forst sowie in Landwirtschaft und Weinbau. Durch Information und Überzeugungsarbeit sollen hier die Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter motiviert werden, auch im Interesse des gesamten Wasserhaushalts den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern.
Über die weitere Arbeit der Hochwasserpartnerschaft Ahr und die Workshops können Sie sich hier informieren:
https://kreis-ahrweiler.de/land_natur_umwelt/hochwasservorsorge/hochwasserpartnerschaft-ahr/
Auf der kommunalen Ebene werden darüber hinaus Maßnahmen aus den örtlichen Hochwasser- und Starkregenvorsorgekonzepten umgesetzt. Dabei handelt es sich beispielsweise um Renaturierungsmaßnahmen, die Schaffung von Retentionsflächen, Bachoffenlegungen, Totholzmanagement, aber auch lokale Hochwasserschutzmaßnahmen. Ergänzt werden diese Maßnahmen in den flutbetroffenen Gemeinden um Maßnahmen im Zuge des Aufbaus, die der Hochwasserresilienz dienen. Das sind beispielsweise die neuen Brückenbauwerke, deren Durchfluss deutlich größer sein wird, aber auch die Verlegung von Infrastruktureinrichtungen aus gefährdeten Bereichen.
Es gibt daher eine Vielzahl von Maßnahmen zur Hochwasservorsorge, die durch den Kreis ebenso wie durch die Kommunen aktuell geplant und umgesetzt werden. Das Hochwasserrisikomanagement im Ahrtal ist somit nicht nur auf den überörtlichen Maßnahmenplan fokussiert. Gleichwohl ist dieser ein wesentlicher Baustein der Hochwasservorsorge. Denn eine ganzheitliche und wirkungsvolle Hochwasservorsorge setzt sowohl Maßnahmen an den Gewässern als auch Rückhaltemaßnahmen in den Entstehungsgebieten voraus.
Daher hat der Kreis in Zusammenarbeit mit den Kommunen im Kreis sowie über die Kreis- und Landesgrenze hinweg Fachbüros mit der Untersuchung von Rückhaltemaßnahmen im Kreisgebiet und im gesamten Ahreinzugsgebiet auch über den Kreis hinaus im Rahmen des überörtlichen Maßnahmenplans beauftragt. Ziel war dabei die Identifikation von Maßnahmen, die überörtlich und nicht nur lokal wirken, damit möglichst viele Ahranlieger von den Maßnahmen profitieren. Zum Untersuchungsumfang gehörten dabei sowohl technische als auch natürliche Rückhaltemaßnahmen.
In der Online-Veranstaltung wurden die drei Säulen aus großräumig wirkenden Rückhaltebecken, unterstützenden Maßnahmen aus den örtlichen Konzepten und natürlicher Rückhalt in der Fläche vorgestellt. Auch der überörtliche Maßnahmenplan selbst ist somit nicht nur auf die großvolumigen Rückhaltebecken in den Entstehungsgebieten ausgerichtet.
Detaillierte Informationen zum überörtlichen Maßnahmenplan sowie den Ergebnisbericht finden Sie unter diesem Link:
https://kreis-ahrweiler.de/land_natur_umwelt/hochwasservorsorge/plan-zur-entwicklung-von-ueberoertlichen-massnahmen/
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass dieser technische Rückhalt im Einzugsgebiet der Ahr unverzichtbar ist, da natürliche Rückhaltemaßnahmen am Gewässer und in der Fläche allein keinen ausreichenden Beitrag zur Hochwasservorsorge leisten können. So sind Gewässeraufweitung und Auenentwicklung zwar wichtige Maßnahmen und führen zur Erhöhung der Abflusskapazität und Wasserspiegelabsenkung vor Ort, ihre Wirkungen sind aber begrenzt. Dies gilt auch für den natürlichen Rückhalt in der Fläche. Nicht nur bei Extremereignissen ist – unter Berücksichtigung der Topographie im Ahrtal mit seinen engen Kerbtälern – der Rückhalt von Wasser in den Entstehungsgebieten unabdingbar. Ein wesentliches Ergebnis des überörtlichen Maßnahmenplans sind daher nicht nur die Vorschläge für den technischen Rückhalt mit aktuell 17 sogenannten grünen Becken im Einzugsgebiet, sondern auch die Erkenntnis, dass wir nur mit solchen technischen Rückhaltemaßnahmen im Oberlauf der Ahr und den Zuflüssen eine ganzheitliche und wirkungsvolle Hochwasservorsorge für das Ahrtal erreichen können.
Gemeinsames Ziel von Kreis und Kommunen für den überörtlichen Maßnahmenplan war es, den maximal möglichen Beitrag zur Verhinderung einer Katastrophe wie 2021 zu erarbeiten. Insofern ist es richtig, dass die planenden Fachbüros den Auftrag hatten, auch die Abflussmengen eines Extremereignissen zu betrachten. Dabei gilt es nicht nur alles Mögliche zu unternehmen, damit sich eine so verheerende Flutkatastrophe nicht wiederholen kann, sondern mit Blick auf den Klimawandel ist zukünftig damit zu rechnen, dass es massive Hochwasserereignisse deutlich häufiger geben wird. So müssen wir feststellen, dass ein Hochwasserereignis wie 2016, das seinerzeit als statistisch alle 100 Jahre auftretendes Ereignis galt, nunmehr tendenziell einem statistisch etwa alle 20 Jahre auftretenden Ereignis entspricht. Eine Planung für die Zukunft mit diesen umfassenden Investitionen muss daher die Entwicklungen des Klimawandels aufgreifen und darf sich nicht nur an den heute regelmäßig auftretenden Ereignissen orientieren.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die Planung nicht nur mit Extremereignissen beschäftigt hat. Auch ein nach heutigem Maßstab hundertjährliches Ereignis (HQ100) wurde betrachtet. Die Ergebnisse zeigen dabei, die Notwendigkeit der großräumig wirkenden Hochwasserrückhaltebecken auch bei Hochwasserereignissen, die nicht als Extremereignisse einzustufen sind.
Die Ahr-Unterlieger sind daher auch bei allen eigenen Anstrengungen auf Maßnahmen in den Entstehungsgebieten und damit bei den Oberliegern angewiesen. Daher möchte ich gerne nochmals betonen, dass es ohne Solidarität nicht gehen wird.
Die Umsetzung wird Zeit benötigen – das habe ich im Rahmen der Vorstellung des überörtlichen Maßnahmenplans auch selbst betont. Die Realisierung der Flächenverfügbarkeit sowie die Planungs- und Genehmigungsprozesse sind aufwendig. Dabei werden noch viele Themen abgearbeitet und Fragen geklärt werden müssen. Ein Aspekt sind dabei auch die von Ihnen angesprochenen Verkehrsanbindungen. Die Beteiligung der Gemeinden sowie der Bürgerinnen und Bürger wird dabei in allen weiteren Schritten sehr wichtig sein.
Es ist mir bewusst, dass es nicht leicht wird und im laufenden Planungsprozess vielleicht noch Anpassungen erforderlich sein werden. Wichtig aber ist, dass wir jetzt eine konzeptionelle Grundlage haben, wie wir eine wirksame Hochwasservorsorge im Kreis, insbesondere im Ahrtal, erreichen und jetzt hierfür die nächsten Schritte gehen können.
Eine große Herausforderung wird dabei auch die Bewerkstelligung der Finanzierung sein. Von einer 100%igen Finanzierung seitens EU, Bund oder Land können wir nicht ausgehen. Ein Teil wird auch von Kreis und kreisangehörigen Kommunen getragen werden müssen. Über einen gemeinsamen Gewässerzweckverband möchten wir dabei Finanzierungswege erreichen, die auch die Unterlieger, die von den Maßnahmen profitieren, an den Kosten beteiligen, sodass diese Kosten nicht allein zu Lasten der Gemeinden gehen, die für das jeweilige Gewässer zuständig sind.
Die Investitionskosten sind hoch, das ist richtig. Es ist aber auch zu berücksichtigen, wie hoch die Kosten sind, wenn wir nicht handeln. Die solidarische Unterstützung, die wir von Bund und Ländern nach der Flutkatastrophe mit einem Aufbauhilfefonds von rund 15 Milliarden Euro für Rheinland-Pfalz erhalten haben, steht uns bei nächsten Hochwasserereignissen in dieser Form sicher nicht mehr zur Verfügung. Und auch Versicherungsschäden, soweit eine Versicherung überhaupt möglich ist, müssen am Ende alle Versicherungsnehmer durch ihre Versicherungsbeiträge mitfinanzieren. Geld, das in die Hochwasservorsorge investiert wird und zukünftige Schäden vermeidet, ist daher gut investiert.
Mein Fazit lautet daher, der überörtliche Maßnahmenplan ist nicht der einzige, aber ein sehr wichtiger Baustein für eine ganzheitliche und wirksame Hochwasservorsorge für das Ahrtal.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Weigand


