Gemeinsam für den Standort Adenauer Land
Hermann-Josef Romes / Katja Kerschgens
Standortmarketing – das geht doch gar nicht. Sagt zumindest Marketingexperte Dr. Karl J. Eggers. Aber er sagt es immer mit einem Augenzwinkern, weiß er es doch besser - denn man spricht mittlerweile vom Modellfall Adenau. Tatsächlich haben sich dort innerhalb von kurzer Zeit rund 100 interessierte Bürger, Unternehmer, politische Funktionsträger, Einzelhändler und Handwerker, Ärzte, Lehrer und Vereinsvorsitzende zusammengefunden, die ein konkretes Ziel vor Augen haben: den Standort Verbandsgemeinde Adenau attraktiver zu machen. Oder, ganz simpel: Kaufkraft im Adenauer Land zu halten, weitere Kaufkraft hinzuziehen. Und das nicht nur mit dem Nürburgring.
Die Definition
Das englische Wort „Marketing“ bedeutet, etwas systematisch „an den Markt“ zu bringen, also Marktchancen gezielt zu nutzen. Wenn man das für eine ganze Kommune macht, also einen Wirtschaftsstandort wie die Verbandsgemeinde Adenau, dann nennt man das Standortmarketing. So erklärt es Dr. Eggers, der das Standortmarketing der Verbandsgemeinde Adenau beratend begleitet. Und weiter: „Der Nutzen des Standortmarketings besteht in der höheren Wertschöpfung, die sich damit am Markt erzielen lässt: Es wird mehr Kaufkraft in der Region gebunden und zusätzliche Kaufkraft von außen angezogen. Das ist gut für die Arbeitsplätze und für die Einkommen der Region. Am besten sieht man den Nutzen an den Standorten, die kein Standortmarketing betreiben. Sie fallen wirtschaftlich zurück.“
Die erste Frage, die den Aktiven des Standortmarketings immer gestellt wird, ist die nach der Finanzierung. Aber es gibt keinen eigenen „Topf“ für das verbandsgemeindeweite Projekt. Es sind wohl die beiden örtlichen Banken (Kreissparkasse und Volksbank RheinAhrEifel) beteiligt, und es gibt auch gewisse Staatszuschüsse. Aber das ist vor allem Startkapital. „Je besser die Akteure in einem Ort zusammenarbeiten, desto größer ist auch die Zahl der Fördertöpfe, die man erfolgreich ,anbohren’ kann“, erklärt Dr. Eggers dazu. „Für viele Zwecke steht immer noch öffentliches Geld bereit: für die Entwicklung ländlicher Räume, für die Belebung der Innenstadt, für die Dorferneuerung, für den Schutz der Umwelt, für den Erhalt von Arbeitsplätzen.“ Und hier greift die Wichtigkeit, dass Adenau mittlerweile als eine Art „Modellfall“ im Land anerkannt wird. Die Aufmerksamkeit der Landesregierung ist der Hocheifelregion mittlerweile sicher. Aber wie kam es dazu?
Der Ursprung
Dem Prozess des Standortmarketings Verbandsgemeinde Adenau vorausgegangen war eine Agrarstruktuelle Entwicklungsplanung (AEP), die in den Jahren 1998 bis 2000 von der Verbandsgemeinde Adenau mit Hilfe des Institutes für Landschaftsentwicklung und Stadtplanung - Abresch Bergfeld & Partner - erstellt worden war. Das Projekt war finanziell maßgeblich unterstützt worden durch das Land Rheinland-Pfalz und durch personelle Hilfe des Kulturamts Mayen. Ziel war, in der ländlich geprägten Verbandsgemeinde Adenau die Sicherung wettbewerbsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe und integrierter Landnutzung zu erreichen. Um jedoch eine tragfähige Regionalentwicklung sicherstellen zu können, wurde die AEP im Rahmen eines landesweiten ersten Pilotprojektes um die Komponente „regionalwirtschaftliche Entwicklung“ erweitert. Damit gelang es auch, ein wichtiges Nebenziel zu erreichen: die Unterstützung der Unternehmungen aus den anderen Wirtschaftsbereichen. Vor allem die Anbieter von Tourismus-Dienstleistungen erkannten, dass die Landwirtschaft mit der Aufrechterhaltung der attraktiven Kulturlandschaft auch ihnen die Existenz sichern hilft. Unter der Fragestellung: „Welchen Weg will die Verbandsgemeinde Adenau in ihrer Regionalentwicklung künftig einschlagen?“, wurde erstmals bewusst eine Stärke/Schwächeanalyse vollzogen, die nicht ausschließlich auf dem Wirtschaftsfaktor „Nürburgring“ beruhte.
Der Startschuss
Die so entwickelten Handlungsempfehlungen wurden ab Juni 2000 im Rahmen einer ebenfalls von Land Rheinland-Pfalz geförderten „Moderations- und Umsetzungsphase“ in die Tat umgesetzt - der Startschuss für das kommunale Standortmarketing. Im Juli 2002 gab der Verbandsgemeinderat Adenau aufgrund der Handlungsempfehlungen aus der Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung einstimmig grünes Licht für ein auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit angelegtes verbandsgemeindeweites Standortmarketing in Kooperation mit dem Gewerbeverein Adenau e. V. und dem Tourismusverein Hocheifel-Nürburgring e. V. Die rheinland-pfälzische Landesregierung förderte das aus ihrer Sicht innovative Vorhaben, nachdem die örtliche Kreissparkasse als Hauptsponsor und die Volksbank RheinAhrEifel als weiterer Sponsor namhafte Geldbeträge eingebracht hatten. Das Ziel: Erarbeitung realistischer Rahmenbedingungen zur Erlangung einer maximalen Wertschöpfung mit Methoden einer marktorientierten Unternehmensführung. Was so trocken klingt, wurde im September 2002 in der Adenauer Komturei von rund 80 Akteuren aus Handel, Handwerk, Gewerbe, Politik sowie dem Dienstleistungsbereich auf Herz und Nieren überprüft. Hier wurde der konzeptionelle Grundstein für Projekte gelegt, in denen man jeweils eine hohe Realisierungschance und zugleich Wertschöpfung sah. Ziel-vorgabe war und ist auch fortan die Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Umsetzung der „Agenda 21“. Bewusst verzichtete man auf eine abstrakte Leitlinienerstellung oder auf Hochglanzbroschüren mit markigen Sprüchen. Die Tat zählte.
Die Struktur
In der Folge etablierten sich fünf Arbeitsgruppen unter der Leitung einer Lenkungsgruppe. Diese setzt sich zusammen aus Vorstandsmitgliedern des Tourismusvereins Hocheifel-Nürburgring e. V. und des Gewerbevereins Adenau
e. V., Beigeordneten, Stadt- und Verbandsbürgermeister sowie dem Sprecher der Ortsbürgermeister, Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz, der Volksbank RheinAhrEifel eG. und der Kreissparkasse Ahrweiler, den Vorsitzenden der Arbeitskreise sowie der Pressestelle. In den für jedermann offenen Arbeitskreisen werden verschiedene Schwerpunktthemen behandelt. Arbeitskreis I befasst sich mit den Bereichen „Handel, Handwerk, Gewerbe, Dienstleistungen, Verkehr“, Arbeitskreis II hat sich auf „Landwirtschaft, Forsten, Landschaft, Natur“ spezialisiert und der Arbeitskreis III fokussiert „Gastronomie, Tourismus“. Im Arbeitskreis IV geht es um „Bildung, Kultur, Kunst“ und der Arbeitskreis V schließt den Kreis mit „Gesundheit, Fitness, Sport“.
Das Lob
Bald zeigte sich, wie sehr das Standortmarketing Kreise gezogen hatte - nicht zuletzt im gemeinsamen Logo, das nun stellvertretend für al-le Aktionen der einzelnen Arbeitskreise und Symbol für die Kooperation zwischen den Trägern des Standortmarketings ist. Der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Hans-Artur Bauckhage, und über 150 Gäste konnten sich im Februar 2003 im Bürgerhaus Herschbroich einen Eindruck über die ersten Projekte und Strategien des Standortmarketings der Verbandsgemeinde Adenau verschaffen. Und da war es, der erste Schritt hin zum Modellfall Adenau: „Die Verbandsgemeinde Adenau ist für ganz Rheinland-Pfalz beispielgebend“, lobte der Minister und machte deutlich: „Standortmarketing ist nicht nur etwas für große Städte.“ Und Bauckhage versicherte die Unterstützung der Landesregierung und seines Ministeriums auch in Zukunft. Das tat gut. Immerhin heißt ein Projekt wie dieses, dass sich alle Beteiligten zunächst einmal eh-renamtlich einsetzen. Für die gemeinsamen Sitzungen in der Lenkungsgruppe, den Arbeitskreisen und den einzelnen Projektgruppen braucht es Zeit, die selten über ist. Doch ist allen Aktiven auch klar, dass die öffentlichen Kassen leer sind und die Region trotzdem an Attraktivität gewinnen muss. Um das zu erreichen, bedarf es des zusätzlichen Engagements so vieler Bürger wie möglich, organisiert und strukturiert durch das fest etablierte Instrument des Standortmarketings.
Das Standortmarketing Verbandsgemeinde Adenau zieht Kreise - nicht zuletzt im gemeinsamen Logo, das alle Träger vereint.
Die Projekte
Seit 2002 ist eine Vielzahl von Projekten umgesetzt worden, weitere sind in Planung oder bauen auf den bisherigen Erfolgen auf. Auf den Adenauer Märkten wurden einheimische landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie die Präsentation von heimischen Handwerksbetrieben etabliert. Ein Flyer zur „heimischen Landwirtschaft“ wurde herausgegeben. In Anlehnung an die Initiative der Gastronomiebetriebe „einfach gut“, die in ihrer Küche größtenteils land-wirtschaftliche Produkte aus dem Adenauer Land verwenden, werden dort neun Erzeugerbetriebe und ihre Spitzenprodukte vorgestellt. Ausstellungen von Selbstvermarktern sowie Land- und Forstwirtschaft waren jetzt möglich, weil das Standortmarketing alle an einen Tisch geholt hatte. Noch deutlicher wurde das mit den Adenauer Wassertagen, bei denen anlässlich des Weltwassertages der Vereinten Nationen eine Woche lang ganz Adenau im Zeichen des wertvollen Nass stand. Die „Empfehlung zur Einführung eines einheitlichen Bewertungsverfahrens von Eingriffen in Natur und Landschaft sowie zur Einführung eines Öko-Kontos an einem konkreten Beispiel“ wurde vorgestellt. Mit einem „Leerkataster“ wurde ein Beitrag zur Vermittlung von leer stehenden Ausstellungs- und Verkaufsräumen geleistet. Die Anbringung von Blumenschmuck wertete das örtliche Erscheinungsbild Adenaus auf. Und mit der „Adenauer Gesundheitswoche“ standen zahlreiche Aktionen auf dem Programm, die gesund und fit für den Herbst machten. In diesen Tagen wurde auch der NORDIC FITNESS PARCOUR eingerichtet - ehrenamtlich, versteht sich. Weiter ging es vom Festival aller Schülerbands über die Ausbildungsplatzbörse bis hin zum „Streuobsttag“ mit Obstbaumschnittkursen. Damit auch die nächsten Projekte dort ansetzen, wo sie sinnbringend für die Region wirken können, wurde eine „Kunden- und Bürgerbefragung“ durchgeführt. Die Ergebnisse der Bürgerbefragung werden im Verlauf des Jahres 2004 in separaten Workshops ausgewertet, um die notwendigen Folgerungen zu ziehen.
„einfach gut“ - das bürgt für gastronomische Spitzenqualität. Mit markengeschütztem Logo, Schildern und Fahnen kennzeichnen sich die angeschlossenen Gastronomiebetriebe.
Fazit
Ein guter Anfang ist gemacht. Trotz der Tatsache, dass sich Standortmarketing nicht „verordnen“ lässt, dass es für die Abläufe kein all-gemeinverbindliches formales Recht gibt, funktioniert es. Es funktioniert, weil ideologische Betrachtungswinkel zurückgestellt werden, weil kommunale Räte die neue Art der Entscheidungswege akzeptieren, weil Idealismus und Toleranz vorherrschen und die Erkenntnis an Boden gewinnt, dass kommunale Wirtschaftsförderung nur noch in einer solchen Form eine Chance auf Erfolg hat. Eigentlich ist es so simpel: Es funktioniert, weil man miteinander spricht.