Das Heilbad Kripp „ein balneologisches Intermezzo“
Willy Weis / Hildegard Funk
Die Tradition der Badekuren reicht bis in die Antike zurück. Seither dienen Thermal- und Mineralquellen zur Linderung und Heilung von Krankheiten aller Art. In unserer Region verdanken wir diese Quellen dem vulkanischen Erbe der Eifel. Mit der Erbohrung von Heilquellen in Sinzig, Neuenahr, Bodendorf, Niederbreisig und Kripp begann im 19. und 20. Jahrhundert die Geschichte der Kurorte im Kreis Ahrweiler, die den Ruf der Region als Gesundheits- und Fitnessregion begründet haben. Besonders Bad Neuenahr erlebte ab der ersten Kursaison im Jahre 1858 einen rasanten Aufstieg zu einem der führenden Bäder Deutschlands. Im Reigen der Kurorte im Kreis Ahrweiler war Kripp das jüngste Bad. Seine Geschichte ist zugleich aufgrund der kurzen Lebensdauer aber nur „ein balneologisches Intermezzo“ geblieben.
Die Anfänge
Erste Versuchsbohrungen nach einer Heilquelle in Kripp ließ der ortsansässige Hotelier Thomas des Hotels Rheingold bereits 1900 und 1910 durchführen. Sie waren allerdings ohne Erfolg.1) Bei dem Jahrhunderthochwasser 1926 stellte dann der Kripper Gastronom Ignaz Lohmer bei einem Einsatz als Feuerwehrmann bei einer Kahnfahrt fest, dass an der Straße „An der Schanze“ auf dem Grundstück der Familie Karl Werner aufsteigende „Wirbelblasen“ beim Aufplatzen an der Wasseroberfläche einen übelriechenden Geruch hinterließen. Lohmer erkannte, dass es sich um Kohlensäureexhalationen von Mineralwasservorkommen handelte. Er verstand es, hierfür das Interesse des Grundstückseigentümers Karl Werner zu wecken. Dieser beauftragte mehrere Rutengänger, die unabhängig voneinander auf seinem Grundstück die Existenz eines unterirdisches Wasservorkommens feststellten. Das Ehepaar Werner entschloss sich daraufhin zu einer Tiefbohrung nach Mineralwasservorkommen. Nach der Gründung eines Konsortiums mit vier Freunden wurde 1927 eine Bohrfirma mit einer Tiefbohrung von 250 m beauftragt. Unter dem international erfahrenen Bohrmeister Hildebrand stieß man Ende 1928 in 110 m Tiefe auf erste Kohlensäurespuren. Allerdings brach der Bohrmeißel dann in 245 m Tiefe ab und konnte erst nach eineinhalb Jahren aus dem Bohrloch entfernt werden. Dadurch war die Bohrung erst im Dezember 1929 von Erfolg gekrönt. Das dann angebohrte Mineralwasservorkommen schüttete aus 250 m Tiefe mit natürlichem Druck Mineralwasser in einer Wasserfontäne von bis zu 18 m Höhe aus. Unabhängige Gutachter attestierten dem Mineralwasser eine hervorragende Zusammensetzung. Die Quelle erhielt nach dem Vornamen der Besitzerin den Namen „Maria-Luisen-Quelle“.
Der neu entdeckte Säuerling, er weist mehr als ein Gramm Kohlensäure pro Liter auf, wurde nach der Analyse durch ein namhaftes Institut als „Heilkräftige Quelle“ offiziell anerkannt. Er kann als „Natrium-Hydrogenkarbonat-Chlorid-Säuerling“ bezeichnet werden. Die Temperatur erreicht mit 18,3 Grad noch nicht den für eine „Therme“ geforderten Grenzwert von 20 Grad. In der Analyse fällt neben dem Kochsalzgehalt der größere Anteil an Magnesiumionen gegenüber den Kalziumionen auf. Unter den Heilquellen des Kreises Ahrweiler nahm die Maria-Luisen-Quelle in Kripp mit ihren salinischen Anteilen eine Sonderstellung ein.2) Dank seiner chemischen Zusammensetzung besitzt das Kripper Heilwasser eine Heilkraft, die zur gezielten medizinischen Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt werden kann: chronische Magenkatarrhe mit und ohne Säureanomalien, Magengeschwüre, Übersäuerung des Magens, mäßige und allgemeine Übersäuerung bei Stoffwechselleiden und Nierenleiden, Leber- und Gallenleiden, Gicht, Störungen des Harnsäurestoffwechsels, Nierensteinleiden, insbesondere Harnsäuresteine, auch zur Nachkur nach Operationen in Form von Trink- und Badekuren.3) Die hervorragenden Werte des Heilwassers gaben den Weg frei für die Errichtung eines Heilbades.
Der Traum vom Heilbad
Die Quellbesitzer entschlossen sich zur Errichtung von Kur- und Badeanlagen. Zur Finanzierung eines Badebetriebes wurde eine Gesellschaft mit dem Namen „Heilbadbetrieb Maria-Luisen-Quelle“ in Kripp gegründet. Kurdirektor war Walter Werner, Sohn der Besitzer. Auf dem Quellgrundstück wurde ein kleines bescheidenes Badehaus errichtet und für den ganzjährigen Badebetrieb am 9.9.1934 eröffnet. Das Heilwasser musste in einem im Pumpenhaus befindlichen Heizkessel für die Sitzbäder in den Holzbadezubern erwärmt werden. Zur Hebung und Förderung des Fremdenverkehrs, der Errichtung und Unterhaltung öffentlicher Anlagen und für die Fremdenverkehrswerbung wurde von 25 Ortsbewohnern bereits am 3. Mai 1934 ein „Bade- und Verkehrsverein Kripp a/Rhein e. V.“ gegründet. Vereinsführer war Jean Schlitzer, seine Vertreter Graf Taveggi und Peter Dahm jun. Kripp erhielt 1935 die offizielle Anerkennung als Heilbad.4) Als aufstrebender kleiner Kurort zog Kripp in seiner reizvollen Rheinlage schnell Badegäste an, viele wurden Stammgäste. Der Badebetrieb florierte aber auch durch zahlreiche Gäste der NS-Gemeinschaft KraftdurchFreude (KdF) und nahm eine günstige Entwicklung. 1937 eröffnete Dr. Dr. Hermann Karsten im ehemaligen Schwesternheim auf dem Batterieweg ein Sanatorium als Privatkrankenanstalt. Es verfügte über die erste Sauna Deutschlands. Dr. Dr. Karsten führte im Sanatorium seine Zahnartzpraxis, bot aber auch eine reiche Palette von Möglichkeiten an ambulanten, offenen und geschlossenen Badekuren mit der Heilquelle an. Sein Sanatorium empfahl sich u. a. bei Erkältungskrankheiten, Nervenleiden, Rheuma, Stoffwechselerkrankungen und Kreislaufstörungen. Zu seinen Naturheilverfahren gehörten Anwendungen nach Pfarrer Kneipp, aber auch Duft-, Farb- und Tontherapien sowie das Japanbad und eine ärztlich geleitete Heilsauna.
Trinkbrunnen in der Bäderhalle des Bade- und Liegehauses in Kripp, nach 1951
Das Sanatorium lag in unmittelbarer Nachbarschaft der Kuranlagen in ausgedehnten Parkanlagen. Zu den Sanatoriumsgästen zählten Mitglieder des Mittelstandes, aber auch Prominente. So zum Beispiel die bekannte Pianistin Elly Ney.5) Die Unterbringung der Badegäste in Kripp erfolgte zum Teil im Sanatorium, den Rheinhotels, und Gaststätten, überwiegend aber in Familienpensionen. Die Gäste, die vielfach 6-8 Wochen blieben, kamen überwiegend per Bahn in Linz und Remagen an, wobei die Sanatoriumsgäste mit der Kutsche abgeholt wurden.6) Der Kurhausgarten, das Sanatioriumsgelände und die gepflegten Rheinanlagen boten den Erholungssuchenden ausgiebig Gelegenheit zu Spaziergängen.
Rheinansicht des Kurhauses Bad Kripp, nach 1950
Der florierende Badebetrieb brachte für das kleine Kripp einen wirtschaftlichen Aufschwung durch Arbeitsplätze im Badebetrieb, Verdienstmöglichkeiten durch private Zimmervermittlung und zusätzliche Einnahmen in den örtlichen Geschäften.
Durch den Zweiten Weltkrieg wurde der Aufschwung des Badebetriebs gehemmt. Er kam zeitweise ganz zum Erliegen.
Sanatorium Dr. Dr. Karsten am Batterieweg in Kripp, 1981 abgerissen
Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Badebetrieb nur langsam wieder in Gang, nahm aber in den 1950er Jahren wieder einen guten Aufschwung. Für die steigenden Besucherzahlen wurde der Bäderkomplex mit Bäder-, Trink- und Ruhehalle sowie Massageräumen erweitert. Ganzjährig wurden in dem neuen Badehaus Sitzbäder, Massagen und Trinkkuren durchgeführt. Der Badeort mit seinem Kurhaus und dem renommierten Sanatorium Dr. Dr. Karsten erfreuten sich steigender Beliebtheit. Sehr geschätzt wurde das Sauna- und Thermalbad (25-27 Grad) im Sanatoriumsgarten der Privatkrankenanstalt. Das Kurhaus des Bades, das ehemalige Wohnhaus der Quellenbesitzer, auch „Rheinschlösschen“ genannt, erhielt 1948 eine Vollkonzession, die aber 1966 zurückgezogen wurde. Die Pächter wechselten mehrfach. Der Badebetrieb von Kripp ging langsam aber stetig bergab. Fehlende Investitionen und die Nichtanpassung an die gestiegenden Bedürfnisse der Gäste, die schließlich mehr und mehr ausblieben, waren u. a. die Gründe für den Niedergang. Der Badebetrieb wurde um 1958 eingestellt.7) Auch der Mineralwasserbetrieb, der 1958 an die Firma Lehnig übergangen war, hielt sich nur bis 1963.
Die Idee von Dr. Dr. Karsten, den Kripper Kurgarten in ein Heilzentrum umzubauen, fand leider keine Verwirklichung. Die letzte Chance zur Erhaltung des Heilbades zerfloss. Die Quellenanlage ist zwar versiegelt, jedoch weiterhin in betriebsbereitem Zustand. Das Kurhaus mitsamt den Kur- und Badeanlagen sowie das Sanatoriums Dr. Dr. Karsten sind längst der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Verwildert ist der herrliche Garten des Kurhauses. Lediglich die Bezeichnung „Quellenstraße“ erinnert daran, dass Kripp für etwa 30 Jahre ein Heilbad war. Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Badebetriebes gibt es nicht.
Anmerkungen:
vgl.: Hans Kleinpass: Sinzig 1815 - 1969. In: Sinzig und seine Stadtteile. Sinzig 1983. S. 272; Auskunft von Michael Schumacher (†), Kripp.
Walther Ottendorf-Simrock: Heilquellen und Mineralbrunnen im Kreis Ahrweiler. In. Heimatchronik des Kreises Ahrweiler. Köln 1968. S. 279.
vgl. Analyse im Bäderhandbuch Rheinland-Pfalz 1972, Dr. Karl Ernst Heyl, S. 150f.
siehe Rhein-Ahr-Rundschau Nr. 47 vom 25.2.1986: „Vom Heilbad Kripp ist nach 60 Jahren nur noch Erinnerung geblieben“; Die Anerkennung Kripps als Heilbad erfolgte im Jahre 1935 nach den Richtlinien des Bundes Deutscher Verkehrsverbände und Bäder unter Zustimmung des bäderwissenschaftlichen Beirates.“
Die Informationen zum Sanatorium Dr. Dr. Karsten stützen sich vor allem auf die Informationen von Mathilde Karsten: Ein Ja zum Leben. Kripp 1982.
Auskunft von Mathilde Bewersdorf (†), Kripp 7) Auskunft von Marialuise Geef, Kripp , ehemals Masseurin im Kripper Kurbetrieb
Alle familienbezogenen Aussagen zu den Quellenbesitzern basieren auf Angeben der Enkelin Erika Münchhalfen, Frechen. Informationen und Auskünfte über Quell- und Badeangelegenheiten enthielten die Konsessionsakte des Kurhauses bei der Stadt Remagen und gaben darüber hinaus u. a. Michael Schumacher (†) und Josef Marx, Kripp.