Tod in der Unkelbacher Ziegelei

Udo Bürger

Außer dem Basaltsteinbruch „am Dungkopf“, der im 19. Jahrhundert einer Reihe von Unkelbachern und anderen Arbeitern von nah und fern eine Verdienstmöglichkeit bot, gab es eine weitere industrielle Einrichtung in Unkelbach, von der heute nichts mehr zu sehen und die weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Gemeint ist eine Ziegelbrennerei, die sich am rheinwärts gelegenen Ortseingang von Unkelbach im „Mühlenloch“ befand. In dieser 1873 unter dem Namen „Cords und Meitzendorf“ in Betrieb genommenen Firma wurden mittels eines Ringofens Falzziegel, feuerfeste Steine, Platten und Mauerziegel hergestellt. 1876 waren 18-20 Arbeiter in der Ziegelei beschäftigt. Wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig im Unkelbacher Basaltsteinbruch nur 30 Arbeiter tätig waren und in der Remagener Kupferhütte „Tubalkain“ nur 16, dann zeigt sich, wie bedeutend der Betrieb im „Mühlenloch“ in der Region war. Die in der Regel ausschließlich männlichen Arbeiter waren in einem fabrikzugehörigen Mannschaftsgebäude untergebracht. Um 1929 ließ ein neuer Besitzer des Geländes den Fabrikkamin und den Ringofen sprengen, um das Terrain als Weideland nutzen zu können.1) Über die Ziegelei ist ansonsten allgemein wenig bekannt. Umso interessanter ist es, einen kleinen Einblick zu erhalten, der uns durch Pressemitteilungen im Zusammenhang mit einem zwanzig Jahre nach Inbetriebnahme der Ziegelei geschehenen Zwischenfall gewährt wird. Die Stimmung unter den meisten der 17 Arbeiter war am 8. September 1893 nicht gerade gut. Der Aufseher Heinrich Kuhlemann hatte an jenem Tag einen Arbeiter entlassen, „der dann schimpfte und die übrigen Arbeiter aufzuhetzen versuchte, was ihm auch theilweise gelang“. Gegen 9 Uhr abends - erst jetzt schien der Fabrikbetrieb eingestellt worden zu sein - begaben sich die Arbeiter in das Mannschaftsgebäude. Einer davon, der 1871 in Rehme in Westfalen geborene Carl Friedrichs, setzte sich mit seinem Bruder und zwei weiteren Arbeitern an einen Tisch, um das Abendbrot zu verzehren, wobei auch Bier und Schnaps getrunken wurden. Vielleicht reizten die Tagesereignisse die Stimmung auf, jedenfalss schwoll der Lärmpegel am Tisch erheblich an. Bierflaschen wurden auf den Tisch geschlagen und Glassplitter flogen herum, bis sich der in unmittelbarer Nähe wohnende Kuhlemann veranlasst sah, die Lärmenden zur Ruhe aufzufordern. Friedrichs rief ihm aus dem relativ dunklen Raum zu: „So ein alter schiefbeiniger Kerl, was will der hier? der muss überhaupt mit der Lampe einmal herkommen.“ Dies tat der Aufseher auch - er holte eine Lampe und stellte sich damit in die Tür. In dem Moment erhoben sich die vier Arbeiter und Friedrichs ging mit einem Brotmesser in der Hand auf Kuhlemann zu. Dieser entfloh durch die anstoßende Küche zum Ausgang, wo ihn Friedrichs einholte und vollends zur Tür hinausschob. Kaum war der Aufseher vor das Haus getreten, als er sich umwendend von Friedrichs einen Messerstich in die Brust erhielt. Er ging einige Schritte zurück, taumelte, kam dann wieder nach vorne, warf Friedrichs die brennende Lampe ins Gesicht, „dass sie in Stücke ging“, und stürzte dann zur Erde nieder. Ein herbeigeholter Arzt konnte nur noch den Tod Kuhlemanns konstatieren. Die Obduktion der Leiche wurde übrigens durch einen ähnlich heißenden Arzt - Dr. Kuhlmann aus Remagen - vorgenommen. Bei der Verhandlung vor dem Koblenzer Schwurgericht am 20. November 1893 behauptete der vorbestrafte Friedrichs, der nur kurze Antworten gab, Kuhlemann habe ihm zuerst die Lampe ins Gesicht geworfen, ehe er sich verteidigt habe. Die Zeugenaussagen sprachen aber eindeutig gegen ihn. Die Geschworenen erklärten ihn der „Mißhandlung mit tödtlichem Erfolge“ für schuldig, worauf er zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Der Gerichtshof erwog hierbei, „dass auch durchaus nichts milderndes im Verhalten des Angeklagten zu finden sei. Derselbe habe seinen Vorgesetzten direkt mit Schimpfworten überhäuft, ihn angegriffen und den braven Mann in ruchloser Weise niedergestochen.2)

Anmerkungen:

  1. LHA Ko Best. 635 Nr. 434 und Nr. 445; Unkelbach. Geschichte des Ortes von den Anfängen bis zur Gegenwart, Remagen-Unkelbach 1999, S. 122-27.

  2. Koblenzer Volkszeitung Nr. 269 vom 21. November 1893.

Luftbild von Unkelbach, um 1960