Erinnerungen an das ehemaligeSt. Anna-Kloster in Remagen
Hermann Josef Fuchs
Vor rund 140 Jahren wurde 1865 der Grundstein für das einstige, das Stadtbild von Remagen prägende Gebäude des St. Anna-Klosters gelegt. Nach einer rund 110-jährigen bewegten Geschichte eilte 1974/75 die Kunde von der Schließung des St. Anna-Klosters durch Remagen. Alle Hebel wurden von der Stadt in Bewegung gesetzt, um den Fortbestand der Einrichtung zu sichern. Es half nichts, denn die personellen und finanziellen Gründe waren stärker, und auch der bauliche Zustand des Hauses spielte eine Rolle für die Entscheidung zum Abriss. Anfang 1977 rückte eine Abbruchfirma an. Am 14. Januar 1977 hatte ein Riesenbagger die zum Abbruch anstehenden Gebäudeteile niedergerissen. Stehen blieben nur der Gebäudeteil zur Fährgasse hin und die Kapelle.
Blick in die Geschichte des Klosters
Kloster und Haushaltungsschule St. Anna in Remagen verdanken ihre Entstehung der Franziskanerin Mutter Angela geborene Auguste von Cordier, die auch das säkularisierte Kloster auf der Insel Nonnenwerth unter mancherlei Schwierigkeiten für die Kirche zurückgewonnen hatte. Als Bauplatz für eine neue Niederlassung in Remagen wurde der ehemalige Fronhof ausersehen. Der damalige Bischof Arnoldi von Trier hatte Mutter Angela von Cordier auf dieses Grundstück mit den verfallenen alten Klostergebäuden aufmerksam gemacht. Der Fronhof, ein ehemaliges 1409 gegründetes Benediktinerkloster mit einer Kapelle zu Ehren des heiligen Johannes, wurde nach dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen in das Rheinland (1794) nach 1801 säkularisiert. Der Besitz an Ländereien und Weinbergen wurde versteigert. Im Klostergebäude richtete man eine Polizeiwache ein und wandelte die Kapelle in ein Arresthaus um. Später erwarb ein wohlhabender Bürger der Stadt das Anwesen. Für die Entstehung des Anna-Klosters gab es in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zwei Gründe. Da war zum einen der Bedarf für eine Haushaltungsschule vorhanden, weil viele Mädchen aus begüterten Kreisen außerhalb der elterlichen Familie in einem Gasthof/ Hotel oder in einer fremden Familie die Führung eines Haushalts erlernen sollten. Hierbei waren sie oft in ihrer Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit großen Gefahren ausgesetzt. Das sollte durch eine Ausbildung in behüteter Umgebung verhindert werden. Zum anderen wurde von vornehmen älteren Damen der Wunsch nach einem Hause geäußert, in dem sie ihre letzten Lebenjahre in Ruhe verbringen konnten. Mutter Angela von Cordier, die Oberin der Franziskanerinnen von Nonnenwerth, plante vor diesem Hintergrund eine neue Niederlassung auf dem Gelände des alten Fronhofs in Remagen. Im März 1864 waren die Pläne von Mutter Angela von Cordier soweit gediehen, dass der Kaufakt abgeschlossen werden konnte. Der Fronhof ging für 8 000 Taler in den Besitz der Franziskanerinnen über. Für die Oberin war die Unterzeichnung des Kaufvertrags in Köln die letzte Amtshandlung. Auf dem Rückweg zur Insel Nonnenwerth erkältete sie sich stark und starb kurz darauf an einer Lungenentzündung. Der Gründerin war es nicht vergönnt, die Entwicklung des Klosters mitzuerleben. Am 19. März 1865 wurde der Grundstein zum Neubau des Klosters und der Kapelle gelegt. Architekt war J. H. Gossert. Am 1. Mai 1866 war der Bau so weit fertig, dass die ersten Franziskanerinnen einziehen konnten. Der 22. Juli 1866 war das Weihedatum der Kirche. Arm und dürftig war das Gotteshaus. Nur im kleinen Chor befanden sich Glasfenster. Graue Tücher vor den übrigen Fensteröffnungen sollten einstweilen vor Wind und Wetter schützen. Ein freundlicher Nachbar hatte ein kleines Harmonium für die Kirchenmusik geliehen, andere Wohltäter brachten das nötigste Gerät für den Altardienst.
Pensionat und Damenstift vor 1914
Zum 1. Juni 1866 war die Einrichtung des Klosters soweit, dass das Pensionat eröffnet werden konnte. Der alte Fronhof in Remagen wurde damit zum ersten Haushaltspensionat in Deutschland, wo jungen katholischen Mädchen die Möglichkeit einer gediegenen Ausbildung als Hausfrau und Mutter geboten wurde. Gleichzeitig wurde in St. Anna eine Töchterschule eröffnet. Hier sollte Mädchen der Remagener Stadtbewohner Gelegenheit zu höherer Bildung gegeben werden. Diese Schule hat es durch die Ungunst damaliger Verhältnisse nie zu einer größeren Zahl von Schülerinnen gebracht. 1876 musste die Schule bereits infolge des Kulturkampfs geschlossen werden. Im Juli 1866 zogen die ersten Damen in St. Anna ein. Im April 1867 kam Freifrau von Kylmann ins Haus, Tante des Freiherrn von Eynatten, Kammerherr der Kaiserin und Königin Augusta. Im Herbst 1866 wohnten bereits zwölf Ordensschwestern, sieben Damen und zwölf Pensionärinnen im Haus. Die höhere Schule wurde von zwanzig Schülerinnen besucht. 1868 wurde im Pensionat eine Marianische Kongregation gegründet. Es dauerte nicht lange bis das Haus durch wohltätige Schenkungen und Stiftungen vergrößert werden konnte. Die im Kloster wohnenden Damen machten es sich zur Ehre, das Innere der Kapelle auszustatten. Im Kriegsjahr 1870 wurden fast alle Zöglinge von ihren besorgten Eltern nach Hause gerufen. In St. Anna versammelten sich die Schwestern aus den verschiedenen Filialen der Franziskanerinnen von Nonnenwerth, um als Krankenpflegerinnen in das Kampfgebiet des deutsch-französischen Krieges zu ziehen. Das Kloster selbst wurde als Lazarett eingerichtet. Im Jahre 1875 drohte dem Kloster Gefahr durch die Kulturkampfgesetze des preußischen Staates, nach denen lediglich die in der Krankenpflege tätigen Orden auf dem Staatsgebiet geduldet wurden. Es wurde die Auflösung der bestehenden Niederlassungen verfügt. Durch Vermittlung der Kaiserin und Königin Augusta wurde erreicht, dass die alten Damen in St. Anna bleiben konnten. Dagegen musste das Pensionat in die Hände einer weltlichen Vorsteherin übergehen. Nach der Aufhebung der Kulturkampfgesetze konnten die Orden ihre Arbeit wieder fortsetzen. Für das Anna-Kloster begann eine segensreiche Entwicklung.
St. Anna-Kloster Remagen, vor 1916
Bereits 1882 konnte das Haus an den beiden Seitenflügeln durch Anbauten erweitert werden. 1892 wurde der Flügel zur heutigen Markstraßeangebaut. Auch die Ökonomiegebäude und Gartenanlagen wurden bedeutend vergrößert, der Gemüsegarten und Laubengang angelegt. Die Zahl der Hausbewohner nahm ständig zu. Im Jahre 1890 wohnten in St. Anna 30 Ordensschwestern, 48 Pensionärinnen und 14 Damen. Das eintausendste „St. Anna-Kind“ konnte 1895 in die Stammrolle des Klosters eingetragen werden. Die Steigerung des Klosterbetriebes machte bald eine weitere Vergrößerung des Hauses notwendig. 1904 wurde mit den Anbauarbeiten durch den Baumeister und Architekten Caspar Clemens Pickel (1847 – 1939) begonnen. Die Einweihung des neuen Hausteils fand 1906 statt. Gleichzeitig wurde eine neue Marienkapelle erbaut. Das heute noch stehende Gebäude wurde am 29. November 1906 als Kirche geweiht. Bereits 1896 hatten die Schwestern für die Kinder von Remagen eine Verwahrschule in einem gemieteten Saal in der Grabenstraße eröffnet und eine Näh- und Industrieschule für die Mädchen der Stadt eingerichtet.
Erster und Zweiter Weltkrieg
Im Jahre 1914 ging die Gesamtzahl der Pensionärinnen, die seit den Anfängen die Haushaltsausbildung besucht hatten, bereits in das dritte Tausend. Immer häufiger meldeten sich auch Mädchen aus dem Ausland zur Aufnahme an. Der Erste Weltkrieg verhinderte die weitere günstige Entwicklung der Einrichtung, denn das Kloster wurde dem Reservelazarett Remagen zur Verfügung gestellt. Das Pensionat musste für einige Monate aufgelöst werden. Im Sommer des Jahres 1916 zählte das Haus jedoch wieder 45 Schwestern, 54 Pensionärinnen und 14 Damen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde im Anna-Kloster ein Hilfskrankenhaus mit Wöchnerinnenstation eingerichtet. Die Schwestern leisteten Samariterdienste an kranken und verwundeten Soldaten, sie pflegten Zivilkranke und sorgten für Wöchnerinnen und Säuglinge. Besonders drückend lag das Kriegsende 1945 auf dem Anna-Kloster. Die Revierstube für den Brückenwachdienst war im Kloster untergebracht. In den letzten Kampftagen im März 1945 lag das Kloster unter ständigem Beschuss. Die Gebäude trugen dadurch schwere Schäden davon. Zahlreiche Zivilisten suchten in den letzten Kriegstagen Schutz im Luftschutzkeller des Klosters.
Nachkriegszeit
Nach den Zerstörungen des Krieges mussten große bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Der Kindergarten wurde erweitert und 1956 konnte neben der Haushaltungsschule eine Schule für Kinderkrankenpflegerinnen mit staatlicher Anerkennung eröffnet werden. Als den Kinderkrankenpflegerinnen die selbständige Arbeitsmöglichkeit versagt wurde, löste man die Schule im August 1973 auf. Bereits 1971 hatte das Kloster im Zuge einer Verkleinerung der gesamten Einrichtung die Haushaltungsschule geschlossen. Die noch bestehende Pflegevorschule bestand aus dem gleichen Grund nur bis Jahre 1976. Damit standen große Teile der Klosteranlage auf dem ehemaligen Fronhofgelände zur Disposition.
Bauprojekt „Fronhof“
Im Sommer 1978 waren die Neubaupläne des Architekten Erwin Lynen (Aachen/Bonn) für das Bauprojekt „Fronhof“ soweit gediehen, dass sie in einem ersten Anhörungsverfahren der Remagener Bevölkerung vorgestellt werden konnten. Anfang 1981 wurde mit der damals als eigenwillig empfundenen Bebauung begonnen. Eine große deutsche Baufirma hatte den Auftrag für den Neubaukomplex mit 164 Wohneinheiten erhalten. Auf dem Grundstück sollten acht Baukörper mit jeweils 1500 Quadratmetern Wohnfläche und rund 1000 Quadratmetern gewerblicher Nutzfläche und den erforderlichen Nebenanlagen entstehen. Die Wohnungen haben eine Größe zwischen 45 und 120 Quadratmetern. Das Richtfest der Wohnanlage St. Anna-Kloster/ Fronhof, die schon bald wegen ihrer verwinkelten Bauart im Volksmund die Bezeichnung „China-Town“ erhielt, wurde im September 1981 gefeiert. Im Oktober war bereits der erste Wohnblock bezugsfertig. Bis zum Jahresende 1981 war das Gesamtprojekt fertiggestellt.
Wohnanlage „Am Anna-Kloster“ (China-Town), 2004
Die Kapelle
Vorgesehen war, die auf dem Grundstück der Anlage vorhandene Klosterkapelle baulich zu sanieren und als Kommunikationsmittelpunkt der Wohnanlage zu nutzen. Bei den Abbrucharbeiten wurde das rückwärtige Fundament der Kirche beschädigt. Die Frage des Erhalts oder Abrisses des Gebäudes wurde in der Stadt lange Zeit diskutiert. Die Stadt erwarb schließlich die Kapelle zum symbolischen Preis von einer Mark. 1994 übernahm der Kölner Architekt Dr. Wasser das Kapellengebäude mit dem Ziel, nach entsprechenden Umbauten im Kirchenraum ein Cafe´ einzurichten. Gleichzeitig sollte im hinteren Gebäudeteil ein Wintergarten entstehen. Getan hat sich nach dem Verkauf des Gebäudes an den Kölner Architekten trotz verschiedener Anläufe in den vergangenen zehn Jahren nichts. Der Bau bröckelt vor sich hin und steht inzwischen wieder zum Verkauf.
Schwesterntrakt und Kindergarten
Vom Abriss Ende der 1970er Jahren nicht betroffen war der Schwesterntrakt des Anna-Klosters zur Fährgasse hin, in dem auch der Kindergarten St. Anna untergebracht ist. Ende 2002 entschied das Provinzialat der Franziskanerinnen von Nonnenwerth, den Schwesterntrakt in angemessener Form umzubauen und zu modernisieren. Nach Abschluss der Arbeiten sollten in das Haus ältere Schwestern aus der Ordensprovinz einziehen und damit in Remagen ihren Alterswohnsitz nehmen. Die Stadt Remagen nutzte diese Umbauarbeiten, um mit finanzieller Unterstützung des Kreises Ahrweiler die Räume des Kindergartens, Gruppenräume und insbesondere die Küche und den Sanitärbereich, zu sanieren. Während dieser Arbeiten war der Kindergarten in dem Gebäude hinter dem Rathaus unterbracht. Nach Abschluss aller Arbeiten wurde mit einem großen Kinderfest im Juni 2004 der St. Anna-Kindergarten im Schwesterntrakt des ehemaligen Klostergebäudes wieder eröffnet.
Literatur:
1866 - 1916 Festschrift zur Goldenen Jubelfeier des St. Anna-Klosters Remagen am Rhein. o. O. u. J.