100 Jahre Römisches Museum Remagen (1905 - 2005)
Kurt Kleemann
„Der Umbau der durch Schenkung des Herrn Commerzienrates von Guilleaume in das Eigentum der Stadt übergegangenen gothischen Kapelle zum Museum ist im Mai 1905 beendet worden. Die wertvollen Altertumsfunde aus der Römer- und Frankenzeit, deren Ordnung und Wiederherstellung die Stadt dem Herrn Apotheker Funck zu verdanken hat, haben hier eine ihnen würdige Aufbewahrungsstätte gefunden. Die feierliche Eröffnung hat am 10. Juni 1905 stattgefunden.“ In dieser knappen Form berichtet Bürgermeister Wilhelm Hoeren in der städtischen Chronik von Remagen über die Einrichtung des ersten Museums im Kreis Ahrweiler.
Eine Kapelle als Museum
Schon die Geschichte der „gotischen Kapelle“, die zum Museum umgebaut wurde, wäre eine eigene Untersuchung wert. Dass es sich um die Kapelle des schräg gegenüber gelegenen Hofes des Klosters Knechtsteden gehandelt habe, wie oft betont wird, dürfte auf einem Missverständnis beruhen. Das Gebäude wurde nämlich erstmals im Zusammenhang mit dem Umbau zum Museum 1905 als „Knechtstettener Kapelle“ bezeichnet. Zwar ist schon seit 1155 Besitz des bei Dormagen gelegenen Klosters Knechtsteden in Remagen urkundlich nachgewiesen, eine zum Hof gehörige Kapelle wird jedoch nicht erwähnt. Möglicherweise hat es sich um die Kapelle des 1520 von der Stadt Remagen zu Ehren der Hl. Maria Magdalena neu errichteten Hospitals gehandelt, das sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, neben dem Pfarrgarten befand. Derzeit ist jedoch nicht nachgewiesen, bis wann das Remagener Hospital bestand. Wahrscheinlich ist es in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges untergegangen. Die heute noch vorhandenen Teile der Kapelle stammen aus dem 15. und der Chor aus dem 16. Jahrhundert. Die Rippen des Chorgewölbes werden von kleinen Figuren getragen, die Wappen in Händen halten. Leider sind diese nicht mehr zu erkennen. Im 17. Jh. wurde die Magdalenenkapelle als Schule und Lehrerwohnung zweckentfremdet. 1821 wurde die dachlose Kapelle von der Kirchengemeinde an den Notar und Bürgermeister Anton Aloys Queckenberg verkauft, der den Bau als Lagerraum nutzte. 1903 kaufte Max von Guilleaume (1866 - 1932) die Kapelle und schenkte sie der Stadt Remagen. Der Kölner Industrielle, Mitinhaber des Konzerns „Guilleaume und Felten“, hatte im Calmuthtal ein stattliches Anwesen erbaut. Max von Guilleaume gehörte dem Remagener Stadtrat an und unterstützte mehrfach Projekte an seinem Wohnort mit hohen Spenden.
Altertumsfunde
Schon im 18. Jh. war Remagen wegen seiner„alten Römischen Überbleibsel an Häusern, Steinen und Säulen“ und seiner Münzfunde bekannt, wie der Artikel über die Stadt in Zedlers Universallexikon, Band 31, von 1742 zeigt. 1767 wurde bei Straßenbauarbeiten bei der Einmündung des Calmuthtals ein gut erhaltener Meilenstein aus dem Jahre 162 n. Chr. geborgen und in die Altertumssammlung des Kurfürsten Karl Theodor nach Mannheim gebracht. An der Fundstelle wurde 1775 ein von dem kurpfälzischen Hofbaumeister Ignaz Kees entworfener Obelisk zur Erinnerung errichtet. Er fand 2002 einen neuen Standort an der Ecke Bergstraße / B 9. Im Laufe des 19. Jahrhunderts waren in Remagen häufig „Altertumsfunde“ gemacht worden. Kleine Fundstücke wurden - wie damals leider üblich - über den Antiquitätenhandel verkauft, größere Inschriftensteine wurden glücklicherweise dem Rheinischen Provinzialmuseum in Bonn übergeben. Dies änderte sich ab 1880, als der Fabrikant Heinrich Reuleaux (1825 - 1899) Funde vom Gräberfeld „am Wickelsmäuerchen“ erwarb, die Stücke zeichnete und in den „Bonner Jahrbüchern“ 1885 und 1888 publizierte. Seine Tochter schenkte diese Sammlung 1911 dem Remagener Museum. Die um 1850 im klassizistischen Stil erbaute Villa Reuleaux, später Steppdeckenfabrik Ohlig, an der Rheinpromenade wurde im Jahre 2004 abgerissen. Auf Initiative von Heinrich Reuleaux und Eugen Funck, die beide dem Stadtrat angehörten, wurde eine städtische „Altertumssammlung“ begonnen. Sie fand zunächst in einer Vitrine im Ratssaal Aufstellung. Durch gemeinsame Grabungen des Apothekers Eugen Funck und des Provinzialmuseums Bonn auf den Gräberfeldern entlang der Römerstraße vor der Stadt wuchs die Sammlung. Als beim Bau der neuen Remagener Pfarrkirche St. Peter und Paul im Jahre 1900 zahlreiche weitere Funde zutage gefördert wurden, regte der Direktor des Provinzialmuseums Bonn, Hans Lehner, die Einrichtung eines städtischen Museums in Remagen an, die er auch tatkräftig unterstützte, indem das Provinzialmuseum Bonn Abgüsse aller seiner Inschriftensteine aus Remagen zur Verfügung stellte.
Alte Postkarte vom Innern des Römischen Museums Remagen
Einrichtung des Museums
1903 bis 1905 wurde die baufällige Kapelle nach Plänen des Architekten Hupe aus Bonn zum Museum umgebaut. Neu war die Westfassade mit dem bekrönenden Kaminaufsatz und die Empore im Inneren. Schon zu Beginn der Arbeiten entdeckte man unter dem Fußboden die Reste eines römischen Säulenganges. Diese wurden am Fundort durch Einbau eines Kriechkellers erhalten und durch eine Öffnung im Fußboden für die Besucher sichtbar gemacht. Es handelte sich dabei um den Eingangsbereich zum zentralen Kommandanturgebäude („principia“) des römischen Kastells. Kernstück der Ausstellung waren die zahlreichen Beigaben aus rund 200 römischen und fränkischen Gräbern, die in chronologischer Reihenfolge in Vitrinen ausgestellt wurden. Aus ihnen sind Rückschlüsse auf soziale Stellung und religiöse Vorstellungen der Verstorbenen möglich. Natürlich geben sie auch Einblicke in Handwerkskunst und Handel innerhalb des römischen Reiches. Die meisten der Tongefäße restaurierte Eugen Funck in der Küche seines Hauses selbst. Damit hatte das Remagener „Heimatmuseum“ eine viel beachtete und nach der Auffassung vieler Altertumsforscher vorbildliche wissenschaftliche Sammlung zu bieten.
Inventarisierung der Bestände
Für Besucher wurde die Ausstellung schon 1905 durch einen 35-seitigen Führer aus der Feder von Museumsleiter Eugen Funck erschlossen. Auf mehreren Ansichtskarten und einem Plakat wurde für das Museum geworben. 1927 brachte Eugen Funck einen neuen Führer mit Abbildungen heraus. Museumsleiter Eugen Funck publizierte seine Funde von den Gräberfeldern in den „Bonner Jahrbüchern“ 1903, 1907 und 1912. Zur Bearbeitung seiner zweiten großen Grabung, die er 1913 auf dem Gelände der Terra-Sigillata-Manufaktur am Sinziger Rheinufer durchführte, kam er jedoch bis zu seinem Tod nicht mehr. Einerseits war die Menge des Fundmaterials riesig, andererseits dürften neue Funde in Remagen und seine Aufgaben als städtischer Beigeordneter nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges seine Freizeit in Anspruch genommen haben. Dennoch legte er zu dieser Zeit ein Inventarbuch über den Museumsbestand an. Von Nr. 1 bis Nr. 1876 beschrieb er auf 148 Folioseiten die Ausstellungsstücke. Bis 1939 wuchs ihre Zahl auf 2058. Auf jedes einzelne Stück malte Funck die Inventarnummer mit Tusche. Das Inventarbuch wurde während des Zweiten Weltkrieges aus Sicherheitsgründen zwar mehrfach abgeschrieben und an verschiedenen Stellen außerhalb von Remagen untergebracht. Jedoch schienen diese Exemplare zunächst verloren. Erst ab 1970 wurden sie in Bonner und Koblenzer Archiven wiederentdeckt.
Kriegsfolgen
Für seine Verdienste im Bereich der Altertumskunde wurde Eugen Funck mit dem preußischen Roten Adlerorden ausgezeichnet. Nach dem Tod seines Vaters 1935 übernahm der Kunstmaler Carl Maria Funck die Museumsleitung. Er kam im April 1945 um, und sein Fachwissen war damit nach Kriegsende verloren. Als Schutzmaßnahme im Bombenkrieg hatte man einen Teil der Museumsbestände in mehreren Kisten auf Remagener Keller verteilt. Die kostbarsten Stücke waren in das Kloster Marienstatt im Westerwald ausgelagert worden. Die Rückführung dieser Kiste war 1947 ein Abenteuer für sich: Dafür musste zunächst die Genehmigung der französischen Besatzungsbehörden für den Transport eingeholt sowie ein Lastwagen und der nötige Treibstoff organisiert werden. Erst nach mehreren vergeblichen Versuchen konnten die Museumsstücke wohlbehalten nach Remagen zurückgebracht werden. Die Kisten in den Remagener Kellern waren dagegen sämtlich ausgeplündert worden, so dass sich Bürgermeister Hans Kemming am 17. Dezember 1954 mit einem Aufruf und der Bitte um Rückgabe der „etwa noch vorhandenen Stücke“ an die Bevölkerung von Remagen wenden musste. Mit der Beseitigung der Kriegsschäden am Museumsgebäude konnte erst 1948 begonnen werden. Bis dahin hatte das Museum nicht einmal eine Tür. Zeitzeugen berichten, wie sie als Kinder in dem Gebäude, besonders im Kriechkeller, „Verstecken“ spielten. Zunächst wurden das Dach und die Fenster repariert. Erst 1955 beauftragte die Stadtverwaltung Remagen einen „Kriegsflüchtling“ mit der Einrichtung einer neuen Ausstellung. Siegfried Gollub (1915-1983) stammte aus Breslau, wo er nach dem Studium der Vorgeschichte, Geologie und Anthropologie 1940 promoviert hatte. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft war er mit Werkverträgen und Stipendien an den Landesmuseen Münster und Bonn tätig, bis er 1957 seine erste feste Stelle am Römisch-Germanischen Museum in Köln antreten konnte. 1964 wechselte er als Kustos an das Rheinische Landesmuseum Trier, wo er bis 1979 eine umfangreiche Forschungstätigkeit entfaltete. Dr. Gollub reparierte 1955 innerhalb kurzer Zeit im Remagener Heimatmuseum die Vitrinen, restaurierte einzelne Gefäße und stellte eine neue Ausstellung zusammen. Die Wiedereröffnung fand am 25. Mai 1955 im Rahmen einer Stadtratssitzung statt, zu der noch Dechant Dr. Peters geladen wurde. Die vom staatlichen Vertrauensmann für die Museen im Regierungsbezirk Koblenz, Dr. Röder, geforderte Neuinventarisierung durch Dr. Gollub wurde vom Remagener Stadtrat abgelehnt. Das Kernstück der Remagener Sammlung, die chronologisch geordneten Grabinventare, war so buchstäblich zerschlagen. Die Scherben aus dem früheren Ausstellungsbestand sowie die Terra-Sigillata-Scherben vom Sinziger Feld blieben über Jahrzehnte völlig ungeordnet auf dem Boden des Kriechkellers liegen. Das „Heimatmuseum“ wurde nun im Volksmund zu Recht als „et Scherwelehäus’chen“ bezeichnet. Dr. Siegfried Gollub wurde lediglich mit der Abfassung eines neuen Museumsführers beauftragt, der 1957 in einer gekürzten Version beim Verkehrsverlag Remagen erschien. Das Fehlen des Inventars rächte sich 1969, als der zu dieser Zeit noch minderjährige Museumsleiter Teile der Bestände heimlich verkaufte und zur Verschleierung seiner Tat ein Feuer auf der hölzernen Empore legte, das von Nachbarn glücklicherweise frühzeitig entdeckt wurde. Die Tat wurde erst aufgeklärt, als ein Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Museums in Köln eine kleine Tonfigur der Göttin Fortuna aus dem Remagener Museum in einem neu eröffneten Antiquitätengeschäft entdeckte und nach Rücksprache mit Dr. Siegfried Gollub die Polizei einschaltete. Die sichergestellten Stücke kamen zurück nach Remagen. Verloren blieben große Teile der Münzsammlung und die Tonperlenketten aus fränkischen Frauengräbern, die beim Brand irreparabel beschädigt worden waren.
Das Römische Museum Remagen, 2004
Die Archäologin Charlotte Fischer hatte glücklicherweise vor diesem Diebstahl kistenweise Scherben für ihre 1969 erschienene wissenschaftliche Arbeit über die Terra-Sigillata-Manufaktur Sinzig im Kriechkeller des Museums zusammengesucht und in Bonn bearbeitet. Als sie vom Brand und Diebstahl im Remagener Museum erfuhr, brachte sie die ausgeliehenen Scherben im Koblenzer Landesamt für Bodendenkmalpflege in Sicherheit. Dessen damaligen Leiter, Hans Eiden, hatte soeben die Anfrage des Remagener Bürgermeisters erreicht, ob die „Überschussware“ aus dem Museum zur Belebung eines neu eingerichteten Trödelmarktes verkauft werden könnte. So verblieben große Teile des Terra-Sigillata-Bestandes im Koblenzer Landesamt, wo sie erst 1992 wiederentdeckt wurden.
Neugestaltung
Ausgerechnet als Mitte der 1970er Jahre das allgemeine Interesse an Geschichte und Archäologie wieder anstieg, musste das Remagener Heimatmuseum 1976 geschlossen werden. Schäden am Dach und die fehlende Heizung hatten zu Feuchtigkeitsschäden geführt, die nur durch eine vollständige Sanierung des Gebäudes und den Einbau einer Heizung behoben werden konnten. Dazu mussten alle Exponate ausgelagert werden, was zu weiteren Verlusten, besonders bei den Abgüssen der Inschriftensteine führte. Umstritten war die Frage, was mit den Fundamenten des Säulenganges im Kriechkeller geschehen sollte. Durch ihre Beseitigung hätte das Loch in der Kellerdecke geschlossen und das Geländer von 1905 mitten im Raum beseitigt werden können, um so mehr Platz für die Ausstellung zu gewinnen. Glücklicherweise entschloss man sich, einen begehbaren Keller auszubauen und die römischen Fundamente durch Imprägnierung mit Kieselsäure an Ort und Stelle zu erhalten. Annemarie Rahn-Gassert und Ursula Röcke, mit Heinz Günter Horn und Michael Gechter vom Rheinischen Landesmuseum Bonn als Berater, betreuten ehrenamtlich die Neugestaltung des Museums. Sie konnte im Rahmen einer sechsmonatigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) schließlich 1988/89 von Kurt Kleemann realisiert werden. Am 9. Mai 1989 wurde das RÖMISCHE MUSEUM REMAGEN eröffnet. Im Rahmen einer weiteren ABM erfasste Annette Spieß die anhand des in Koblenz und Bonn wieder aufgefundenden Inventarverzeichnisses identifizierbaren Stücke in einer Kartei. Jetzt erst wurde klar, dass etwa 80 % der ursprünglichen Bestände verloren sind. Seit 1994 wird die neue Ausstellung des Römischen Museums Remagen durch ein Begleitheft erschlossen, das als Band 401 in der Reihe „Rheinische Kunststätten“ erschien. Anhand von ausgewählten Ausstellungsstücken wird darin die Geschichte und das tägliche Leben des römischen RIGOMAGUS beschrieben. 1994 wurde das Museumsgebäude in der Kirchstraße unter Denkmalschutz gestellt. Im gleichen Jahr wurde der Kaminaufsatz wiederhergestellt, der die Fassade aus dem Jahre 1905 in charakteristischer Weise prägt. Er war durch das Erdbeben am 13. April 1992 beschädigt worden, das auch im Inneren zahlreiche Risse im Putz hervorgerufen hatte. Sie wurden 2001 durch einen neuen Innenanstrich beseitigt.