Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr:
Blumen, Feste, Parkanlagen, Projekt Landesgartenschau 2008
Hubert Rieck
Sonntag, 10. September 1967
„Festprogramme! Festprogramme! Programme mit Zugfolge. Eine Mark!“, so tönt es laut aus Kinderkehlen. Die jungen Verkäufer laufen den Zugweg des Dahlienfestes ab, gesäumt von dicht gedrängten Menschenreihen. Die Programmhefte finden reißenden Absatz, denn Tausende Besucher bevölkern die Straßen von Bad Neuenahr. Am Ende dieses besonderen Tages wird man 80 000 Gäste zählen. Die Parkplätze sind überfüllt. Zahlreiche Sonderzüge aus dem Ruhrgebiet, dem Köln-Bonner-Raum und dem Rhein-Main-Gebiet haben die Kur- und Badestadt im Ahrtal zum Ziel. Auf dem Bahnhofsvorplatz und vor dem alten Rathaus geben in- und ausländische Eisenbahnerkapellen Platzkonzerte. Wegen der starken Beanspruchung der Restaurants in der Stadt stehen im Bahnbereich abgestellte Speise- und Büfettwagen, die den ganzen Tag über bewirtschaftet sind. Bad Neuenahr ist im Ausnahmezustand: Man feiert den Tag der Dahlie mit dem Höhepunkt des großen Blumenkorsos durch die Stadt. Um 14.30 Uhr setzt sich der XV. Blumenkorso mit dem Motto „Blumen und Musik“ pünktlich vom Beethovenhaus in Richtung Kurgartenstraße in Bewegung. Der Zug des Jahres 1967 besteht aus 41 Programmbeiträgen, davon 11 Musikkapellen, u. a. aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und den USA, 23 Motivwagen, 6 Fußgruppen und einer Reiterformation. Ein wogendes Blumenmeer zieht durch die Straßen der Badestadt, denn jeder einzelne der 23 Motivwagen wurde eine Nacht zuvor von vielen fleißigen Helfern mit durchschnittlich 6000 Dahlienblüten gesteckt. Bisweilen benötigen einige Wagen über 20000 Dahlien. Die Zuschauer beklatschen begeistert die prachtvoll gestalteten Motivwagen, die an ihnen vorüberziehen: „Olympiaden, so lange sich der Globus dreht“, „Neptun in Westerland“, „Im Märchenland“, „Blumenuhr“, „Fantasie in Blaugold“, so lauten die Namen der Wagen .... Frenetischer Beifall brandet auf, als der Prunkwagen des Zuges ins Blickfeld der Menschen kommt: Ein von vier weißen Pferden gezogener Pfauenwagen der Dahlienkönigin Brigitte Schnitzler. Von ihrem rollenden Dahlienthron, der in den Farben weiß-gelb-rosa und orange gestaltet ist, grüßt sie die rund 80000 Gäste der Stadt.
Dahlienfest 1967: Prunkwagen der Dahlienkönigin Brigitte Schnitzler
Das Dahlienfest praktizierter Bürgersinn
Auch die Resonanz auf dieses „Dahlienfest“ in Bad Neuenahr war riesengroß. Bis heute erinnern sich viele Menschen an diese Feste, die erstmalig 1953 stattfanden und im Jahre 1972 endeten. „Der Tag der Dahlie“ ist inzwischen Geschichte. Geblieben ist die Erinnerung an großartige Feste, jeweils am zweiten Wochenende im September, mit einer Dahlienschnittblumenschau, der Proklamation der Dahlienkönigin im alten Rathaus, Platzkonzerten, der festlichen Illumination der Häuser und städtischen Anlagen sowie dem sonntäglichen Höhepunkt des Festes, dem weithin berühmten Blumenkorso durch die Straßen Bad Neuenahrs. Geblieben ist die Anerkennung für die Akteure dieses „Events“, den Trägern des Kur- und Verkehrsvereins Bad Neuenahr sowie den Leitern des „Tags der Dahlie“, dem Hotelier Paul Kranz, dem Verkehrsdirektor Wolfgang Künstler und dem Werbekaufmann Heinrich Schnitzler. Fast vergessen ist der Name des „Vaters“ des Blumenfestes. Er hob es zusammen mit dem Präsidenten der Dahlien- und Gladiolengesellschaft D. Moes aus der Taufe: Verkehrsdirektor Kristian Kraus, von den Bürgern Bad Neuenahrs liebevoll „KriKra“ und „Dahlienpascha“ genannt. „Bad Neuenahr – Stadt der Blumen und Brunnen“, so lautete der offizielle Werbeslogan des Kur- und Verkehrsvereins. Das Dahlienfest, der städtische Dahlienpark, die prachtvoll angelegten Blumenbeete in der Stadt und in den Parkanlagen der Kurverwaltung spiegelten diese Werbeaussage im Gestaltungsbild des Heilbades wider.
Prachtvoll gestalteter Motivwagen
Aber die Bedeutung des Dahlienfestes griff weiter: Es war das Fest, bei dem sich die Bewohner, Geschäftsleute und Firmen für und mit der Stadt zusammen engagierten und mit Bad Neuenahr identifizierten. Das jährliche Dahlienfest demonstrierte praktizierten Bürgersinn.
Sommernacht der Rose
Rosen spielten schon bei der Anlage des Kurpark ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine besondere1) Rolle. So existierte in der Blütezeit des Bades vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 bereits der sogenannte Rosengarten. Auf einer zeitgenössischen Postkarte ist diese Anlage wie folgt beschrieben: „Der Rosengarten ist, von den Trink- und Wandelhallen eingeschlossen, ein beliebter, ruhiger Aufenthaltsort inmitten der Pracht stetig neuerblühter Blumen aller Gattungen“. Auch heute noch wird die Rosentradition im Kurort gepflegt. An einer exponierten Stelle im Kurpark befinden sich Rosenstöcke, die von Persönlichkeiten gepflanzt wurden, die sich besondere Verdienste um das Heilbad erworben haben. Viel Beachtung findet zudem der städtische Rosenpark an der Uhlandstraße. Bei der alljährlichen „Sommernacht der Rose“ im Kurpark von Bad Neuenahr wird die Dame der Rose gekürt. Für dieses überregional bedeutsame Fest gestalten Floristen der Region wunderbare Rosenarrangements. Musikalische Topacts, eine Gourmet-Zeltstadt und ein fantastisches Feuerwerk sind Höhepunkte der Veranstaltung, die im Verbund mit „Typisch Kölsch“ fast 7000 Besucher in ihren Bann zieht.
Projekt Landesgartenschau 2008
„das ahrtal in seinem element“ – unter diesem programmatischen Motto bewerben sich die Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig um die Ausrichtung der 3. rheinland-pfälzischen Landesgartenschau 2008. Am 17. Mai 2004 präsentierten die Bürgermeister Dr. Hans-Ulrich Tappe, Bad Neuenahr-Ahrweiler, und Wolfgang Kroeger, Sinzig, zusammen mit dem Kurdirektor des Heilbades Neuenahr, Rainer Mertel, im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz die Bewerbung um die Landesgartenschau 2008. Jetzt gilt es, sich gegen andere Mitbewerber durchzusetzen. Erfreulich ist, dass das Projekt „das ahrtal in seinem element“ kreisweit eine parteiübergreifende Unterstützung erfährt. Landrat Dr. Jürgen Pföhler: „Der Kreis Ahrweiler steht wie eine Eins hinter der Bewerbung!“ Das Konzept wurde von der „BauGrund-AG Bonn“ gemeinsam mit über 400 Bürgern der beiden Städte in unterschiedlichen Arbeitsgremien und öffentlichen Veranstaltungen entwickelt. Die Ahr ist gleichsam die fließende „Perlenschnur“, an der entlang von Bad Neuenahr-Ahrweiler bis Bad Bodendorf/ Sinzig die Landesgartenschau stattfinden soll. Auf einer Gesamtfläche von 56 ha, so der Selbstanspruch der Planer, soll dem Besucher „eine Landesgartenschau neuen Typs“ gezeigt werden. Neben Gärten und Parkanlagen im traditionellen Sinne soll, laut Aussage der Planer, „die zukunftsweisende Gestaltung eines einzigartigen und vor allem naturnahen Landschaftsraumes im Mittelpunkt des Konzeptes“ stehen. Insgesamt bilden drei zentrale Leitthemen die Säulen des Projektes: Wasser, Kulturlandschaft und Gesundheit. Attraktive Themenparks entlang der Ahr setzen dann diese Leitthemen in der Landschaftsgestaltung, im Gartenbau, in Veranstaltungen und Ausstellungen um. In dem Heilbad Neuenahr lauten diese Themenparks: „Blaue Welt“ – konzipiert als attraktives Entree.
Partie aus dem Rosengarten in Bad Neuenahr auf einer Postkarte, um 1920: „... ein beliebter, ruhiger Aufenthaltsort inmitten der Pracht stetig neuerblühender Blumen aller Gattungen.“
Sie wird innerhalb einer gestalteten Garten- und Parklandschaft, die den jetzigen Dahliengarten umfasst, das Thema „Wasser“ in kunstvollen visuellen Visionen vorstellen. Des weiteren wird der Kurpark zur „Welt der Sinne“, ein Ort der Ruhe und Entspannung. Mit der Anlage von Themengärten werden verschiedene Aspekte der Gesundheit und ihre Verknüpfung mit dem Element Wasser dargestellt. Ein Fußweg soll die Themenparks „Blaue Welt“ und „Welt der Sinne“ miteinander verbinden. Die Ahrpromenade soll dabei integraler Bestandteil der Landesgartenschau sein: Ahrstufen, Ahrtreppen, Ahrbalkone sollen den die Landschaft prägenden Fluss für die Besucher erlebbar machen. Ein dritter Themenpark auf dem Gebiet des Heilbades soll der „Generationenpark“ sein. Er umfasst den bisherigen Lenné- und Kaiser-Wilhelm-Park. Er soll die Begegnung und den Dialog der Generationen fördern, ein generationsübergreifender Raum der Begegnung sein. Wasser steht im Mittelpunkt des vierten Themenparks mit dem Namen „Apollinaris Dreieck“. Das Areal Circuswiese, Apollinarisstadion und das Brachland unter der A 61 Brücke sollen Orte für Openair-Veranstaltungen, Sport sowie ein ökologischer Haltepunkt über den Umgang mit dem lebensnotwendigen Element Wasser sein. Ein 4 km langes Verbindungsband entlang der Ahr führt die Kernflächen der beiden Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig zusammen. Die weiteren Themenparks, die sich bis Sinzig anschließen, heißen „Durststrecke“, „Stege in die Landschaft“, „Gesundheitspark(o)ur“, „Wasserspark(o)ur“ sowie „Bürgerwald“. Neben den Themenparks zeigen begleitende Landesgartenschauprojekte die naturräumlichen Besonderheiten des unteren Ahrtals: die Ahrmündung, die Lohrsdorfer Orchideenwiesen, die Landskrone, die Reaktivierung von Weinbergen, den Mühlenberg, das Projekt Stadtgrün, das Rosendorf Löhndorf. „das ahrtal in seinem element“ – diese interkommunale Bewerbung um die Ausrichtung der Landesgartenschau 2008 ist ein geglücktes Beispiel für die Zusammenarbeit von zwei Städten mit Unterstützung durch den Kreis Ahrweiler sowie verschiedenen Kooperationspartnern: Aktiengesellschaft Bad Neuenahr, Apollinaris & Schweppes, Augustinum, Innovations- und Gründerzentrum Sinzig, Kinderhilfswerk UNICEF, Sinziger Mineralbrunnen und World Wildlife Fund for Nature (WWF). Die Entscheidung für eine Ausrichtung der Landesgartenschau 2008 im Ahrtal wäre ein wichtiger Impuls für die Wirtschaft, die Stadtentwicklung, die gesamte Infrastruktur, die Natur und nicht zuletzt auch für den Tourismus.
„Blühendes Bad Neuenahr“, 2004
Anmerkungen:
Vgl. Hubert Rieck: Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr: Parklandschaften im Wandel der Zeit. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1993, S. 161-165.
Herrn Bürgermeister Dr. Hans-Ulrich Tappe danke ich für die Einsichtnahme in Unterlagen zum Projekt „das ahrtal in seinem element“ – die interkommunale Landesgartenschau 2008. Mein Dank gilt auch Frau Brigitte Blüm für die Überlassung von Dokumenten und Fotos zum „Tag der Dahlie“.