Der Bausenberg im Brohltal
Ein besonderer Vulkanbau mit einzigartiger Flora und Fauna
Walter Müller
Zum Vulkanausbruch
Sollte es vor etwa 140.000 Jahren Menschen als Zeugen des Bausenbergausbruchs am Brohltalhang bei Niederzissen gegeben haben, so hätte sich diesen ein großartiges Naturschauspiel dargeboten: eine Lavafontäne, darüber eine mächtige, aufwärts rasende Eruptionswolke und ein Lavastrom, der in das bewaldete Tal nach Nordosten bis kurz vor das heutige Dorf Gönnersdorf abfloss. Der gemischte, auswerfend ausfließende Ausbruch, der sich vermutlich über eine Gesamtdauer von nur wenigen Wochen erstreckte, begann nach dem „Initialdurchbruch“ mit leichter Aschenwurftätigkeit, hatte seine Hauptphase und klang danach allmählich aus. Anzunehmen ist zu Beginn eine nur schwache Entgasungstätigkeit mit rhythmischen Aschenauswürfen, wobei neben wenig frischem magmatischem Material zunächst auch reichlich zerstäubtes Devongestein, aus der Schlotwandung mitgerissen, ausgeblasen wurde. Diese warmen, ersten Aschen entblätterten in wenigen Stunden die Vegetation der Umgebung und belegen heute durch pflanzliche Fossilien, dass die Zeit des Ausbruchs im Frühsommer einer Warmzeit gewesen sein muss. Über dieser Aschenschicht liegt eine Folge von 1,20 m bis 1,50 m gut geschichteter Lapillituffe. Nachdem bereits reichlich gashaltiges Magma im Schlot hochgestiegen war, setzte heftige Lavawurftätigkeit ein. Rhythmisch, in Abständen von wenigen Sekunden, jagte rot glühende Lava in der Form einer Fontäne einige 100 Meter hoch empor, zerlegt in Klumpen und Fetzen und begleitet von Wolken schnell erstarrender Lapilli und Schlacken. Dieses leichtere, feinkörnigere Material wurde von schwachen Winden aus westlichen Richtungen etwas verdriftet, wodurch die südöstlichen Wallteile stärker aufgebaut wurden. Während der Kulminationsphase der Eruption wird auch der Lavastrom eingesetzt haben. Teils wurde er aus den niederprasselnden Lavafetzen gespeist, zum größten Teil aber wallte er aus dem Kraterboden auf und riss im Norden eine Bresche in den Schlackenwall, durch die er abfloss. Förderrate und Dünnflüssigkeit der Lava reichten noch kurz vor dem Ende der Eruption aus, um auf der Wallkrone große, bizarr geformte Schweißschlacken-Felsen und nur schwach verschweißte Wurfschlacken-Partien aufzubauen. Mit der Förderung wasserdampfreicher Gase klang der Ausbruch im südlichen und östlichen Wallteil aus. Hier ist das Auswurfmaterial infolge durchströmender vulkanischer Gase intensiv gerötet.
Der Bausenberg von Süden
A
Lapillilagen der Anfangsphase
B Schichtung der Hauptphase
Naturkleinod Bausenberg
Seit Dezember 2002 beschäftigt sich der Niederzissener WALTER MÜLLER ausgiebig mit den Vulkanbauten im Brohltal. Ganz besonders beeindruckt ihn der „Hufeisenvulkan vor der Haustür“ mit seiner wundervollen Flora und einzigartigen Fauna. Zum Einstieg hatte er die wissenschaftlichen Werke der Zoologen der Universität Köln und den Pflege- und Entwicklungsplan der GNOR ausgewertet. Am 20. August 2003 konnte er mit Stolz im Wappensaal des NiederzissenerRathauses sein eigenes, von HEINZ SCHRÖDER „initiiertes“, 256 Seiten umfassendes „Bausenbergbuch für Jedermann“ vorstellen. Es ist ein Wanderführer der besonderen Art, mit dem sich der Zissener Vulkan mit all seinen herausragenden Schönheiten erkunden und verstehen lässt.
Einstieg in die Artenvielfalt
1912 führte C. R. BOETTGER in seiner „Molluskenfauna der preußischen Rheinprovinz“ auf dem Zissener Vulkan die sehr seltene Quendelschnecke, Candidula unisasciata, auf, als eine von 14 Heideschneckenarten dieser Region. Der Kölner Zoologe HANS-ULRICH THIELE besuchte 1960 gezielt den Bausenberg, um diese sehr seltene Art erneut nachzuweisen, was ihm auf Anhieb gelang. Begeistert vom Artenreichtum dieses trockenwarmen Gebietes, untersuchte er in den Folgejahren mit 18 weiteren Wissenschaftlern die Flora und Fauna dieses wohl einzigartilgen Eifelvulkans und verfasste eine Monographie, die er der Gemeinde Niederzissen widmete. 1982 erfolgte eine ergänzende Bestandsaufnahme unter der Federführung von HANS-JÜRGEN HOFFMAN.
Violette Stendelwurz (Epipactis purpurata)
Ab 2002 konnten zahlreiche verschollen geglaubte, aber auch neue Arten auf dem Zissener Schlackenkegel nachgewiesen werden. Zu der bemerkenswerten Flora des Bausenbergs gehören auch die Orchideen. Bis zum Jahre 2003 waren sechs Arten bekannt und beim Arbeitskreis Heimische Orchideen erfasst und kartiert. Neben dem Manns- und Purpur-Knabenkraut waren es das Bleiche Waldvögelin, die Grünliche Waldhyazinthe, die Vogel-Nestwurz und die Breitblättrige Stendelwurz, die auch alle im Jahr 2003 zur Blüte kamen. Im Januar des gleichen Jahres fiel dem Autor ein schwarzer, trockener Fruchtstand auf, den er über die Monate regelmäßig beobachtet. Im Juli 2003 war es dann soweit: Auf dem Bausenberg gibt es nun mit der Violetten Stendelwurz, Epipactis purpurata, die siebte Art. Ein Nachweis der besonderen Art ist das Vorkommen der Weißen oder Geschlitztblättrigen Braunelle, Prunella lacianata. Diese Rote-Liste-Pflanze fühlt sich mit mehreren Exemplaren auf den Halbtrockenrasen sehr wohl. Erwähnenswert sind auch die mit einem Exemplar im Juni 2004 im Rahmen der „Tage der Artenvielfalt“ am Bausenberg, einer Aktion der Zeitschrift GEO, entdeckte Klebrige Miere, Minuartia viscosa, und der großflächig vorkommende Ackerwachtelweizen, Melampyrum arvense. Noch bemerkenswerter ist die Bausenberger Tierwelt. Hieß es noch Anfang der 1990er Jahre, Oecanthus pellucens, das Weinhähnchen, sei eine auf dem Schlackenkegel verschollene Art, so tauchte es im Jahre 2003 nachweislich wieder auf. Mit der Westlichen Beißschrecke, Platycleis albopunctata, lebt hier eine weitere hoch spezialisierte Art von Heuschrecken. Man findet sie auf den Lavarutschungen zwischen den Lapilli, den „kleinen Steinchen“. Der Wanzenfauna, mit bisher 178 Nachweisen, konnte WALTER MÜLLER 2003 gleich vier Erstfunde hinzufügen. Waren es bis zum Juli 2003 mit der Borretschwanze, Aellopus atratus, der Getreidewanze, Eurygaster maura, und der Randwanze, Gonocerus acuteangulatus, drei neue Arten, so kam im Oktober mit der zweiten Randwanze, Gonocerus juniperi, eine vierte besondere Art hinzu, die auf dem Bausenberg den derzeit nördlichsten Punkt ihres Verbreitungsgebietes hat. Bei dem Foto der Randwanze hat sich noch eine Glasflügelzikade mit auf das Bild gemogelt.
Westliche Beißschrecke (Platycleis albopunctata)
Die Randwanze (Gonocerus acuteangulatus)
Die Zikaden standen mit 107 Arten zu Buche. Bei einem von zwei „Nachtansitzen“ im Juni 2003 zum Beobachten und Fotografieren von Nachtfaltern fiel im Lichtstrahl ein Tierchen auf, welches sofort im Bild festgehalten werden musste. Nach Auswertung der Aufnahmen wurde rasch klar: es war eine bis dahin noch nicht nachgewiesene 108. Art, die größte der Kleinzikaden, die Ohrzikade, Ledra aurita. Diese Tiere leben zwischen den Baumrinden und sind dort kaum zu entdecken, kommen aber bei Licht in der Nacht aus ihrem Versteck Im Juni 2004 fanden erstmals „Tage der Artenvielfalt“ auf dem Zissener Vulkankegel statt.
Vier Tage lang suchten und bestimmten Experten und Naturfreunde Bausenberger Pflanzen und Tiere. Zoologen der Universität Köln wollten dabei den noch offenen Faunenbereich der Hautflügler umfassend untersuchen. Leider waren aufgrund des regnerischen Wetters nicht so viele Arten zu finden wie erhofft, doch mit einer Anzahl über 80 ist ein Anfang gemacht, und auchdie eine oder andere Überraschung erfreute den Experten. Den herausragenden Fund dieser Tage konnteWALTER MÜLLER bei der Koleopterenfauna, den Käfern auf dem Bausenberg, mit großer Freude vermelden. Gleich drei Exemplare der äußerst seltenen, in Deutschland inzwischen vom Aussterben bedrohten Schwarzkäferart Asida sabulosa, fielen seinem geübten Auge auf. Nun hofft er auch noch, mit dem Laufkäfer Callistus lunatus eine weitere besondere Art wieder zu finden. Nach Jahrzehnten konnte auch wieder ein „grünes Blutströpfchen“ am Bausenberger Westhang entdeckt werden. Ob es sich um das Sonnenröschen-Grünwidderchen, Procris geryon, oder gar um die äußerst seltene, im Rheinland nur auf dem Bausenberg nachgewiesene Art Procris subsolana handelt, lässt sich mittels Foto nicht entscheiden. Es ist zu hoffen und dem altehrwürdigen Schlackenkegel im Brohltal auch zu wünschen, dass er der Nachwelt durch geeignete, umfassende und andauernde Pflegemaßnahmen als Europas schönster Vulkan mit Hufeisenkrater mit seiner besonderen Flora und Fauna erhalten bleibt und der die Natur liebende Besucher sich an der Schönheit bizarrer, vulkanischer Gesteine, der Vielfalt bezaubernder Pflanzen und seltener, Wärme liebender Tiere erfreuen kann.
Grünwidderchen