Der Maler Carl Christian Andreae (1823 - 1904) und Maria Laach

Willibald Teich

Das Sinziger Heimatmuseum im Schloss ist intensiv bemüht, seine für den Maler Carl Christian Andreae eingerichtete Abteilung weiter auszubauen. Das Museum beherbergt mittlerweile die umfangreichste Sammlung von Werken dieses in Köln-Mülheim geborenen und in Sinzig verstorbenen Malers, dessen Todestag sich im Jahr 2004 zum hundertsten Male jährt.

Zu den Wand- und Ölbildern, Zeichnungen und anderen Exponaten, die sich in Sinzig befinden, gehört neuerdings auch ein Schreiben Andreaes an das für Maria Laach zuständige„Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und medicinischen Angelegenheiten" in Berlin, worin er auf Anforderung sein Interesse für die Ausmalung der Abteikirche bekundet und Vorschläge dazu macht.

Altersbild von Carl Andreae, 1889

In diesem am 4. 12. 1891 verfassten 8 Seiten langen Brief geht er vor allem auf die von ihm beabsichtigte Ausgestaltung der Apsis ein, wobei sich interessante Rückschlüsse auf sein künstlerisches Credo als Kirchenmaler ergeben. Der „Erklärung" - wie er diesen Brief nennt - fügt er ein ca. 60 x 40 cm großes Aquarell bei, das er im November 1891 angefertigt hat und dem man entnehmen kann, dass er in der Apsis einen segnenden Heiland und zwischen den drei Chorfenstern die 4 Evangelisten malen wollte.

Seine übrigen Absichten zur Ausgestaltung des „großen Kirchenraumes gehen aus dem weiteren Inhalt der „Erklärung" hervor. Vorerst allerdings wird - wie er schreibt - „der durch das einzig schöne feinornamentierte Thor zum Paradies-Gärtchen Eintretende von dem grossen Innenraum der Kirche enttäuscht, der ihn öde und kalt anschaut."

Andreae, der nach 24jähriger Tätigkeit in Dresden, zeitweilig als „Hofmaler" bei dem sächsischen König Johann, seit 1880 auf dem Helena­berg in Sinzig wohnt, holt weit aus, indem er zunächst nicht ohne Stolz auf seine rheinische Abstammung und seine künstlerische Entwicklung eingeht. Gleich danach führt er seine Erfahrungen ins Feld, die er als Leiter der Malergruppe bei der Ausmalung des Fünfkirchener Doms (das ungarische Pecs) gewonnen hat.

Dort mussten mehr als „600 (!) Kolossal-Gestalten" fertiggestellt werden, was er nur mit Hilfe einiger anderer akademisch gebildeter Mitarbeiter bewältigen konnte. Die Kunde von dieser umfangreichen Arbeit, die er selbst für sein allergrößtes künstlerisches Erlebnis hielt und die 5 Jahre seines Lebens (von 1886 - 1891) beansprucht hatte, war durch den mit der Gesamtleitung der Res­taurierung beauftragten Wiener Dombaumeister Schmidt bis nach Berlin gedrungen. Danach konnte man an Andreae, der dazu noch in der Nähe von Laach beheimatet war, nicht mehr vorbeigehen; man musste ihn zur Abgabe einer Bewerbung für Maria Laach auffordern.

Zeichnung von
Maria Laach von
Carl Andreae, 1852

Obwohl seine Antwort bejahend ausfiel, spürt man gleich in den Anfangspassagen ein gewisses Zögern, was den Adressaten nicht entgangen sein dürfte. Sätze wie: „Ein langes Künsterleben liegt hinter mir, vor mir wohl keine sehr lange künstl. Thätigkeit..." oder auch der Hinweis auf das gefährliche Arbeiten auf „hohen Gerüsten" lassen sogar die Vermutung zu, dass der damals 68-jährige Professor dieses ausführliche Schreiben vornehmlich nur seiner Reputation wegen einreichte. Er hätte sich eine oberflächliche Behandlung oder gar eine ablehnende Stellungnahme ohne Renommeeverlust gar nicht erlauben können. Immerhin handelte es sich bei Maria Laach um eine der wichtigsten und meistbesuchten romanischen Kirchen in Westdeutschland. Eine eine Zeichnung (S. 180 u.) von der Hand Andreaes, die er am 30. 9. 1852 vom Kloster Laach angefertigt hat ist auch deshalb von Interesse, weil sie die Gebäude noch vor dem großen Brand in der Nacht vom 28. zum 29. Januar 1855 zeigt. Mit der Aufzählung der vielen Kirchen Mittel-, Süd- und Südosteuropas, deren malerische Ausgestaltung er studiert hatte, wollte er zweifellos seine künstlerische Kompetenz beweisen. Denn kaum einer der in Frage kommenden Maler dürfte damals die romanischen Gotteshäuser in Rom und die normannisch-byzantinischen Bauten in Sizilien so gründlich wie er studiert haben. Wer schon kannte die Kirchen San Marco in Venedig, San Miniato in Florenz oder gar die Kahirie in Konstantinopel? Alles berühmte Beispiele seiner Studienobjekte. Mit diesem reichen Wissen und seiner langen Erfahrung empfahl er sich für die Aufgabe in Laach, auch wenn er sich im Innern gar nicht sicher war, dass er den Auftrag, bekäme er ihn, auch übernehmen würde.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Andreae nach seiner Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie drei Jahre zu Studienzwecken in Rom verbracht hatte. Danach befand er sich lange Jahre in sächsischen und mecklenburgischen Diensten und malte dort viele Kirchen aus bzw. restaurierte deren Malereien. Für diese Verdienste erhielt er schließlich das Professoren-Diplom. Von seinen großen Reisen, die ihn nach Istanbul und Athen sowie - während seiner Fünfkirchener Arbeiten - erneut nach Italien führten, brachte er ein umfangreiches künstlerisches und architektonisches Skizzenwerk mit. Es war also nur legitim, wenn Andreae mit diesem Pfund wucherte.

Aquarell-Entwurf von Andreae zur Ausmalung des Chorraumes der Abteikirche Maria Laach

Aus einer Passage seiner Antwort geht hervor, dass er das Anbringen von Malereien, als wären sie in romanischer Zeit entstanden, ablehnt.

Er sagt: „Handelt es sich um eine Restauration noch vorhandener Malereispuren, so wird mich das ästhetisch zwingen, mich anzulehnen, aber nur im entferntesten glauben machen, daß mein Werk der Epoche des Monuments angehöre."

Diese Aussage ehrt ihn als Künstler; sie dürfte im Sinne der kirchlichen Auffassung von Sinn und Zweck eines geschmückten Kirchenhauses allerdings nebensächlich sein.

Obwohl die Ausführungsart der bildlichen Darstellungen, nämlich ob Malerei oder Mosaik, von vornherein eine Rolle gespielt haben dürfte, und er als Maler ja ohnehin nur für die ers­te Technik herangezogen worden wäre, bezieht er in dieser Frage, was die Wertigkeit angeht, keine eindeutige Stellung.

Dies tut er nur bei der Gestaltung des Grundes, wo er in seinen Darlegungen den musivischen (mosaikartigen) Goldgrund denen der Vergoldung vorzieht. Er spricht da von „glänzenden Erfolgen", die man damit in berühmten Kirchen erzielt hat. Mit Überzeugung plädiert er aber für die malerische Ausführung von Ornamenten. Es geht auf Beispiele in den umliegenden romanischen Kirchen ein, die sich mit ihren FarbenRot, Gelb, Blau, Grau oder Schwarz an die in dieser Gegend vorkommenden Grundfarben anlehnen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden in vielen romanischen Kirchen Reste der ursprünglichen Wandmalereien freigelegt, wie u. a. in Bacharach und in Boppard, wozu er wörtlich schreibt: .... „und ich wurde aufgefordert, dieselben in Laach möglichst zu berücksichtigen." Deshalb legt er auch eine Reihe von Farbskizzen ornamentalen Schmuckes dieser und anderer Kirchen z. B. in Limburg oder Reichenau seinem Schreiben bei, auf die er zurückgreifen möchte.

Auch auf die romanischen Malereireste in den nahegelegenen Kirchen von Niedermendig (Christophorus) und Oberbreisig macht er aufmerksam. Er verbindet diesen Hinweis mit einem Appell an die Verantwortlichen in Berlin und in Koblenz, sich um die dem Verfall preisgegebenen Malereien zu kümmern. Nimmt man diese Malereien heute in Augenschein, so kann man feststellen, dass diese Mahnung damals nicht umsonst ergangen ist. Vor allem in der Oberbreisiger Pfarrkirche St. Viktor hat das schließlich zu einem sehenswerten Ergebnis geführt.

Dass sich in der Laacher Apsis vorher schon ein Heilandbildnis befand, ist folgender Bemerkung zu entnehmen: „Ob ich die 7 Tauben unter den auf dem Regenbogen thronenden Herrn (die 7 Gaben des hl. Geistes) in Wirklichkeit male, das will ich dahingestellt sein lassen; sie kommen in dieser Anwendung häufig vor, sind aber an dieser Stelle vielleicht besser durch Seraphim-Engel ersetzt." Aus seinem Aquarell ist zu ersehen, dass er an dieser Absicht festgehalten hätte.

Zwischen den 3 Chorfenstern, für deren Schmuck er Glasmalerei vorsieht, will er die 4 Evangelisten mit ihren Evangelienbüchern oder - Rollen malen. Sie sollen weiß gekleidet sein, weil sie sich dann besser von den bunten Fenstern abheben würden. An dieser Gestaltungsabsicht hat man festgehalten; auch heute sind dort die Evangelisten (als Brustbilder in Mosaik) postiert.

Im Kreuzgewölbe vor der Chronische hat er ein Trinitätsbild zu malen beabsichtigt „und auf die Wände oben die 12 Apostel u. sämtliche Darstellungen unseres Bekenntnisses, das Apos­tolikum". Diese Fläche blieb bis heute leider ungestaltet; ihre kalkweiße Farbe läßt sogar den Eindruck der Unfertigkeit aufkommen. Das empfindet damals auch Andreae, denn er schreibt: „...aber der sehr helle u. weite Raum dort muß Bilderschmuck haben, wenn auch das große Langschiff nur durch Ornamente belebt wird."

Zuständig für die Ausführung der Restaurierungsarbeiten in Maria Laach war die Bauabteilung der „Königlichen Regierung in Coblenz". Interessanterweise war sie vom Berliner Ministerium bereits mit Schreiben vom 19. 8. 1891 unterrichtet worden, „dass für die Wandmalereien Professor Andreae aus Sinzig vorgesehen sei".

Im Zusammenhang mit dem von Koblenz in Auftrag gegebenen und am 16. 1. 92 erstellten Gutachten, das die von Andreae vorgeschlagene Gestaltung der Apsis und die ornamentale Ausmalung im Stil der umliegenden Kirchen befürwortet, wird erneut auf die Übereinkunft hingewiesen, „die Wandmalereien dem in der Nähe (!) von Sinzig wohnenden Professor An­dreae zu übertragen." Noch mit Schreiben vom 30. 6. 92 wird Koblenz von Berlin angewiesen, die Kosten für die Ausführung der figürlichen Darstellungen von Professor Andreae gering zu halten.

Wir wissen, dass es zu keinem weiteren Engagement Andreaes gekommen ist. Aus den vorhandenen Quellen ist leider nicht zu entnehmen, wann und aus welchem Grunde Andreae eine Absage erteilt wurde, doch ist der Brief Andreaes vom 7. Oktober 1892 erhalten, mit dem er das Berliner Ministerium dringend um Rückgabe seiner „Erklärung" und des großen Aquarells bittet.

Der heute in der Apsis von Maria Laach prangende Heiland in Mosaik-Ausführung - eine Schenkung Kaiser Wilhelms II. - ist das Werk der Beuroner Kunstschule; es ist erst im Jahr 1911 vollendet worden. Wann der Sinneswandel - Mosaik statt malerische Ausschmückung - bei den Verantwortlichen eingetreten ist, konnte nicht ermittelt werden.

Ob die Vermutung stimmt, dass sich der Kaiser selbst während einer Sizilienreise angesichts des Pantokrators von Monreale dafür entschieden hat? Vergleicht man diese beiden Christus-Darstellungen, so fällt jedenfalls auch dem unbefangenen Betrachter ihre frappante Ähnlichkeit auf; bis hin zu den daneben angebrachten Buchstabenpaaren „IC / XC" (die griech. Anfangs- und Endbuchstaben von Jesus Christus). Nur das Wort Pantokrator fehlt in Laach.

Am 25. November 1892 waren die Benediktiner in Maria Laach wieder eingezogen, die 1802 von hier vertrieben worden waren. Der offizielle Besitzwechsel der Kirche sollte allerdings erst 1925 vollzogen werden. Die Mönche kamen aus der Erzabtei St. Beuron, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Ausschmückung der Beuroner Kunstschule übertragen wurde.

Man kann darüber spekulieren, ob die Gestaltung beim flüchtigen Besucher den Eindruck des romanischen Ursprungs hervorruft, was Andreae mit seiner malerischen Ausschmückung ja unbedingt vermeiden wollte. Die Ähnlichkeit der Christusdarstellung mit den byzantinisch-normannischen Vorbildern im dortigen Raum ist jedenfalls unübersehbar. Andererseits könnte man sich im Vergleich zu diesen viel mehr schmückende Malereien im Kirchenschiff vorstellen, wie sie Andreae ja auch vorschlug.

Übrigens ist auf dem Aquarell Andreaes der Altar ohne Ziborium zu sehen. Dieser großartige spätromanische Baldachin aus dem frühen 13. Jh., der den Altar heute wieder in eindrucksvoller Weise überwölbt, war zu der damaligen Zeit im Westchor aufgestellt; und zwar als Überdachung des Stiftergrabes von Pfalzgraf Heinrich II. Der Baldachin mit den 6 Säulen und seiner durchbrochenen Kuppel kam erst im Jahr 1947 an seinen angestammten Platz zurück. Und wie früher so lenkt er auch heute die Augen des Betrachters fast magisch auf den heiligen Altarbezirk.

Carl Andreae hatte das Glück, die letzten 13 Jahre seines Lebens in guter Gesundheit auf seinem Besitz Helenaberg in Sinzig zu verbringen. In dieser Zeit schmückte er mit seinen Malereien noch die evangelische Kirche in Linz, die neugotische Kirche in Neuwied wie auch die leider im Krieg zerstörte Christuskirche in Köln.

Das Schicksal dieser Kirche hat eine fast symp­tomatische Bedeutung für den Maler selbst, dem in der Kunstgeschichte bisher die gebührende Beachtung versagt geblieben ist. Das mag verschiedene Gründe haben, die vor allem damit zu tun haben, dass sich sein unter die Spätnazarener einzureihendes Werk zu großen Anteilen in der Kirchenmalerei manifes­tiert, deren Bilder der religiösen Erbauung dienen, die am Ort fest gefügt bleiben und sich somit dem direkten Vergleich mit anderen Kunstwerken entziehen.

Doch mag es auch an ihm selbst bzw. seinem fehlenden Bedürfnis zur Selbstdarstellung gelegen haben, insofern, als er sich offensichtlich kaum um Sammelausstellungen und Werkkatalogisierungen gekümmert hat. Umsomehr sind die vielseitigen Bemühungen des Sinziger Heimatmuseums um die Pflege und Erhaltung seines Nachlasses zu begrüßen.

So ist für das kommende Jahr 2004 die Res­taurierung seiner Wandmalereien im Turmzimmer des Sinziger Schlosses geplant; eine sehr kostenaufwendige Maßnahme, die nur durch die großzügige Spende einer Sponsorin möglich ist. Wenn dieser Raum im Jahr der hundersten Wiederkehr seines Todestages in seiner ursprünglichen Pracht wiederersteht, sollte das nicht zuletzt als Geste der Dankbarkeit seiner Heimatgemeinde und als eine nachgeholte Würdigung seiner künstlerischen Leistung verstanden werden.

Quellen und Literatur: