Schloss und Herrschaft Gelsdorf um 1790

Beschreibung eines Miniaturstaates am Ende des Alten Reiches

Ottmar Prothmann

Im Nachlass des kurkölnischen Hofkammerpräsidenten Freiherrn von Spiegel im Staatsarchiv Münster liegt ein Verkaufsangebot über Schloss und Herrschaft Gelsdorf sowie die Herrschaft Ipplendorf und den Seeligerhof bei Bölingen.1) Mit zahlreichen bisher unbekannten Einzelheiten bietet es uns schlaglichtartig einen Einblick in diese beiden Territorien.

Leider nennt das Dokument weder den Namen des Besitzers noch trägt es ein Datum. Geheimnisvoll verschleiert der Schreiber auch die Namen seines zum Verkauf angebotenen Besitzes. Statt des Namens Gelsdorf steht Martinsburg, für die Namen seiner weiteren Besitzungen, der Herrschaft Ipplendorf und des Seeligerhofes, sind die Decknamen Löwen und Berkoven eingesetzt. Später wurden von anderer Hand die Decknamen gestrichen und durch die richtigen Namen ersetzt, jedoch nicht der Name Berkoven, da der Korrektor diesen Hof wahrscheinlich nicht kannte. Offensichtlich wollte der Besitzer vermeiden, dass seine Verkaufsabsichten in der Öffentlichkeit bekannt wurden, da ihm dies in seiner augenblicklichen Situation geschadet hätte. Nur ernsthafte Interessenten sollten von seiner Absicht erfahren.

Um herauszufinden, wer sich hinter diesem anonymen Verkaufsangebot verbirgt, gilt es zunächst das Datum des Schriftstückes zu ermitteln. Etliche Angaben im Text ermöglichen eine zeitliche Einordnung auf die Jahre zwischen 1788 und 1792.2) Zu jener Zeit gehörten diese Besitzungen der Familie von Gruben in Bonn. Der kurkölnische Geheime Rat und Staatssekretär Constantin Gruben (1776 in den Adelsstand erhoben3)) hatte das 1716 neuerbaute Schloss4) und die Herrschaft Gelsdorf kurz vor dem Jahr 1763 gekauft.5) Da der Ort 1737 aus dem Jülicher Lehnsverband ausgeschieden und eine freie Reichsherrschaft geworden war,6) war er damit Landesherr eines Territoriums geworden, das nur dem Kaiser unterstand. Das Schloss selbst blieb jedoch kurkölnisches Lehen. Erst am 27. Mai 1785 wurde Constantin von Gruben mit ihm belehnt.7) Wann er die Herrschaft Ipplendorf und den Seeligerhof erwarb, ist bisher unbekannt.

Familie von Gruben hielt sich allerdings nur wenige Wochen während des Sommers auf ihrem Wasserschloss in Gelsdorf auf.8) Die übrige Zeit des Jahres verbrachte sie in ihrem städtischen Haus, das in bevorzugter Lage gegenüber dem Residenzschloss, dem heutigen Hauptgebäude der Universität, an der Ecke zum Martinsplatz, stand.9) Hier in dieser unmittelbaren Nähe des kurfürstlichen Hofes mit seinen zahlreichen gesellschaftlichen Ereignissen, Konzerten und Theateraufführungen spielte sich das Leben der Familie mit ihren neun Kindern ab. Der Vater Constantin sammelte Gemälde und Kupferstiche,10) die Tochter Walburga war eine bekannte Violinspielerin in der Stadt, und oft wurden im Hause von Gruben Konzerte gegeben, zu denen sich auch der junge Ludwig van Beethoven mit seinem Vater einfand.11)

Am 30. Januar 1788 starb Geheimrat Constantin von Gruben und wurde am 2. Februar in der Kirche zu Gelsdorf beerdigt.12) Ein hölzernes Epitaph an der Wand auf der Epistelseite erinnert noch heute an ihn. Seine Frau Maria Anna von Vogelius war schon vier Jahre zuvor im Alter von nur 48 Jahren verstorben.13) Der Familienbesitz fiel nun den Kindern zu, die überwiegend bereits das Erwachsenenalter erreicht hatten.14) Die Söhne waren zumeist, wie der Vater, in den Staatsdienst oder als Juristen in die Verwaltung eingetreten. Einer von ihnen, Franz Heinrich von Gruben (*1774), wurde später Bürgermeister von Gelsdorf und 1817 erster Landrat des Kreises Ahrweiler.15) Sein zehn Jahre jüngerer Bruder Carl Clemens stieg in der kirchlichen Hierarchie bis zum Weihbischof von Osnabrück auf.16)

Wenige Monate nach dem Tod des Geheimrats Constantin von Gruben ließen seine Kinder einen großen Teil des Hausrates, darunter eine viersitzige Kutsche, in der Bonner Wohnung öffentlich versteigern.17) Die Gelsdorfer Besitzungen hatte wohl der älteste Sohn Ignaz Friedrich geerbt. Er war 1790 als Legationsrat in Frankfurt tätig, und von dort schrieb er am 5. September jenes Jahres an seinen väterlichen Freund, den Hofkammerpräsidenten von Spiegel einen Brief, der im Zusammenhang mit dem Verkaufsangebot stehen könnte. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit teilte er ihm mit, dass er mit dem Gedanken spiele, aus Unzufriedenheit über mancherlei Vorgänge die kölnischen Dienste und sogar das Land zu verlassen.18) Aus dieser Situation heraus würde sich die Verschleierung der angebotenen Objekte erklären. Trifft diese Vermutung zu, dann hätte er mit diesem Verkaufsangebot19) gleichsam einen Versuchsballon gestartet, um je nach dem Ausgang dieser Verkaufsangelegenheit eine Entscheidung über seine weitere berufliche Laufbahn zu treffen.

Lassen wir nun den Besitzer des Schlosses und der Herrschaft Gelsdorf, der Reichsherrschaft Ipplendorf und des Seeligerhofes bei Bölingen mit seinem Verkaufsangebot zu Wort kommen. Wegen der besseren Lesbarkeit ist der Text leicht modernisiert, Wiederholungen und etliche Preisangaben wurden weggelassen, Erklärungen sind in eckigen Klammern hinzugefügt.

Schlossgebäude und Gärten

In der fruchtbarsten Gegend des bekanntlich sehr fruchtreichen Jülicher Landes liegt die Herrschaft Gelsdorf. Die Gegend ist die reizendste und schönste, die man sich denken kann. Ungefähr zwei Stunden davon fließt der Rhein, und die ganze Kette des schönen Siebengebirges stellt sich im herrschaftlichen Schloss dem Auge im schönsten Lichte dar. Dabei ist die Gegend rundum von den andern Seiten bis auf zehn und mehr Stunden ganz offen. Man sieht daher mit freiem Auge mehr als ein Dutzend adliger Lusthäuser, die dem kölnischen und bönnischen Adel gehören, und mit Hilfe des Fernglases übersieht man vielleicht mehr als hundert Ortschaften [reichlich übertrieben].

Das Schloss zu Gelsdorf ist unstreitig das schönste, das in der dortigen Gegend, vielleicht auf 30 Stunden weit, gelegen ist. Ein Lob, das ihm jeder beilegt, der es nur einmal sah. Es ist vor gar nicht langen Jahren in der Form eines langen Corps de logis mit zwei großen Flügeln in puren Back- und Quadersteinen gebaut, hat von allen Seiten freie Aussicht, die Zimmer sind bis 18 Schuh hoch [rund fünf Meter], und die prächtigsten Vorhäuser, sowohl oben wie unten, befinden sich darin, an welche die Kette der Zimmer stößt, die alle durcheinander laufen und deren jedes doch seinen eigenen Ausgang hat. Das Haus ist im Keller ebenso wie in den oberen Etagen gebaut. Der Keller ist groß genug, um ein paar hundert Stückfässer zu legen. Es befinden sich darin eigens noch eine besondere Küche, ein Backhaus und viele Zimmer zur Aufbewahrung des jährlichen Vorrats und zum Einschlagen des Gemüses.

Das Haus ist mit einer Hauskapelle, einer Haus­uhr und den nötigen Wasserleitungen versehen. Es ist mit einem vertieften Blumengarten umgeben, an den ein schöner, sauberer, etwa 30 Schuh [8,40 m] breiter Weiher stößt, der rund ums Haus läuft, auf dem ein Nachen zum Fahren ist und den man so hoch und tief, wie es beliebt, anschwellen lassen oder ablassen kann. An jenen Weiher grenzen wieder vertiefte, schattige Spaziergänge, die rund ums Wasser herum laufen. Dann liegen wieder in einer Höhe von zehn bis zwölf Schuh [2,80 bis 3,30 m] rundum die herrlichsten Gemüse- und Obstgärten von beträchtlicher Ausdehnung. Diese haben alle an mehreren Orten ihren Eingang in die verdeckten Spaziergänge. Sie haben von der anderen Seite wieder die Kommunikation mit Alleen und einem daran stoßenden, auf einer Insel20) liegenden, schönen quasi Englischen Garten, der in einem Stern angelegt, mit den besten Gattungen französischer Obstbäume durchsetzt, mit Lusthäuschen versehen und überhaupt in einer Gegend gelegen ist, wo er die schönste Aussicht in die ganze dortige Umgebung gewährt.

Vorburg von Schloss Gelsdorf um 1935

An diese ganze Kette stoßen wiederum eine Menge Weiher, die ebenso fischreich wie die vorigen sind, außerdem viele schöne Spaziergänge, Wiesen, Fluren und Ländereien, die alle steuerfrei sind und dem Inhaber der Herrschaft gehören. Die ganze Gegend stellt also dem Auge ein ungemein schönes romantisches Bild dar, welches sowohl dem vorigen Inhaber der Herrschaft, der sie in ziemlich ödem Stand ankaufte, als auch den mit vielen Kosten verbundenen Bemühungen des jetzigen Inhabers seine Entstehung zu verdanken hat.

Das herrschaftliche Schloss ist mit einem geräumigen Vorhof versehen, in den man vom Herrenhaus über eine mit einigen Statuen versehene Brücke gelangt. Der Vorhof ist wieder mit einem sehr großen Gebäude umfasst, das, in drei Flügeln in Hau- und Backstein gebaut, in gerader Linie dem Schloss gegenüber steht. Hierin befinden sich erstens das Wohnhaus des Beamten [des Richters und Rentmeisters], welches etwa 20 Zimmer enthält, zweitens Pferdeställe für 20 Pferde, drittens Viehställe für eine große Viehhaltung, viertens mehrere Scheunen, fünftens Schweineställe, Hühnerhäuser, Kelter zum Äpfelklopfen und ungeheuer große Speicher.

Dieses Vorhofgebäude ist in gerader Linie, sowohl im Hauptteil als auch in den Flügeln, wie das Schloss gebaut, stellt also eine schöne Aussicht aus dem Schloss dar, besonders, da das Haupteinfahrtstor in gerader Linie mit der Tür und dem Mittelspeisesaal des Schlosses auf etwa 500 Schritte in der Entfernung korrespondiert. Der Vorhof hat am Ende der Nebenflügel noch zwei solcher Tore, deren eines in die Gärten, das andere in das Feld führt. Bei Nacht ist alles rund umher geschlossen, mithin durchaus sicher. Man kann es für gewiss annehmen, dass die Gebäude nicht für 100000 Taler hingestellt worden sind und so viel wirklich noch für einen reichen Liebhaber des Landlebens wert sind, da sie sich im allerbesten Stande befinden.

Die Entfernung der Vorhof-Gebäude von dem Schloss und das dazwischen laufende Wasser gewähren auch alle mögliche Sicherheit vor Feuersgefahr. Es hängen ohnehin eine Menge Brandeimer im Hause. Die Gemeinde besitzt auch eine Brandspritze und jedes Haus seinen Eimer.

Vorrechte des Herrschaftsinhabers

Vorläufig ist zu wissen, dass die Herrschaft Gelsdorf der Jülicher Landeshoheit unterworfen und von den Urteilen des Richters, welcher die erste Instanz zu versehen hat, nach Düsseldorf appelliert wird. Indessen ist sie ganz allodial [frei von allen Abgaben]. Nur die Gebäulichkeiten sind kurkölnisches Kunkellehen [auch in weiblicher Linie vererbbar]. Der Inhaber hat nunmehr folgende ansehnliche Rechte:

a) das jus patronatus [das Recht einen Geistlichen zur Besetzung der Pfarrstelle vorzuschlagen], die Kirche ist dabei noch ganz neu gebaut,

b) die obere und untere Jurisdiktion, insbesondere das jus gladii [Hochgerichtsbarkeit] über das ganze, aus mehreren hundert Häusern [tatsächlich waren es 1786 nur 91 Häuser21)] bestehende Dorf zu Gelsdorf,

c) die ausschließliche grobe und kleine [hohe und niedere], sehr ausgedehnte Jagd,

d) den großen Universal-Frucht-Zehnten. Hierüber hatte der Vater des jetzigen Inhabers einen Rechtsstreit mit dem Herzog von Aremberg vor mehreren Jahren [178822)] in Düsseldorf auszufechten, der aber in allen drei Instanzen gewonnen wurde.

e) der Blutzehnt [Abgabe von Tieren, in der Regel von Jungvieh] und die Rauchhühner [von jedem Haus, aus dem Rauch aufsteigt, ausgenommen die freiadeligen Güter],

f) das Abzugsrecht oder den sogenannten zehnten Pfennig von Ausziehenden [von wegziehenden Untertanen zu bezahlen],

g) die Besetzung des Gerichts, nämlich des Richters, der auch zugleich Rentmeister ist, des Schultheißen und der Schöffen,

h) das ausschließliche Recht, Tauben zu halten, deren wirklich sehr viele vorhanden sind und zur Haushaltung dienen,

i) das Recht, die Brüchtengelder [Strafgelder] zu erheben.

Einkünfte im sechsjährigen Durchschnitt

a) Die Geldeinkünfte, worunter der zehnte Pfennig allein vor kurzem noch 400 und mehr Reichstaler einbrachte, welchen mit Einschluss der trockenen Weinkaufsgelder [Gebühren bei Abschluss eines Geschäftsvertrags] aus circa 200 Reichstaler spezies,

b) an Korn werden von mehr als 300 Morgen verpachteter Ländereien sowie aus dem Zehnten circa 400 Malter rheinisches Maß gezogen, die umgerechnet 476 Malter kölnisches Maß ausmachen, pro Malter wenigstens 14 Gulden, jeden zu 18 Stüber gerechnet,

c) an Hafer 328 Malter bzw. 390 Malter kölnisches Maß, per Malter 7 Gulden,

d) an Weizen 19 Malter, welche kölnisch wenigstens 22 Malter ausmachen, per Malter 7 Reichstaler spezies,

e) an Gerste 16 Malter bzw. nach kölnischem Maß 19 Malter, per Malter zu 11 Gulden,

f) an Erbsen und Bohnen 10 Malter oder 12 Malter kölnisches Maß, per Malter zu 12 Gulden,

g) an Rübsamen 2 Malter rheinisches Maß, macht 15 Reichstaler,

h) an Linsen 1 Malter rheinisches Maß, macht 5 Reichstaler,

i) an Heu 200 Zentner, im geringsten Anschlag 160 Reichstaler,

k) an Stroh 5600 Bauschen, per 100 zu 4 1/2 Reichstaler.

Die ansehnlichen Gemüsegärten, äußerst viele Obstbäume, die in die Tausende gehende Anlage neuer Baumschulen, Jagdeinkünfte, die vielen reich besetzten Fischweiher, die vorzüglichen großen Grasländereien zur Viehhaltung, der Blutzehnt von Schweinen, Lämmern und allem Federvieh, nebst der Abgabe der Rauchhühner, die sehr beträchtliche Anzahl neu urbar gemachter Ländereien, welches alles erst nach Ankauf der Herrschaft mit ungemein großen Kosten geschehen ist, sind in dem jährlichen allergeringsten Anschlag mindestens 500 Reichstaler wert. Summe aller jährlichen Einkünfte 4210 Reichstaler spezies.

Lasten des Inhabers und Wert der Herrschaft

Gegenüber den hohen Einnahmen sind die vom Inhaber der Herrschaft zu tragenden Lasten ganz gering. Sie bestehen nur in 20 Malter Korn und Hafer, die dem Pfarrer von Gelsdorf als Einkommen zustehen, außerdem eine ganz kleine Getreideabgabe an die Armenprovision [Armenverwaltung] in Höhe von zwei Malter Korn.

Nach all dem Gesagten wird jeder leicht einsehen, dass die Herrschaft Gelsdorf einschließlich der Schlossgebäude wenigstens 190000 Reichs­taler wert sein muss.

Es existiert dabei wegen Gelsdorf nicht der mindeste Prozess. Vor einigen Jahren wollten einige wenige Untertanen der Gemeinde verschiedene herrschaftliche Hoheitsrechte bestreiten, sie wurden aber durch drei gleichlautende, mit vielen Strafen versehenen Urteile zu Düsseldorf abgewiesen,23) und nun ist alles vollkommen ruhig. Unstreitig ist die Herrschaft durch den glücklichen Ausgang dieser Rechtsstreite, insbesondere des oben genannten Prozesses mit Aremberg, ungemein verbessert worden, da es jedem bekannt ist, mit wie viel Kosten solche Rechtsstreite verbunden sind.

Schließlich ist auch zu bemerken, dass der letzte Verkäufer von Hallberg bzw. dessen Erbe, der jetzige pfälzische Gesandte in Wien [Heinrich Theodor von Hallberg24)], die vollkommenste Eviktionsleistung [Gewährleistung, dass der Käufer den übertragenen Besitz in vollem Umfang weiterhin behalten kann] sowohl wegen der Herrschaft Gelsdorf als auch wegen der unten genannten Reichsherrschaft Ipplendorf in Hinsicht auf alle möglichen Gerechtsame und eventuellen Prozesskosten zu leisten versprochen hat. Genannter von Hallberg ist allein im deutschen Reich für beinahe eine halbe Million Gulden in den Herrschaften Fussgönheim und Roxheim und auch anderwärts noch beträchtlich begütert, mithin ist kaum Gefahr eines Verlustes denkbar, und wenn ein Verkauf zu Stande kommen sollte, so wird obiges Eviktionsleistungs-Versprechen von dem jetzigen Inhaber dem Ankäufer in seinen ganzen Umfang übertragen.

Reichsherrschaft Ipplendorf

Sie liegt etwa eine kleine Stunde von Gelsdorf entfernt, besteht in einem Dorf und gehört zur niederrheinischen Reichsritterschafft. Der jeweilige Inhaber besitzt demnach alle ritterschaftlichen Rechte, um so mehr, wenn er zum ritterbürtigen deutschen Adel gehört. Der Besitz dieser Herrschaft kann ihm augenblicklich die Immatrikulation bei der Reichsritterschaft gewähren.

Die Vorrechte des Inhabers bestehen in der Ausübung der hohen und niederen Jurisdiktion, dem Recht, die Besthäupter [Besitzwechsel-Abgabe beim Tod des Lehnsempfängers] zu erheben, der Jagd, dem Bezug vieler Zinsgelder [Abgaben, Pachtzinse, Renten usw.], auf deren Zahlungsunterlass schwere Strafen haften, und weiterer Vorrechte, die aus der ausgedehnten reichsritterschaftlichen Gerichtsbarkeit entspringen.

Die Einkünfte der Reichsherrschaft Ipplendorf bestehen jährlich in circa 400 Reichstaler spezies. Hierzu zählen die Einkünfte aus einem Wald, der im dortigen Bezirk liegt und ein Aremberger Kunkellehen ist. Nach der vorjährigen Vermessung hat er eine Größe von 267 Morgen 95 Ruten. Er enthält meistens Schlagholz und ist in zwölf Schläge eingeteilt, von denen jährlich im Februar der zwölfte Teil dem Meistbietenden verkauft wird, so dass man erst alle zwölf Jahre auf dieselbe Stelle kommt. Dadurch kann die Waldung immer im besten Stand gehalten werden. Bekanntlich ist der Preis des Holzes, besonders in der dortigen Gegend, außerordentlich gestiegen, und jährlich steigt er noch mehr. Im vergangenen Februar wurde der zwölfte Teil für 500 Reichstaler versteigert.

Herrenhaus von Schloss Gelsdorf um 1935

Bei jeder Holzversteigerung werden die schöneren zum Bau oder zu Brandholz tauglichen Stämme durch den herrschaftlichen Buschförs­ter (welcher statt des Jahresgehalts den dortigen Heuzehnten erhält) bezeichnet und müssen von den Ankäufern des übrigen Schlagholzes unberührt gelassen werden. Diese machen dann immer nach mehreren Jahren wieder eine schöne Sammlung groben und brauchbaren Gehölzes aus, und bloß hiervon hat der jetzige Inhaber vor wenigen Jahren für mehr als 1000 Reichstaler verkauft. Es ist also hieraus zu ersehen, dass der obige Anschlag der Einkünfte sowohl in Geld als in Holzgefällen zu 400 Reichstaler äußerst gering angesetzt ist.

Es ist noch zu bemerken, dass der Inhaber dieser Herrschaft keine Lasten oder Abgaben zu tragen hat und dass kein Prozess anhängig ist. Die dortige Gerichtsbarkeit sowie die Einnahme der Gefälle können durch den Gelsdorfer Beamten erfolgen. Auch die Jagdaufsicht kann der Gelsdorfer Jäger wegen der nahen Lage der Waldungen ausüben.

Wenn man den Anschlag wiederum mit zwei Prozent Abschlag machen wollte, so würde ein Kapital von 20000 Reichstaler entstehen, ohne dass hierunter die reichsritterschaftlichen und sonstigen Vorrechte gerechnet oder jährlich steigende Holzpreise in Betracht gezogen würden. Man wird daher den Preis von 16000 Reichstaler ungemein billig finden, doch lässt sich der Eigentümer beider Herrschaften auch leicht gefallen, dass Ipplendorf getrennt verkauft wird, weil er bereits wirklich mehrere Gelegenheiten hatte, diese Herrschaft zu verkaufen, obgleich es ihm lieber wäre, wenn beide zusammen einem Herrn wegen ihrer schönen angrenzenden Lage zuteil würden.

Seeligerhof bei Bölingen

Schließlich wird noch bemerkt, dass der Inhaber beider Herrschaften auch noch einen beträchtlichen Jülich’schen Rittersitz, genannt Berkoven [richtig Seeligerhof, gelegen am südlichen Ortsrand von Bölingen, um 1800 niedergelegt.25) Der Name haftet heute an einem Gehöft aus dem 19. Jahrhundert, das etwas oberhalb im Wiesengrund steht], besitzt, der vor nicht langen Jahren sehr schön erbaut wurde, nur 3/4 Stunde von Gelsdorf nach Ahrweiler zu liegt und wozu 126 Morgen der allerbesten Gattungen Ländereien und 50 Morgen große hochstämmige Waldungen, dabei die große und kleine Jagd (welche an die Gelsdorfer stößt) als Eigentum gehören; dabei ein schöner Zehnt, der 32 Malter Korn und eben so viel Hafer einbringt, nebst dem jure patronatus [Vorschlagsrecht bei Besetzung der Pfarrstelle] in Ringen.

Der Inhaber hatte bisher durch die Dienstleute dieses Rittersitzes den Vorteil, dass er in sehr kurzer Zeit aus der anderthalb Stunde von Gelsdorf entfernt liegenden Stadt Ahrweiler frisches Fleisch oder feineres Brot haben konnte, wenn er nur jemanden zum Seeligerhof schickte, von wo aus das obige zu Ahrweiler abgeholt werden musste. Man hat indessen über diesen Rittersitz noch keinen vollständigen Statum [Zusammenstellung] der auf 700 Reichs­taler stehenden Einkünfte gemacht. Sollte dazu Lust getragen werden, ihn ebenfalls zu kaufen, um das ganze zur Abrundung der angrenzenden Güter und Jagd zu besitzen, so kann der Status augenblicklich gefertigt werden. Beiläufig kann man im voraus versichern, dass das Kapital sich plus minus auf etwa 30000 Reichstaler belaufen wird, zumal auch eine Pfarrei [Ringen] zu vergeben ist.

Das Verkaufsangebot schließt mit der Bemerkung: Man bittet in dem Falle, da zum Ankauf keine Lust getragen werden sollte, sich ein strenges Geheimnis über die Mitteilung dieses Status aus und versichert zugleich, dass man sich sehr billig werde finden lassen, wenn einige Lust bezeuget werden sollte, in den Kauf einzugehen."

Zum weiteren Verlauf sei noch angemerkt, dass zu der Zeit, als dieses Verkaufsangebot geschrieben wurde, durch die Revolution in Frankreich bereits der Keim zum Untergang der Herrschaft Gelsdorf gelegt war. Wenige Jahre später sollten französische Revolutionstruppen bis zum Rhein vorrücken und dabei im Oktober 1794 auch Gelsdorf besetzen. Die alte Ordnung wurde aufgelöst, der Staat Gelsdorf verschwand von der Landkarte, das Schloss blieb jedoch bis 1825 in der Hand der Familie.26)

Anmerkungen:

  1. Staatsarchiv Münster, Nachlass Franz Wilhelm Spiegel zum Desenberg Nr. 256.

  2. Der genannte Prozess gegen Aremberg bzw. Arenberg wegen des Zehnten wurde 1788 entschieden (Peter Neu, Die Arenberger und das Arenberger Land, Bd. 2 (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 67), Koblenz 1995, S. 250). Der genannte Erbe von Hallberg, pfälzischer Gesandte in Wien, war Heinrich Theodor von Hallberg, gestorben 18.10.1792 (E. v. Oidtmann, Die Familie von Hallberg, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, 1916, S. 238). In diesem Zeitraum verweist die Erwähnung der Holzversteigerung im Wald bei Ipplendorf „im vergangenen Februar" auf die Jahre 1790 oder 1791, denn während der Zeit von 1790 bis 1792 wurde nur in diesen beiden Jahren das Holz im Februar versteigert (StA Rheinbach, Sammlung 42, fol. 128, 128v).

  3. Felix Hauptmann, Die Reichsherrschaft Gelsdorf, in: Rheinische Geschichtsblätter, Bd. 5, 1909, S. 130.

  4. Das Schloss wurde nicht erst 1763 bzw. 1766 erbaut, wie bisher angenommen wurde, sondern schon rund vierzig Jahre vorher. Dies ergibt sich aus zwei Quellen: Am 17.11.1717 versammelten sich die Einwohner verschiedener Dörfer auf einer Wiese bei Gelsdorf, unweit des von Herrn von Hundheim „new erbawenen" Schlosses, um ihrem neuen Herrn Carl Philipp Pfalzgraf bei Rhein zu huldigen (HStAD, Jülich-Berg II, Nr. 2388, fol. 128v). Ein Reisebericht von 1785 nennt das Jahr 1716 als Erbauungsjahr (Ottmar Prothmann, Gelsdorf in einem Reisebericht von 1785, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1984, S. 106). Schließlich spricht auch die Jahreszahl 1756 in der ehemals vorhandenen Sonnenuhr im Rundgiebel des Risalits des Herrenhauses (Clemen, Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler, S. 256) gegen das Erbauungsjahr 1763 bzw. 1766. Das bisher angenommene Erbauungsjahr 1763 wurde aus dem Datum im Wappen oberhalb des Einfahrtstors der Vorburg hergeleitet.

  5. In der Literatur wird allgemein 1766 genannt, doch das Datum im Wappenschild der Familie über dem Einfahrtstor der Vorburg nennt das Jahr 1763. Der Erwerb dürfte sogar noch vorher erfolgt sein, denn bereits am 5.9.1762 tritt Constantin von Gruben als Taufpate bei einem Kind des Richters Balthasar Custodis in Gelsdorf auf (Pfarrarchiv Gelsdorf, Taufbuch 1681-1770, S. 199).

  6. Hauptmann, a. a. O., S. 109.

  7. Hauptmann, a. a. O., S. 130.

  8. Ottmar Prothmann, Gelsdorf in einem Reisebericht von 1785, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1984, S. 108.

  9. Stadtarchiv Bonn, Ku 34/2 Nr. A 14.

  10. 1785 rühmte ein Reisender seine Gemälde- und Kupferstichsammlung in Gelsdorf (Prothmann (wie Anm. 8), S. 106f.). 1805 versuchten die Nachkommen die Gemäldesammlung zu verkaufen (Stadtarchiv Köln, Best. 1105 (Wallraf), Nr. 11, Bl. 57).

  11. Joseph Schmidt-Görg, Des Bonner Bäckermeisters Gottfried Fischer Aufzeichnungen über Beethovens Jugend (Veröffentlichungen des Beethovenhauses in Bonn, NF, 4. Reihe, VI), Bonn 1971, S. 58 und 85.

  12. Pfarrarchiv Gelsdorf, Sterbebuch 1770-1798, S. 20.

  13. Pfarrarchiv Ersdorf, ungeordnet, Necrologium, geführt von Pfarrer Mathias Best, S. 5.

  14. Biographische Daten zu den Kindern: Stadtarchiv Bonn, Benutzerschriftverkehr, Auskunft an Steinbicker, 1970.

  15. Seine Kurzbiografie siehe Horst Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz (Publ. d. Ges. f. Rhein. Geschichtskunde LXIX), Düsseldorf 1994, S. 484.

  16. Jakob Torsy, Die Weihehandlungen der Kölner Weihbischöfe 1661-1840 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte, Bd. 10), Düsseldorf 1969, S. 49f.

  17. StA Bonn, Boennisches Intelligenzblatt, Stück XLVII, S. 183, vom 11.11.1788.

  18. Stadtarchiv Bonn, Nachlass Spiegel, Bonner Teil, Nr. 33.

  19. Die Handschrift des Verkaufsangebots ist freilich nicht die des Ignaz Friedrich von Gruben. Wahrscheinlich hat ein Schreiber diese Reinschrift verfertigt.

  20. Alois Conrads aus Gelsdorf berichtete 1993, dass das Gelände, auf dem jetzt der Obsthof Sonntag liegt, früher „Inselchen" genannt wurde. Dort liefen sie als Kinder in den 30er Jahren im Winter Schlittschuh. Sie verstopften den Zufluss des Burggrabens, so dass die Senke voll Wasser lief.

  21. Hans Frick, Quellen zur Geschichte von Bad Neuenahr, Bad Neuenahr 1933, Nr. 1768.

  22. Siehe Anmerkung 2.

  23. Die Gerichtsurteile wurden 1772, 1775 und 1776 gefällt (HStA Koblenz, Best. 655,11, Nr. 55).

  24. Oidtmann, a. a. O., S. 238.

  25. Den Zeitpunkt des Abbruchs vermerkt Leo Stausberg, Lehrer in Ringen, in seinen Notizen über den Hof, 1975 im Besitz seiner Tochter Gudrun Stausberg in Köln.

  26. Ottmar Prothmann, Schloß Gelsdorf. Mittelpunkt der Gelsdorfer Ortsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1986, S. 77.