„Hattest du einen guten Tag im Hort?"

Einblicke in den Kinderhort des Blandine-Merten-Hauses in Bad Neuenahr

Hubert Rieck

Es ist 13 Uhr. Pünktlich wie immer ertönt zu dieser Zeit der Gong, der das Ende des Unterrichts an der Grundschule Bad Neuenahr einläutet. Ohne jede Hast, aber zügig, verlässt Markus das Klassenzimmer, läuft das hintere Treppenhaus hinab und passiert das große Eisentor, das den Schulhof von der Hemmesser Straße trennt.

Er überquert rasch die Straße und keine 10 Meter weiter betritt er einen roten, eingeschossigen Backsteinbau, das Blandine-Merten-Haus.

Schwungvoll, wie es seine Art ist, betritt er den langen Flur, bleibt unvermittelt stehen. Er atmet tief durch die Nase, schnuppert, neigt den Kopf, überlegt und ruft: „Prima, mein Lieblingsessen: Spaghetti Bolognese!"

Alsdann schaut er in die Küche, entdeckt das Dessert, strebt dem Mittagstisch zu und fühlt sich nach dem Unterricht wie zu Hause.

Solche oder ähnlich, völlig unspektakuläre Szenen ereignen sich täglich von Montag bis Freitag im Kinderhort des Blandine-Merten-Hauses in Bad Neuenahr.

Markus ist eines von mittlerweile 65 Kindern, die den Hort des Blandine-Merten-Hauses besuchen. Somit ist in den letzten Jahren die Zahl der Hortkinder stetig gestiegen. Das ist letztlich ein Beleg für das Erfolgsmodell Kinderhort, seine hohe Akzeptanz bei den Erziehungsberechtigten und seine Beliebtheit bei den Kindern.

Zurzeit (Juli 2003) gibt es drei Hortgruppen, zwei im Stammhaus an der Edith-Stein-Straße und eine weitere Gruppe, die seit September 2002 in den Räumen der alten Grundschule in der Weststraße ihr Domizil gefunden hat.

In den Hort können Kinder mit dem Eintritt in die Grundschule aufgenommen werden. Es gibt dort Teilzeitbetreuung bis 14.00 Uhr und Ganztagesplätze bis 17.00 Uhr. Vor Schulbeginn hat der Hort schon um 7.15 Uhr geöffnet, sodass die Kinder auch dort schon ein Frühstück zu sich nehmen können. Vorrangig werden Kinder aufgenommen:

Die Entscheidung über die Aufnahme eines Kindes trifft eine Kommission, die je aus einem Vertreter des Kreises, der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Kirchengemeinde, dem Hort und der Grundschule besteht.

Abhängig ist die Aufnahme auch von den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Elternhauses.

Nachdem der Tischdienst das Essen aufgetragen hat, beginnen die eingeübten Essensrituale: „Danke" und „Bitte" sind selbstverständlich, auch ein Tischgebet hat seinen Platz. Markus redet sich während des Essens einiges aus dem Schulalltag von der Seele: „Ja, heute war es in der Schule eigentlich ganz schön. Aber die Hausaufgaben. Diesmal sind es recht viele!" stöhnt er.

„Das ist genau das Stichwort", entgegnet die Erzieherin gegen 13.30 Uhr. „Freunde, auf zu den Hausaufgaben!"

Die Erzieherin Evi Weber mit den Kindern beim gemeinsamen Mittagessen im Hort, Juni 2003

Bis 15 .00 Uhr erledigen die Kinder jetzt unter der Betreuung von Erzieherinnen ihre Hausaufgaben. Im Blandine-Merten-Haus gibt es drei Gruppen, die sich der Hausaufgabenbetreuung widmen. Diese arbeiten differenziert. So wurde eine spezielle Hausaufgabengruppe ins Leben gerufen, die auf 7 Kinder begrenzt ist, um neben den Routinehausaufgaben auch vorhandene Lernlücken zu schließen. Die Erzieherinnen Angelika Wenzel und Evi Weber achten bei der täglichen Hausaufgabenphase auf Lern- und Arbeitsruhe sowie auf das konzentrierte Arbeiten der Kinder.

Die Hausaufgaben sind ein wichtiger Kooperationspunkt zwischen dem Hort und der Grundschule Bad Neuenahr. Bedenkt man, dass mittlerweile 62 Kinder der Grundschule Bad Neuenahr den Kinderhort besuchen, so ist die Kooperation schon eine Notwendigkeit. Regelmäßige Besprechungen zwischen den Lehrerinnen der Grundschule und den Erzieherinnen des Hortes sind selbstverständlich geworden, ein Forum des Austausches, der gegenseitigen Information, der Klärung von pädagogischen Fragestellungen.

Bernd Keck, Leiter des Blandine-Merten-Hauses, sowie die Konrektorin der Grundschule, Frauke Kopp, konzipieren diese Gesprächstreffen. Mittlerweile sind diese für beide Institutionen Kerngebiete der pädagogischen Arbeit geworden.

„Heut’ ist ein Tag, wo ich singen, lachen, froh sein kann ...", sangen die Kinder des Blandine-Merten-Hauses bei der Einweihungsfeier am 24.10.1988. Mit einer Bausumme von ca. 3 Millionen DM wurde auf einem 4462 qm großen Grundstück in der Edith-Stein-Straße 1 das Blandine-Merten-Haus errichtet, das für vier Kindergartengruppen und zwei Hortgruppen konzipiert wurde. Die katholische Kirchengemeinde St. Marien und St. Willibrord ist auch heute noch Betriebskostenträger des Hortes. Land, Kreis, die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und Elternbeiträge finanzieren den Erhalt des vorbildlichen Hauses.

Der damalige 1. Beigeordnete der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Wilfried Schneider, verwies in seiner Eröffnungsansprache darauf, dass der Name der seliggesprochenen Blandine Merten programmatische Bedeutung habe. Schwester Blandine Merten und die Ordensgemeinschaft der Ursulinen, der sie angehörte, hatten schon lange, bevor staatliche Einrichtungen hierzu bereit waren, sich der Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen gewidmet. Somit ist der Name dieses Hauses auch heute noch Programm und Verpflichtung zugleich.

Es ist 15.00 Uhr. „So, geschafft!" entfährt es Markus. Er legt seine Bücher und Hefte in den Schulranzen zurück. Die Hausaufgaben sind erledigt. Und nach der täglichen Pflicht folgt die Kür. Das bedeutet, es darf nach Herzenslust gespielt und auch getobt werden. Die herrlichen Außenanlagen des Hortes sind kindgerecht gestaltet und wurden von Anfang an begeistert angenommen.

Es ist ein herrlicher Sommertag. Der künstliche Bachlauf in Mitten des Freigeländes zieht Markus und seine Spielgefährten magisch an. Strümpfe und Schuhe aus ... und rein ins Vergnügen! Nass spritzen und nass gespritzt werden, heißt das reizvolle Spiel. Und Markus ist mittendrin!

An einem solchen heißen Sommertag bleiben die zahlreichen Spielangebote im Innern des Hauses natürlich nur zweite Wahl. Aber auch diese großzügigen Räumlichkeiten haben ihren besonderen Reiz. Eine eigene Tradition hat der Rundbau im Eingangsbereich: Er ist „Heimstatt" des schon legendären „Zirkus Hortino". Hier präsentieren die Hortkinder alljährlich mit ihren Erzieherinnen und dem Zirkusdirektor Bernd Keck ihr eigenes, überaus sehenswertes Zirkusprogramm mit Clown-Nummern, Tierdressuren und akrobatischen Auftritten.

Kurz vor 17.00 Uhr. Die Mutter von Markus steht am Eingang des Freigeländes. Sie ist müde nach einem anstrengenden Arbeitstag, aber froh darüber, dass ihr Sohn im Hort gut aufgehoben ist. Markus läuft auf sie zu und strahlt sie an. Seine Mutter lächelt. „Hattest du einen guten Tag?" Markus nickt und nimmt freudig die Hand seiner Mutter. Beide gehen nach Hause.

Gäbe es das Blandine-Merten-Haus noch nicht, es müsste so konzipiert werden, wie es seit 1988 existiert. Die Verantwortlichen haben beim Bau und der Einrichtung des Hauses Weitblick bewiesen und durch das pädagogische Konzept den gesellschaftlichen und erzieherischen Erfordernissen Rechnung getragen.

Dies wird umso deutlicher, wenn man die aktuelle Diskussion um die Ergebnisse und die Konsequenzen der im Jahre 2002 veröffentlichten PISA-Studie verfolgt. Als Lösungsansätze aus den für das deutsche Bildungswesen wenig schmeichelhaften Ergebnissen der PISA-Studie sind im Gespräch bzw. in der praktischen Umsetzung : Eine intensive Wertediskussion sowie die Stärkung der Erziehung in Elternhaus und Schule, eine Reform der schulischen Inhalte und Methoden, zusätzliche Investitionen in vorschulische Einrichtungen, die verstärkte Einführung der Ganztagsschule, der Bau von Kinderhorten sowie Kooperationsformen von Schule und Hort.

Zurzeit besucht fast jedes fünfte Kind der Grundschule Bad Neuenahr zugleich den Kinderhort des Blandine-Merten-Hauses. Kommunikation und Kooperation zwischen beiden Institutionen haben sich bewährt und werden auch in Zukunft wichtige Säulen eines Miteinanders zwischen Schule und Hort zum Wohle der uns anvertrauten Kinder sein.