Das Schützenbild der St. Sebastianus- Schützen-Gesellschaft zu Remagen von 1870
Ein Foto mit Geschichte(n)
Claudia Ahaus
Mit Fotos den Augenblick einfangen
Im Zeitalter der modernen Technik ist man es gewohnt, über die verschiedensten Medien Anschauungsmaterial fotografierter Gegenstände oder Personen zu erhalten.
Man bedenkt nicht mehr, dass die Fotografie im 19. Jahrhundert noch in den Kinderschuhen steckte, so sehr hat man sich an die bunte Bilderflut gewöhnt. Heute ist es in vielen Haushalten üblich, seine Lieben bei allen nur denkbaren Ereignissen zu fotografieren oder per Kamera in laufenden Bildern mit Ton aufzuzeichnen.
Zu Zeiten unserer Großeltern oder Urgroßeltern wurden Fotos dagegen nur zu besonderen Ereignissen gemacht. Dies war noch so bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Daher gibt es von unseren älteren Vorfahren oft nur wenige Fotografien. Um so mehr können wir uns heute über ein historisches Foto mit Seltenheitswert aus dem Jahre 1870 freuen.
Das Originalfoto, das Gegenstand meiner Betrachtung ist, hat das Maß 13,5 x 21 cm und ist auf etwas dickerem Papier bzw. Pappe aufgezogen. Es stammt von dem Remagener Fotografen P.J. Schreiner.
Die St. Sebastianus-Schützen-Gesellschaft zu Remagen
Die St. Sebastianus-Schützen-Gesellschaft, feiert im Jahre 2003 vom 9. bis 11. Mai ihr 525-jähriges Bestehen und den 160. Jahrestag nach Neubegründung im Jahre 1843.
Einige der auf dem historischen Foto von 1870 abgebildeten Schützen waren bereits bei der Wiederbegründung im Jahre 1843 in die Gesellschaft eingetreten.
Was waren das für Menschen, die es als ihre Aufgabe sahen, als Schützen tätig zu sein?
Dieser Frage soll hier kurz nachgegangen werden. Eine ausführliche personen- und familienkundliche Würdigung ist hier aus Platzgründen leider nicht möglich. Sie kann jedoch bei der Verfasserin eingesehen werden.
Aus dem auf die Neugründung des im Jahre 1843 bezugnehmenden Vorberichts (Begleitbericht an die Regierung) geht hervor, dass die Mitglieder der Schützen nur aus achtbaren Bürgern und Bürgerssöhnen bestehen konnte, welche in jeder Hinsicht dem Städtchen Remagen zur Ehre gereichten.
In Zeiten der Not, der Seuchen, der Kriege und vieler Wirren in den vergangenen Jahrhunderten standen sie in früheren Zeiten an der Stadtbefestigung und beschützten ihre Heimatstadt. Ebenso gaben sie hohen Amtspersonen das Geleit und begleiteten die sakramentalen Prozessionen. Die Gemeinschaft des Schützengeistes und der christlichen Weltanschauung wurde aber bis in unsere Zeit überliefert.
Bei der Neugründung der „Schützengesellschaft zu Remagen", wie die Gesellschaft sich seitdem offiziell nannte, wurden 42 Mitglieder gezählt. Im Jahre 1870 gab es 37 Mitglieder, davon sind 32 auf dem Foto von 1870 abgebildet.
Sämtliche fotografierten Schützen wurden 1928 namentlich bestimmt. Das Bild vermittelt gleichzeitig die Uniform der Gesellschaft aus jener Zeit. Überliefert sind auch die ausgeübten Berufe der Schützenmänner.
Das „Familienbild" von 1870
Das älteste Schützenbild von 1870 ist nicht nur ein Bild der St.-Sebastianus- Schützen-Gesellschaft Remagen, sondern auch schon fast ein „Familienbild", denn es tragen eine ganze Reihe die selben Namen oder sind verwandtschaftlich verbunden.
Das Foto lässt wahrlich das Herz der Familien- und Heimatforscher höher schlagen.
Stolz stehen die Schützen da in ihren schmucken Uniformen, deren Gleichförmigkeit wird jedoch durch die ausgeprägten individuellen Persönlichkeiten kontrastiert. Aufschlussreich ist die unterschiedliche Huttracht oder die interessante Bartmode der damaligen Zeit.
Meist sind ihre Blicke ernst, gleichwohl ist gar das eine oder andere verschmitzte Lächeln zu erkennen. In soldatisch gerader Haltung, zwischen Strammstehen, Feststimmung und gesammeltem Ernst haben sie sich in Erinnerung an einen Festtag für die Nachwelt verewigen lassen.
Zu den Personen
Aufgelistet sind in alphabetischer Reihenfolge die abgebildeten Schützen. Auf dem Foto sind sie durch Nummern gekennzeichnet, die jeweils in der Tabelle auch vor der Person aufgeführt sind.
Bekannte und Ausgestorbene Berufe
Die Schützen von 1870, waren alles gestandene Männer mit ordentlichen Handwerksberufen. Heinrich Fassbender, als Rentner aufgeführt, macht eine Ausnahme. Er lebte von seinen Kapitalerträgen, ohne einen Beruf auszuüben.
Landwirt sagt man heute für die damals gebräuchliche Berufsbezeichnung des Ackerers. Händler, Schuhmacher, Schneidermeister, Winzer, Bäcker, Wirt, Herbergswirt (mit Übernachtung), Schlosser, Schreiner, Maurer, Klempner sind Berufe, die wir heute noch kennen.
Das Schützenbild von 1870
1 |
Paul Josef Alfter |
* 14.11.1810 † 27.11.1893 |
Winzer |
2 |
Anton Berger |
* 21.1.1828 † 2.2.1910 |
Schuhmacher |
3 |
Peter Josef Bergweiler |
* 1.5.1815 † 11.2.1895 |
? |
4 |
Johann Bernhard Brungs |
* 12.4.1824 † 20.3.1896 |
Schreinermeister |
5 |
Heinrich Josef Fassbender |
* 31.3.1832 † 6.10.1880 |
Rentner |
6 |
Johann Wilhelm Fassbender |
* 20.12.1821 † 06.2.1889 |
Metzger und Wirt |
7 |
Peter Josef Fassbender |
* 1.3.1836 † 26.9.1925 |
Metzger |
8 |
Franz Heinrich Frembgen |
* 17.4.1824 † 6.1.1875 |
Ackerer u. Hauderer |
9 |
Georg Wilhelm Hackenbracht |
* 21.8.1835 † 17.5.1889 |
Herbergswirt |
10 |
Friedrich Wilhelm Hannemann |
* 1831 † 1.8.1908 |
Schuhmacher |
11 |
Johann Peter Hess |
* 30.4.1840 † ? |
Maurer |
12 |
Franz Jäger |
* 15.12.1807 † 28.6.1879 |
Schreiner |
13 |
Ludwig Josef Klein |
* 18.3.1826 † 11.6.1894 |
Stellmacher |
14 |
Josef Klesing |
* 24.12.1834 † 18.10.1818 |
Maurermeister |
15 |
Friedrich Wilhelm Krey |
* 18.1.1845 † 04.3.1893 |
Händler |
16 |
Paul Josef Langen |
* 11.11.1827 † 02.11.1893 |
Wirt |
17 |
Peter Josef Langen IV. |
* 23.11.1822 † 1.3.1901 |
Landwirt |
18 |
Peter Josef Langen II. |
* 4.5.1814 † 15.5.1900 |
Kalkbrenner |
19 |
Johann Wilhelm Lomm |
* 1803 † 17.7.1871 |
Maurer |
20 |
Jakob Lutzem |
* 14.11.1832 † 29.1.1915 |
Wirt |
21 |
Mathias Josef Müller |
* 1.1.1836 † ? |
Klempner |
22 |
Wilhelm Müller |
* 26.5.1827 † 19.4.1908 |
Gastwirt |
23 |
Wilhelm Neukirchen |
* 1.1.1810 † 17.6.1875 |
Postexpediteur |
24 |
Christian Neukirchen |
* 3.6.1821 † 26.3.1901 |
Metzgermeister |
25 |
Johann Nonnen |
* 1816 † 11.2.1890 |
Kolporteur |
26 |
Ludwig Piens |
* ? † ? |
Schlossermeister |
27 |
Johann Risch |
* 12.9.1832 † 20.4.1886 |
Schuhmacher |
28 |
Ludwig Josef Saes |
* 27.4.1823 † 4.2.1893 |
Bäcker u. Wirt |
29 |
Franz Bernhard Hubert Schneider |
* 20.6.1832 † 21.11.1912 |
Landwirt |
30 |
Johann Peter Schneider |
* 21.6.1844 † 1907 |
Schuhmacher |
31 |
Engelbert Schneider |
* 2.11.1819 † 6.1.1893 |
Tambour Major |
32 |
Severin Josef Weil |
* 26.3.1829 † 21.4.1880 |
Schneidermeister |
Der Beruf des Kalkbrenners ist uns schon nicht mehr so geläufig.
Hauderer wurden damals die Lohnkutscher genannt, heute würde man sie als Taxifahrer bezeichnen. Als Kolporteur benannte man jemanden, der mit Büchern oder Zeitschriften hausierte.
Der Stellmacher baute hölzerne Wagen, Pflüge, Stalleinrichtung und Handwerksgerät. Die einst klassischen Handwerksberufe haben heute oft ihre Bedeutung verloren. Berufe wie Stellmacher und Sattler haben Namen und Arbeitsbereich geändert und sind nun Karosseriebauer und Raumausstatter. Der eine oder andere Beruf ist heute ausgestorben.
Das historische Schützenbild kann eine Fülle an Informationen liefern und zur weiteren Forschung anregen. Es erzählt uns Geschichten, gleichermaßen mit verschiedenen Betrachtungsweisen, nicht nur zum Vereinsleben, sondern auch zur Familienchronik.
Die Schützen aus dem Jahre 1870 mit ihren großen Familien haben zahlreiche Nachkommen, deren Namen in Remagen heute noch zu finden sind. Hier sind u.a. die großen Sippen der Langens, Fassbenders oder Kleins zu nennen. Auch sind die Schützenmitgliedschaften in einigen Familien über Generationen bis in die heutige Zeit traditionsgemäß übergeben worden.
Quellen:
Festschrift zur 450-jährigen Jubelfeier der St. Sebastianus-Schützen- Gesellschaft zu Remagen am Rhein, 12.,13, und 17. Mai 1928
Festschrift zur 475-jährigen Jubelfeier der St. Sebastianus-Schützen-Gesellschaft Remagen am Rhein e.V. von 1478 am 9. 10, und 14. Mai 1953
Familienbuch der kath. Pfarrei St. Peter und Paul Remagen 1649-1899
Für die freundliche Unterstützung bei den Nachforschungen danke ich Herrn Dr. Gerhard Hentschel, Sinzig-Bad Bodendorf, Frau Irmgard Langen, Remagen, für die Überlassung des Originalfotos, Herrn Karl Strang, Remagen, für die weitreichenden Informationen über das Schützenwesen sowie Herrn Kurt Kleemann, Stadt Remagen.