Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr:
Das Kurviertel im Wandel der Zeit
Hubert Rieck
Der engere Kurbezirk des Bades Neuenahr, zwischen 1903 bis 1913
„Von der Hauptstraße zweigen sich nun als größere Straßenzüge die Jesuiten-, Post- und Telegraphenstraße ab, die beiden Letzteren vereinigen sich vor der Ahrbrücke, welche die links- und rechtsseitigen Ortsteile verbindet … An diesem Vereinigungspunkte liegt die kleine, hübsche evangelische Kirche … Sobald die Brücke überschritten, gelangen wir in die Kuranlagen, und vor uns, inmitten des prachtvollen Parks, liegt das Kurhotel, ein großes im Tudor-Stil … erbautes schloßartiges Gebäude, das sich als ein Musterbau mit allem Komfort der Neuzeit darstellt.” Diese Schilderung aus „Griebens Reiseführer des Jahres 1911” ist in Teilen noch heute gültig. Denn die Kurgartenbrücke war und ist der markante „Eintrittspunkt” in den engeren Kurbezirk des Heilbades Neuenahr. Über diese Brücke – erstmals 1857, sodann 1872 und 1951 erbaut – gelangte man seit der Etablierung des Bades zu den attraktiven Zielen, die das Kurviertel prägten: Das Kurhaus mit dem Kurtheater (1905), der Mittelbau des Kurhotels im englischen Tudor-Stil (1859), das Kursanatorium (1899), „der Badetempel” (1899), die Kurkolonnaden, der Kurpark, die Heilquellen, die Trink- und Wandelhalle.
Gruppenbild auf der Kurgartenbrücke vom 31.7.1924
Doch neben so viel Kontinuität gab es im Laufe der vielen Jahrzehnte auch eine Vielzahl von Veränderungen. So erbaute man 1913/14 den Westflügel des Kurhotels mit dem imposanten Turm, der das Ensemble des Kurbezirks harmonisch ergänzte. Doch 1965 riss man jenen in Griebens Reiseführer so gelobten Mitteltrakt des Kurhotels ab, errichtete ein Gebäude der „neuen Sachlichkeit” mit „modernstem Komfort” und feierte dies als Ausdruck einer neuen „ästhetischen Architektur”. Die Kurkolonnaden sowie der Kurpark mit den Brunnenbezirken waren im Zeitenlauf immer wieder gestalterischen Veränderungen unterworfen, um den Gästen ein zeitgemäßes Ambiente zu bieten. Dass dennoch viele Elemente des historischen Kurviertels erhalten blieben, verdient Anerkennung, insbesondere die jüngst durchgeführte geschmackvolle Renovierung des Badehauses, des „Sitzes”, der „Sinfonie der Sinne”.
„Momentaufnahmen”
1924: Das Heilbad war dabei, sich von dem tiefen Absturz infolge des Ersten Weltkrieges, der nachfolgenden amerikanischen Besatzungszeit sowie der katastrophalen Inflation zu erholen. Die Kurgastzahlen waren mit ca. 2.800 „echten Gästen” auf den Stand von 1875 zurückgefallen. Die nun wieder häufiger nach Neuenahr reisenden Besucher flanierten, wie eh und je, auch zum „Eintrittspunkt” des Kurviertels. Vor der evangelischen Kirche standen wieder, wie eh und je, die mobilen Kurgastfotografen, die mit marktschreierischen Tönen „wunderschöne Gruppenaufnahmen” anboten. Sobald sich die Gäste mit Hilfe theatralischer Regieanweisungen des Fotografen richtig positioniert hatten, und der Lichtbildkünstler hinter der Abdeckung seines Kameragestells verschwunden war, sahen einige Neuenahrer „Pänz“ ihre Chance, die Massenaufnahme – wenngleich nur in den hinteren Reihen – durch ihre dezente Anwesenheit zu ergänzen.
1951: Wiederum war das Heilbad dabei, sich diesmal von der tiefsten Krise seiner Geschichte zu erholen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der nachfolgenden amerikanischen und französischen Besatzung, einer Not- und Mangelzeit, kam schließlich 1947 ein bescheidener Kurbetrieb in Gang. Die Etablierung der Spielbank in den Räumen des Kurhauses im Jahre 1948 beförderte Neuenahr wieder zu einem prosperierenden Badeort. Dies fand seinen Ausdruck in der Verleihung der Stadtrechte am 27. Mai 1951, mit den angeschlossenen Feierlichkeiten zur Einweihung des Gartenschwimmbades sowie der Übergabe der „neuen” Kurgartenbrücke. Aus jener Zeit stammt, rechts vor der Brücke, ein heute oftmals übersehener Holzwegweiser mit dem liebevoll geschnitzten Text: „Bitte Ruhe – Heilbad”.
Flaniermeile im Kurbereich nach der Umgestaltung, 2001
2001: Nach einer sehr aufwendigen Umgestaltung der Kurgartenbrücke und -straße sowie der Anlage des „Platzes von Braschaat” soll sich dieser Teil Bad Neuenahrs, so Bürgermeister Edmund Flohe und der 1. Beigeordneter Dr. Hans-Ulrich Tappe, zur „guten Stube” entwickeln. Unstrittig ist, dass diese Innovation im Orts-teil Neuenahr dringend notwendig war und die Attraktivität des Kurbezirks erhebliche steigert. Ebenso unstrittig ist jedoch, in Zukunft durch weitere Maßnahmen die geschickte Nutzung jener neuen „Flaniermeile” zu fördern, z.B. in Form eines Straßencafés, Veranstaltungen und durch die Zurückdrängung des Durchgangsverkehrs.
Promeniert man heute von der Martin-Luther-Kirche kommend über die weitausladende Kurgartenbrücke, biegt sodann links in Richtung Kurhaus und Sanatorium, so erblickt man die Säle der Spielbank, das stilvolle Gebäude der Casino-Verwaltung sowie die liebevoll restaurierte „Rütten-Villa”, die heute die „Tourismus & Service GmbH beherbergt. In einem ansprechenden Ambiente bietet jenes Service-Center eine breite Palette von Dienstleistungen für den Gast der Region Ahr, Rhein, Eifel an. Unmittelbar neben der „Rütten-Villa” befinden sich die modernen Ahr-Thermen, die attraktive Bade- und Erholungslandschaft der Gesundheits- und Fitnessregion. Vorbei am sprudelnden Casinobrunnen überqueren wir an der gleichnamigen Brücke die Ahr, verlassen den historischen Kurbezirk, jedoch nicht das gepflegte städtische Ambiente, denn die alten Baumalleen und schönen Wanderwege erstrecken sich kilometerweit in die verschiedensten Richtungen, erlauben entspannende Spaziergänge zu den Ortsteilen der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler mit deren vielfältigen Sehenswürdigkeiten.