Johann Anton Joseph Hansen (1801-1875) aus Quiddelbach

Seelsorger, Politiker, Heimatforscher

Walter Schmitz

Der Name Johann Anton Joseph Hansen sagt den Eifelbewohnern im Raum Adenau und Umgebung heute vermutlich nichts mehr. Nur noch einige Historiker und passionierte Heimatforscher verbinden wohl Vorstellungen mit ihm. Häufiger begegnet man seinem Namen dagegen im Saarland, besonders in der Stadt Ottweiler, wo sogar eine Straße und eine Schule nach ihm benannt wurden. Im Sommer des Jahres 2001 hat das Dorf Quiddelbach den 200. Geburtstag von Hansen aber zum Anlass genommen, um an den Seelsorger, Geschichtsforscher, Autor und Politiker zu erinnern, den dieses Dorf hervorgebracht hat. Nachfolgend soll sein interessanter und ungewöhnlicher Lebensweg dargestellt werden.

Johann Anton Joseph Hansen (1801 - 1875)

Herkunft, Kindheit, Studien 

Johann Anton Joseph Hansen erblickte am 10. Juli 1801 in Quiddelbach am Fuße der Nürburg als Sohn des Försters Friedrich Hansen und seiner Ehefrau Anna Maria geborene Braun das Licht der Welt. Er hatte vier Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Wie damals üblich, wurde er bald nach der Geburt getauft. Taufpate war am 11. Juli 1801 in der Pfarrkirche zu Adenau Anton Sturm, der in den Jahren von 1797 bis 1803 die in Quiddelbach eingerichtete Frühmessnerstelle bekleidete. Hansen besuchte die schon im Jahre 1779 gegründete Dorfschule. Als Kind aus einem Dorf, das knapp 200 Einwohner zählte, hätte er wohl nie studieren können, wenn nicht der damalige Adenauer Kaplan Vinzenz Hellenthal seine ungewöhnliche Begabung erkannt und ihn deshalb durch Privatstunden auf die Aufnahmeprüfung der Universität vorbereitet hätte. Nach Abschluss seiner Schulausbildung und bestandener Aufnahmeprüfung schrieb sich Hansen zuerst an der Universität Köln für Philosophie ein. Da ihm dieses Studium jedoch nicht zusagte, kehrte er bald in seine Heimat zurück und nahm in Adenau am dortigen Landratsamt für kurze Zeit eine Stelle an. Einen zweiten Anlauf zum Studium unternahm er in Bonn, wo er sich an der neuen Universität im Fach Geologie versuchte. Auch dieses Studium brach er nach kurzer Zeit wieder ab und fasste den Entschluss, am Pries-terseminar in Trier Theologie zu studieren. Nach erfolgreichen Studien wurde er am 19. März 1825 von seinem Gönner und väterlichen Freund Bischof Josef von Hommer zum Priester geweiht.

Priester, Geschichtsforscher, Reformer 

Der junge Theologe erhielt seine erste Stelle als Kaplan in der Eifelstadt Mayen zum 1. April 1825. Dort entdeckte er wohl seine Leidenschaft, der er einen großen Teil seines Lebens widmen sollte: Die Erforschung der Heimatgeschichte. In den 18 Monaten seiner Kaplanstätigkeit in Mayen sichtete und erschloss er die städtischen Urkunden und Unterlagen für die Nachwelt. Seine Aufzeichnungen „Bei-träge zur Geschichte und Beschreibung der Stadt Mayen” veröffentlichte Hansen 1828 in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Chronik der Diözese Trier”.

Studienrat E. Nick, der sich intensiv mit dem Leben von Hansen beschäftigt hat, bezeichnet ihn als den ersten Geschichtsschreiber von Mayen.

Am 1. Oktober 1826 kehrte Hansen nach Trier zurück, wo er bis zum Jahre 1832 als Dompsalterist, Rechnungsrevisor, Schulinspektor und Seelsorger im Landarmenhaus und der Strafanstalt tätig war. Neben diesen offiziellen Ämtern war er wohl auch noch persönlicher Sekretär des Bischofs. Dieser unterstützte den Plan Hansens, eine „historisch topografisch-statistische” Beschreibung der gesamten Diözese Trier zu erstellen.

Hansen schloss sich um 1828 einer kirchlichen Reformbewegung von Geistlichen der Trierer Diözese an, die u.a. die Abschaffung des Zölibats und des Breviergebetes forderten. Sie waren für die Einführung des deutschen Kirchengesangs und die Mitwirkung der Pfarrgeistlichkeit bei der Verwaltung der Bistümer. Der regsame und schnell für eine Sache begeisterbare Hansen wurde einer der führenden Köpfe der Reformbewegung.

Im Jahre 1831 veröffentlichte er unter dem Pseudonym „Junius Sempronius Graccus” den programmatischen „Aufruf an die Geistlichkeit Deutschlands zur thätigen Teilnahme an der durch sie zu bewirkenden höchst noth-wendigen kirchlichen Reform”. Eine Reihe weiterer Schriften ließ Hansen in wenigen Monaten erscheinen. Im August 1832 zog sich Hansen aber wohl auf Drängen des Bischofs aus der kirchlichen Reformpartei zurück.

Um ihn vom Zentrum der Bewegung zu entfernen, wurde er am 3. November 1832 als Pfarrer nach Lisdorf bei Saarlouis versetzt.

In Lisdorf widmete sich Hansen ausschließlich seiner seelsorgerischen Aufgabe und seinen historischen und heimatkundlichen Studien. Von reformerischen Plänen und Bestrebungen ist während dieser Zeit nichts zu bemerken.

Im Jahre 1835 gründete er die erste Landwirtschaftsschule. Bei seinen Pfarrkindern war er so bliebt, dass sich bei seinem Wegzug nach Ottweiler 1838 ein Volksauflauf bildete, der sich gegen den Abtransport seiner Möbel stellte.

Seine neue Stelle in der Pfarrei Ottweiler trat Hansen am 10. April 1838 an. Schon bald übernahm er das Amt des Schulinspektors und entfaltete auf kirchlichem Gebiet eine rege Tätigkeit. 1843 rief er einen Kölner Dombauverein ins Leben. 1844 verfasste er zwei Broschüren anlässlich der Ausstellung des heiligen Rocks in Trier. 1845 gründete er einen der ersten Borro-mäusvereine sowie eine Herz- Maria-Bruderschaft. 1846 feierte er die 300. Wiederkehr der Eröffnung des Tridentinischen Konzils. Diese Aktivitäten im kirchlichen Bereich verbesserten sein Verhältnis zur Amtskirche. Das Misstrauen, das noch eine Zeitlang bestanden hatte, war nach einer Aussage des damaligen Generalvikars völlig beseitigt.

Politiker 

Hansen organisierte aber auch in dieser Zeit Veranstaltungen mit politischem Charakter: 1841 eine Feier aus Anlass der 25-jährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zu Preußen.

Bereits 1837 hatte er zum 40jährigen Regierungsjubiläum von Friedrich Wilhelm III zwei Broschüren mit den Titeln „Unser Vaterland” und „Die wichtigsten Beziehungen des bürgerlichen Lebens” verfasst, die an den Schulen des Regierungsbezirks Trier zu Unterrichtszwecken verwendet wurden. Für diese Äußerungen von vaterländischer Gesinnung wurde ihm von König Friedrich Wilhelm IV. eine goldene Erinnerungsmedaille verliehen. Hansen wurde am 22. Mai 1842 sogar von Friedrich Wilhelm IV. dem damaligen Kronprinzen empfangen. Von Berlin erhielt er außerdem 1842 einen Postfreipass, damit er seine landeskundlichen Studien ungehindert ausüben konnte.

Ermuntert durch diese Ehrungen, bemühte sich Hansen um eine höhere Stellung. Er hoffte auf eine Tätigkeit in Trier, Koblenz oder Köln. Voller Optimismus schrieb er an Landrat Georg Bärsch: „Dadurch käme ich wieder an die Urkunden und könnte arbeiten nach Herzenslust”.

Durch seine politische Betätigung verhinderte er jedoch seine als sicher geltende Beförderung.

Nach den Aufständen vom März 1848 wurde Hansen in die preußische Nationalver-sammlung gewählt. Hier vertrat er einen solch schroffen revolutionären Radikalismus, dass eine weitere Förderung durch Staat und König undenkbar wurde.

Hansen zählte anfangs zur „Äußersten Linken“, trat jedoch sehr rasch der Partei Rodbertus bei, der „Gemäßigten Linken”, der er bis zur Auflösung der Nationalversammlung angehörte.

Er bekannt sich lautstark und öffentlich zu den Grundsätzen einer demokratisch konstitutionellen Monarchie. In seinen Briefen aus der Nationalversammlung, die in Buchform von Karl Schwingel 1931 veröffentlicht wurden, bekennt sich Hansen dazu: „Ich sitze auf der Seite des Rechtes und der Freiheit des Volkes, unbekümmert um Gunst und Ungunst der Menschen. Ich verlange aber auch vom Volk keinen Dank. Ich werde auf seiner Seite bleiben und werde meine Grundsätze und das Volk nicht aufgeben, so schwach auch meine Kräfte sein mögen.”

In einen Loyalitätskonflikt geriet Hansen im Oktober 1848 als das Parlament darüber beriet, aus dem Titel des nun konstitutionell regierenden Königs den Zusatz „Von Gottes Gnaden” zu streichen. Hansen stimmte für den Wegfall des Zusatzes, weil der König keine anderen Rechte habe als die ihm vom Volk bewilligten. Am 31. Oktober 1848 beschloss das Parlament mit der Stimme von Hansen adelige Titel, Prädikate und Orden abzuschaffen. Die Lage in Berlin spitzte sich dramatisch zu. Die Abgeordneten wurden mit Gewalt von ihrem Tagungsort vertrieben, Sitzungen wurden durch Militärgewalt verhindert.

Hansen schrieb nach Ottweiler: „Es heißt, der König wolle kurz und gut eine Konstitution proklamieren, wahrscheinlich eine solche, die er mit seiner Kamarilla, aber nicht mit den Vertretern des Volkes vereinbart hat. Wir werden sie nicht annehmen. Wir wollen unsere Freiheit als ein Recht und nicht als eine Gnade, als einen Brocken, der für Hunde von des Herren Tisch fällt. Das Volk wird nicht nach dem Brocken schnappen. Es lebe die Freiheit! Es lebe das Vaterland! Gott mit uns im Siege und im Tode!“

Hansen behielt Recht: Am 5. Dezember 1848 verkündete der König und seine Regierung eine neue Verfassung, gleichzeitig wurde die Nationalversammlung für aufgelöst erklärt.

Nach seiner Rückkehr nach Ottweiler wurde Hansen zwar noch einmal wiedergewählt, er begann sich jedoch von der aktiven politischen Betätigung zurückzuziehen. Den eigentlichen Anstoß zur stärken Besinnung auf seine seelsorgerischen Aufgaben haben vermutlich Störungen der Fronleichnamsprozession im Jahre 1853 bewirkt. Der zunächst sehr revolutionäre Priester widmete sich ganz seiner Pfarrgemeinde.

Seelsorger und Vereinsgründer

Am 2. Dezember 1855 versammelte er die Arbeiter seiner Pfarrei und gründete die St. Barbara Bruderschaft, der sofort 147 Arbeiter beitraten. Aus seinen Erfahrungen als Seelsorger im Landarmenhaus und der Strafanstalt in Trier kannte er die sozialen Nöte der Arbeiterschaft und der Armen in der Bevölkerung. Der stark angewachsenen Industriebevölkerung sollte die Bruderschaft eine religiöse Stütze sein. Um das religiöse Leben der Arbeiterschaft zu vertiefen, verfasste er ein ihrem Denken und Beten angepasstes Gebetbuch mit dem Titel: „Glück auf in Christo Jesu”.

1859 gründete Hansen den ers-ten Knappenverein an der Saar, der seinen Vorstellungen entsprechend die gesellige und intellektuelle Seite des Lebens der Berg- und Hüttenarbeiter pflegen helfen sollte.

Ein besonderes Augenmerk richtete Hansen auf Gründung und Weiterführung katholischer Volksschulen sowie die Weiterbildung des Klerus. Auf seine Initiative hin erfolgte die Herausgabe des ersten Bistumsblattes in Trier. Er engagierte sich unermütlich im kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Leben seiner Pfarrei.

Hansen erfuhr 1866 mit der Ernennung zum Dechanten die von ihm lang ersehnte Wiedergutmachung durch die Amtskirche. Auch seine Tätigkeit als Schulinspektor durfte er wieder ausüben.

Durch den preußischen König wurde ihm für seine Verdiens-te um die Heimatforschung der Rote Adlerorden IV. Klasse verliehen.

Aktualität und Weitsichtigkeit des Priesters dokumentieren sich in dem 1870 erschienen Werk „Katholizismus und Protestantismus und Konzil – Aufruf zur Wiedervereinigung”.

Hansen war sehr produktiv. Er verfasste 75 Bücher und Artikel, davon sehr viele, die sich mit Geschichte, Heimat- bzw. Landeskunde befassten. In einem Vortrag des von ihm geleiteten „Verein für Geschichte und Altertum” betonte er in Ottweiler die Zielsetzung dieser Arbeiten: „Durch genaue historische und antiquarische Erfassung des Heimatgebietes soll die Liebe zum gemeinsamen Vaterland bekundet werden. Anhand der Geschichte soll der stete Fortschritt der Menschheit auch im Kleinen bis auf unsere Tage herab bekannt werden.”

Am 19. März 1875 konnte Dechant Anton Joseph Hansen noch sein Goldenes Priesterjubiläum feiern. Er starb kurz darauf am 3. Mai 1875 im Pfarrhaus zu Ottweiler.

Richard Noack charakterisierte ihn folgendermaßen: „Streng kirchlich und doch lebensoffen, überhaupt von großen Gegensätzen beherrscht, von schöner Erscheinung, begabt, gewandt und lebhaft, übte er auf seine Mitmenschen einen starken Einfluss aus.”

Literatur: