In Erinnerung an Max Barthel (1893 - 1975)
Der Dichter lebte 21 Jahre in Bad Breisig
Jo Klerings
Am 10. Juni 2000 veranstalteten die Breisiger Männergesangvereine „Liedertafel" und „Sängerbund" mit Unterstützung der Kurverwaltung Bad Breisig in der Oberbreisiger Sängerhalle eine Gedächtnisfeier, um an das Leben und Schaffen des Dichters Max Barthel (1893 - 1975) zu erinnern. Die Sänger betrachteten dies als eine ehrenvolle Aufgabe, aber auch als eine Herzenssache, weil Max Barthel bis kurz vor seinem Tod am 17. Juni 1975 in Bad Breisig gelebt und hier auf dem Elzenberg wunderbare Gedichte geschrieben hat, von denen so viele vertont wurden und bis heute immer wieder von Chören gesungen werden.
Arbeiterdichter
Max Barthel wird von der Literaturkritik zu den Arbeiterdichtern gerechnet, die alle aus der Arbeiterschaft stammten, Themen der Arbeitswelt aufgriffen, vor allem aber die Belange der Arbeiter auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Es waren Männer mit einfacher Volksschulbildung, die auszogen, die Welt des Wortes zu erobern. Das notwendige Wissen hierzu eigneten sie sich selber an. Das Leben und die Arbeitswelt waren ihre Schule und Universität.
„Verse aus den Argonnen" machten Max Barthel 1916 mit einem Male bekannt. „Ein Mann mit einer eigenwüchsigen Sprachkraft … eine ehrfürchtige Seele", urteilte Theodor Heuß in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „März". – Und Lulu von Strauß und Torney schrieb: „ …Es ist ein ganz innerliches Buch … und so redet denn aus diese Versen auch nicht etwa Kampfeszorn und Waffenfreude, sondern tiefstes Leid um die blinde, verblutende Menschheit, und heißes, seelisches Ringen, dieses Leid innerlich zu überwinden".
Der Dichter Max Barthel
Jugend, Wandern, Erfahrungen
Max Barthel wurde am 17. November 1893 in Dresden– Loschwitz als Sohn eines Maurers geboren. In seiner Jugend war bittere Not alltägliche Erfahrung, denn der Vater starb früh, und die Mutter hatte für sechs Kinder zu sorgen. Mit 14 Jahren wurde er Fabrikarbeiter und trat gleichzeitig der sozialistischen Arbeiterjugend bei, deren idea-listische Ziele ihn anzogen. Die Sehnsucht nach der Ferne trieb ihn schon früh auf die Wanderschaft. Im Alter von 17 bis 21 Jahren durchwanderte er Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien, die Niederlande, Belgien und Frankreich.
Die eigene Not in Kindheit und Jugend und das Elend der Anderen, das ihm allüberall begegnete, waren bittere Erfahrungen, die sich unauslöslich in seine Seele einbrannten, und sich auch in seinen Gedichten niederschlugen. Er bäumte sich gegen die Miss-stände. Aber es war keine Meuterei, es war eine geistige Rebellion. Dem Schrei nach Befreiung, nach Umbruch und Gerechtigkeit, steht immer Sehnsucht nach Menschlichkeit, nach Brüderlichkeit zur Seite, – an das Goethische Postulat erinnernd „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut…".
Und in der Tat, Max Barthel, der viel gelesen und viel Wissen sich erarbeitet hatte, war stark an Goethe orientiert. So konnte Ludwig Lessen 1920 in der Zeitschrift „Die neue Zeit" treffend feststellen: „Barthels Persönlichkeit ist an zwei Erscheinungen gewachsen, am Sozialismus und an Goethischer Menschheitsvertiefung".
Die Jahre nach dem ersten Weltkrieg waren bei Max Barthel von ungeheurer Schaffenskraft geprägt. „Freiheit", „Arbeiterseele", „Die Faust" und „Lasset uns die Welt gewinnen", sind einige in dieser Zeit erfolgten Veröffentlichungen. Und in all diesen Werken stehen harte Situationsschilderungen und Anklage auf der einen Seite; Barthel schuf aber auch zarte Verse der Naturverbundenheit. Der Dichter hatte die Fähigkeit, das Schwere in Poesie zu versetzen und zu überwinden.
Illusionen und Enttäuschungen
Max Barthel war immer suchenen Herzens, war immer von der Vision einer besseren, einer brüderlichen Welt beseelt. Viele Enttäuschungen musste er bei dieser Suche erfahren. In Russland traf er in den 1920er Jahren mit Gorki und Lenin zusammen, er lernte sie kennen die Männer, die Weltgeschichte machten, – kennen, aber auch erkennen – und war zutiefst enttäuscht. Auch die 1933 in Deutschland anbrechende Zeit des Nationalsozialismus, anfangs von Max Barthel voll Hoffnung begrüßt, erwies sich bald als große Illusion. Er ließ sich jedoch ebenso wie andere Dichter vereinnahmen. Er „blieb jedoch Dichter", wie der Literaturwissenschaftler Gero von Wilpert im Lexikon der Weltliteratur konzedierte. Gemeinsam mit dem Arbeiterdichter Heinrich Lersch verfasste er z.B. zum 1. Mai 1935 für die Koblenzer „Thingstätte" vor dem Schloss das Thingspiel „Lob der Arbeit".
Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Max Barthel im heimatlichen Dresden, dessen Zerstörung er miterleben und miterleiden musste, von der sowjetischen Besatzungsmacht Schreibverbot. Mit einem Rucksack als einzigem Gepäck machte er sich darum 1948 auf den Weg nach Westen.
Haus im Niederbreisiger
Elzenberg„Wenn Du ins Rheinland kommst", hatte ein Freund zu ihm gesagt, „suche Niederbreisig auf, dort habe ich einen guten Bekannten, den Du von mir grüßen kannst".
Und Max Barthel kam ins Rheinland und nach Niederbreisig. Er richtete auch die Grüße seines Freundes an dessen Bekannten aus. Dieser Bekannter war Güjo Gückelhorn.
Durch diesen lernte er den Apotheker Karl Clemens kennen, der ihm eine Notunterkunft am Elzenberg anbot und gleichzeitig den Ausbau derselben. Wie glücklich Max Barthel hierüber war, hat er in seiner Autobiographie „Kein Bedarf an Weltgeschichte" festgehalten: „Der Wind kam vom Westerwald über den Rhein und wehte auch am Elzenberg. Ich lag im Lehnstuhl unter einem blühenden Baum am Hang oberhalb der Straße. In der Sonne leuchtete das Haus, das mein gastlicher Wirt Clemens gebaut hatte. Die Frau und die Kinder würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen; dieses steinerne Märchen der Wirklichkeit, ein Haus! – Mit dem Rucksack auf dem Buckel war ich hergekommen…"
Und hier in diesem Haus am Breisiger Elzenberg hat Max Barthel dann 21 Jahre gelebt, hat den Rhein besungen und viele Gedichte geschrieben, unter anderem wunderschöne Kinderlieder in dem Buch „Es kommt der Star in jedem Jahr". Eine heiter-gelöste Welt tut sich da auf; aus dem Suchenden war ein Weiser geworden, weil sein Herz immer demMenschen offen war.
Trotz eigener materieller Sorgen engagierte sich Max Barthel für die Nachkriegsliteratur in Rheinland-Pfalz. Als erster Vorsitzender des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller Rheinland-Pfalz setzte er sich für die Förderung seiner Dichter-Kolleginnen und Kollegen auf vielfältige Weise ein.
Max Barthel starb am 17. Juni 1975 und wurde auf dem Bad Breisiger Waldfriedhof bestattet. Auf Wunsch der Familie wurden seine Urne allerdings inzwischen nach Winterscheid, Gemeinde Ruppichteroth umgebettet.
Literatur:
Hüser, Fritz (Hrsg.):Max Barthel, Dortmund 1959.