Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Dorfes Ramersbach
Rudolf Leisen
Ansicht von Ramersbach, 2000
Mit diesem Beitrag sollen Aspekte der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Dorfes Ramersbach, das 1992 sein 1000jähriges Bestehen feiern konnte, anhand von einigen ausgewählten statistischen Angaben und Daten vorgestellt werden. In den Grundzügen gelten diese Feststellungen auch für andere Dörfer vergleichbarer Größe in unserer Gegend.
Vom Bauerndorf zum Stadtteil
Noch bis in die fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts bildeten die Erträge aus Landwirtschaft und Waldnutzung für die Mehrheit der Dorfbewohner die Lebensgrundlage. Deshalb bestimmten auch die Landwirte das Dorfgeschehen bis hinein in den politischen Raum.
Seit den 1950er Jahren gingen dann die landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe stetig zurück, obwohl der verstärkte Einsatz von Landmaschinen eine große Erleichterung bei der Feldarbeit mit sich brachte, was insbesondere zur Bewirtschaftung der größeren Flächen hilfreich war, welche durch die Flurbereinigung entstanden. Bei der Frühjahrsbestellung 1952 hatte Paul Harz (Leye Paul) als erster Landwirt in Ramersbach einen Traktor im Einsatz. Diesem Beispiel folgten bald weitere Landwirte, womit die Zeit der Kühe, Ochsen und Pferde als Zugvieh zu Ende ging.
Immer mehr Dorfbewohner schafften sich zudem ein Motorrad oder Auto an, sie wurden mobiler. Auswärtige Arbeitsplätze in der Kreisstadt und sogar im weiteren Umkreis wurden leichter erreichbar und attraktiv, da sie sichere Einnahmen versprachen. Dies hatte zur Folge, dass nach und nach landwirtschaftliche Betriebe ganz aufgegeben oder nur noch als Nebenerwerbsbetriebe geführt wurden. Von den 42 Vollerwerbsbetrieben im Jahre 1953 besteht heute keiner mehr.
Die Traktoren aus den 1950er und 1960er Jahren kommen zum Teil noch bei der Waldarbeit oder kleineren Fahrten im Dorf zum Einsatz, doch der Tagesablauf in den früheren Jahren ist vielen Zeitgenossen heute kaum noch vorstellbar.
Landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe in Ramersbach
1907 |
1927/28 |
1939 |
1953 |
2000 |
54 |
59 |
38 |
42 |
0 |
Grundlegend gewandelt hat sich auch die Berufsstruktur des Dorfes. So hat sich Ramersbach vom fast reinen Bauerndorf zu einem Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler mit einer Vielzahl unterschiedlichster Berufe entwickelt.
Für die bis 1970 selbstständige Gemeinde Ramersbach brachte die Eingliederung in die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gravierende Veränderungen. Vormals vom Dorf zu erledigende Aufgaben obliegen jetzt der Stadt.
Eine weitere Zäsur im Dorfleben bedeutete die Auflösung der Dorfschule im Jahre 1974. Dadurch sind auch die Grundschüler zu Fahrschülern geworden und müssen täglich mit dem Schulbus nach Ahrweiler fahren. Im Gegensatz zu früheren Generationen gibt es heute keinen Lehrer mehr im Dorf, der z. B. das Dorfgeschehen in einer Chronik festhält.
Die Urfamilien
Viele Familien des Dorfes sind schon seit Jahrhunderten hier ansässig. So lebten von den bereits im Weistum von 1589 erwähnten Familien Harz (Hartz), Hollen (Hollenbleser), Manten (Frenz Manten, eidom), Schäfer (Scheffers), Schupp (Zopen) und Schumacher (schuhemacher) Ende 1999 im männlichen Stamm hier noch die Familien Harz, Manten, Schäfer und Schumacher.
Aus den zwischen 1700 bis 1900 hier vorkommenden Familiennamen sind heute im männlichen Stamm noch die Familien Bockshecker, Engel, Hergarten, Mies, Schüller, Thelen und Wichterich in Ramersbach vertreten.
Zu den bodenständigen ortsansässigen Familien, die zumeist sippenmäßig untereinander verbunden waren, kamen zunächst durch Einheirat von außerhalb Ortsfremde hinzu. In diesem Zusammenhang ist es reizvoll, auch die veränderten Voraussetzungen bei der Gattenwahl näher zu betrachten.
So waren bei den 480 zwischen 1701 und 1940 in Ramersbach geschlossenen Ehen 196 Ehepartner von auswärts. Der Anteil lag damit bei etwa 40 Prozent. Heute beträgt er dagegen etwa 98 Prozent. Nach 1945 gab es dann verstärkt Zuzüge von ganzen Familien.
Entwicklung der Einwohnerzahlen zwischen 1662 und 1999
1662 |
1730 |
1783 |
1828 |
1900 |
1938 |
1948 |
1960 |
1965 |
1970 |
1984 |
1990 |
1998 |
1999 |
110 |
200 |
227 |
270 |
268 |
271 |
239 |
253 |
319 |
396 |
556 |
534 |
646 |
654 |
Das Durchschnittsalter der Bewohner von Ramersbach betrug im 18. Jahrhundert lediglich 34 Jahre. Es hat sich bis heute auf über 70 Jahre erhöht. Die geringe Lebenserwartung früherer Zeit hängt u.a. mit der hohen Kindersterblichkeit und dem oft frühen Tod von Müttern zusammen. So starben im Jahre 1728 allein 6 Kinder im Monat März, 1751 waren es 11 Kinder im Monat Mai, 1795 sind 8 Kinder innerhalb von 14 Tagen verstorben, 1830 waren es 21 Kinder unter 14 Jahren und 1870 starben in den ersten drei Monaten 12 Kinder. Mangelnde Hygiene, Ansteckung durch Kinderkrankheiten, die „von Haus zu Haus weitergegeben wurden", waren die Hauptursachen für den frühen Tod der Kinder.
Bestand an Wohngebäude zwischen 1735 und 1999
1735 |
1736 |
1783 |
1900 |
1933 |
1965 |
1987 |
1999 |
37 |
2 |
57 |
59 |
62 |
70 |
169 |
218 |
Dass es 1736 nur noch zwei Wohngebäude in Ramersbach gab, hängt mit dem großen Dorfbrand vom 9. April 1736 zusammen, bei dem fast sämtliche Gebäude ein Raub der Flammen wurden. Doch bereits 1783 hatte Ramersbach wieder 57 Häuser. Die Zahl der Wohngebäude war im Zeitraum zwischen 1783 und 1900 fast konstant geblieben. Auch die Einwohnerzahl hatte nur geringfügig zugenommen.
Erst mit der verkehrsmäßigen Erschließung des Dorfes, der größeren Mobilität der Bewohner und der damit gestiegenen Verdienstmöglichkeiten, kam es verstärkt zu weiteren Baumaßnahmen. Dies zeigte sich besonders durch den Anstieg der Einwohner und der Gebäude seit den 1970er Jahren. Zuzüge und „Häuslebauer" von auswärts nutzten zudem die günstigen Baulandpreise und die ruhige Höhenlage.
Telefonanschlüsse
Im November 1908 wurde in Ramersbach die erste öffentliche Fernsprechstelle eingerichtet. Damals gab es Dorfbewohner, die sahen hierin ein „Teufelswerk" und im Wandtelefon, in das gesprochen wurde und aus dem die Stimme des Gesprächsteilnehmers ertönte, einen „Deuwelskasten". 1943 gab es im Dorf erst 4 Privatanschlüsse. Inzwischen hat sich die Zahl der Telefonanschlüsse auf über 240 erhöht, womit nun jedes Haus in Ramersbach telefonisch erreichbar ist.
Die Energieversorgung
Zur Wasserversorgung der Bewohner gab es bis 1911 im Dorf nur zwei öffentliche und vier private Brunnen. Zudem befand sich in der Dorfmitte ein Brandweiher. 1911 erhielt Ramersbach seine erste zentrale Wasserleitung. Die Versorgung mit elektrischem Strom erfolgte 1924. Seit 1996 ist Ramersbach auch an die zentrale Kläranlage angeschlossen und wird inzwischen sogar mit Ferngas versorgt.
Das Dorfleben heute
Das Leben auf dem Dorf bietet - sieht man von den begrenzten Einkaufsmöglichkeiten im Dorf ab - alle Annehmlichkeiten moderner Infrastruktur. Vorhanden sind an öffentlichen Einrichtungen u. a. Kirche, ein dörfliches Gemeinschaftshaus in der ehemaligen Schule, ein Sportplatz und ein moderner Kindergarten.
Ausdruck der Dorfgemeinschaft, in die selbstverständlich auch die Neubürger integriert sind, ist das rege Vereinsleben. So besteht der örtliche Möhnenverein nahezu 30 Jahre. Der Sportverein SV 80 bietet ein breitgefächertes Angebot für alle Altersgruppen. Als jüngster Verein wurde 1992 die Bürgergesellschaft gegründet. Alle Vereine tragen dazu bei, dass Ramersbach ein lebendiges Dorf mit Zukunft ist.
Quellen:
Landeshauptarchiv Koblenz Best. I.c.F. 37;
Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Best. Jülich Berg Nr. 2143
Rudolf Leisen: Chronik von Ramersbach und der Gemeinde Heckenbach 892-1992. Ramersbach 1992.
Bruderschaftslisten von 1745, 1750 und 1860.