Die Schulen auf dem Calvarienberg und auf Nonnenwerth Zur Stellung der privaten katholischen Schule in Staat und Gesellschaft

Dr. Michael Riemenschneider

Im Kreis Ahrweiler gibt es zwei Schulen in privater katholischer Trägerschaft, die Schulen auf dem Berg und auf der Insel, d. h. das Gymnasium und die Realschule der Ursulinen auf dem Calvarienberg und das Gymnasium der Franziskanerinnen auf der Insel Nonnenwerth. Was unterscheidet nun diese katholischen Schulen von den anderen staatlichen Gymnasien und Realschulen? Im Schulalltag sind sich wahrscheinlich weder Schülerinnen und Schüler noch Lehrerinnen und Lehrer sehr bewusst, dass sie eigentlich an ganz besonderen Schulen lernen bzw. lehren.

Diesem Besonderen, der Eigenart einer katholischen Privatschule soll an dieser Stelle nachgegangen werden. Dass es sich um etwas Besonderes handelt, wird allein schon im Zahlenvergleich deutlich. In Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt 136 Gymnasien, davon sind 22 private Gymnasien, davon 17 katholische und davon wiederum 8 Mädchen-gymnasien. In ganz Deutschland gibt es im übrigen 208 private, katholische Gymnasien und davon wiederum 54 Mädchengymnasien. Die Stellung der Privatschulen im

Grundgesetz

Was sagt das Grundgesetz zu den Privatschulen? Dort heißt es in Art 7 (4) GG: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schule bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist." Das heißt zunächst einmal, jeder kann private Schulen errichten. Ergänzungsschulen, deren Bildungsziele andere sind als die von öffentlichen Schulen, (z. B. Sing-, Mal-, Sport- oder Fahrschulen) bedürfen also nicht der staatlichen Genehmigung zu ihrer Errichtung, unterstehen aber sehr wohl in unterschiedlichen Maße der staatlichen Aufsicht. Nur die privaten Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der staatlichen Genehmigung zu ihrem Betrieb. Hier handelt es sich um solche Ersatzschulen.

Schülerinnen und Schüler auf dem Calvarienberg, 2000

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben sehr zu Recht diese Genehmigung an vier Bedingungen geknüpft:

  1. Die Ersatzschule darf in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den öffentlichen Einrichtungen zurückstehen; d. h. beispielsweise dass die angewandten Lehrpläne nicht weniger als die der öffentlichen Schulen verlangen dürfen.

  2. Außerdem gilt dieses „Nichtzurückstehendürfen" für die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Lehrkräfte; d. h. die Qualifikation der Lehrer und Lehrerinnen muss der der staatlichen Schulen entsprechen.

  3. Sodann darf sie die Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen nicht fördern, womit in der Praxis gemeint ist, dass die Schule sich nicht durch ein hohes Schulgeld gesellschaftlich im Sinne einer Standesschule abkapseln und den Besuch der Schule nur Kindern reicher Eltern ermöglichen darf.

  4. Letztlich muss die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte gesichert sein; eine sinnvolle Vorsorge der Verfassung, dass der Schulträger seine Lehrer nicht schlechter bezahlt als der Staat; denn es ist durchaus denkbar, dass sich sonst an privaten Ersatzschulen nur Lehrer zweiter Klasse einfinden, die beim Staat keine Chance haben und auch nur in der Lage sind, zweitklassigen Unterricht zu halten, und die der Träger daher glaubt, auch schlechter bezahlen zu können.

Demjenigen, der als Schulgründer bzw. späterer Schulträger diese Voraussetzungen erfüllt, heißt es im GG, ist die Genehmigung zu erteilen; der Staat hat also dann keinen Ermessensspielraum, ob ihm der Träger genehm ist oder nicht; er muss die Genehmigung erteilen.

Staatlich anerkannte Privatschulen sind solche, die die genannten Voraussetzungen dauerhaft erfüllen und kraft dieser staatlichen Anerkennung auch nach den staatlichen Vorschriften Zeugnisse erteilen und Prüfungen abhalten dürfen, im Gegensatz zu staatlich nicht anerkannten Privatschulen, die zwar einen Ersatz für den Besuch einer öffentlichen Schule bieten, aber keine Prüfungen abhalten dürfen. Diese muss man vielmehr vor einer staatlichen Kommission bzw. extern an einer staatlichen Schule ablegen. Die vier staatlichen Vorgaben sind selbstverständlich als Mindestmaßstäbe für Ersatzschulen gedacht, d. h. die Ersatzschulen müssen den öffentlichen Schulen mindes-tens gleichwertig sein, sonst können sie sie logischerweise nicht ersetzen. Gleichwertigkeit bedeutet aber nicht Gleichartigkeit. Der Mindestmaßstab der Gleichwertigkeit eröffnet hier einen ungeahnten Freiheitsraum für die Privatschulen. Sonst würde die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zur Gründung einer Privatschule auch keinen Sinn machen, wenn nur unter einem anderen Etikett unterrichtet würde, wenn es sich nur um eine staatliche Schule in freier Trägerschaft handeln würde. Kein Träger wäre da-ran interessiert, dem Staat nur die Arbeit abnehmen zu wollen, wenn er nicht eigene Intentionen einbringen könnte, wenn er seiner Schule nicht ein besonderes Profil, sei es weltanschaulich, religiös oder pädagogisch, geben könnte.

Der liberale Rechtsstaat darf sich aber nicht nur auf die an Bedingungen geknüpfte Erlaubnis zur Einrichtung von Privatschulen beschränken. Er darf nicht nur ein Grundrecht einräumen, das materiell gar nicht in Anspruch genommen werden kann, weil niemand das nötige Geld für einen ordentlichen Schulbetrieb hätte, zumal die Finanzierung durch Schulgeld praktisch ausscheidet. Es wäre ein nutzloses Grundrecht, eine wertlose Garantie, wenn der Staat sich nach der erteilten Gründungserlaubnis zurückziehen würde. Aus der Interpretation des Grundgesetzes ergibt sich vielmehr die Verpflichtung des Staates, die Privatschule zu schützen, zu fördern und sie auch finanziell zu unterstützen, z. B. durch eine maßgebliche Beteiligung an der Bezahlung der angestellten Lehrer. Dessen ungeachtet muss der Schulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen und das unternehmerische Risiko im Wettbewerb mit anderen Schulen tragen.

Das katholische Profil der Schulen

Das spezifische Profil der Schulen auf dem Calvarienberg und auf Nonnenwerth, das zu entfalten ihnen verfassungsrechtlich garantiert ist, liegt darin, dass sie sich als katholische Schulen begreifen. Möglicherweise werden Eltern, wenn sie ihr Kind anmelden, mehr die private Schule oder die reinen Mädchenklassen, die es auf dem Calvarienberg gibt, im Auge haben. Die private Schule bevorzugen sie vielleicht auch deshalb, weil es an ihr keinen Lehrermangel gibt, sprich kaum Unterricht ausfällt; denn der Schulträger stellt neue Kollegen und Kolleginnen ein, wenn der Staat nicht genügend Planstellen zuweist oder die Schülerzahl ansteigt. Solidität des Unterrichts, recht ausgeprägte Disziplin oder günstiges Schulklima mögen ferner Eltern zu einer Anmeldung veranlassen. Das katholische Element dürfte jedenfalls nicht unbedingt im Vordergrund stehen.

Die katholische Komponente ist schwer zu fassen. Am einfachsten ist es, einige äußere Merkmale einer katholischen Schule aufzuzählen: Der Unterricht beginnt mit einem gemeinsamen Gebet, wöchentlich werden Gottesdienste angeboten, Besinnungstage laden zu Selbstreflexion ein, das Kirchenjahr wird bewusst miterlebt, stattliche Beträge werden bei den verschiedensten Spendenaktionen gesammelt, das Erntedankfest wird angemessen begangen, im Zentrum der Abiturfeier steht die von den Schülerinnen und Schülern gestaltete Messfeier oder ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche.

Aber katholische Schule zu definieren ist schwierig. Der katholische Charakter einer Schule wird daran ersichtlich, „dass alle Mitglieder der Schulgemeinschaft - wenn auch graduell verschieden - sich ausdrücklich und gemeinsam auf die christliche Sicht der Welt beziehen, so dass die Grundsätze des Evangeliums in ihr zu Normen für die Erziehung, zu Begründungen des innerschulischen Geschehens und zu letzten Handlungszielen werden", so Kardinal Laghi in seiner Eröffnungsansprache beim XIV. Weltkongress der katholischen Schulen am 28. Februar 19941). Die katholische Schule muss sich demnach durch ihren ausdrücklichen Bezug auf den Glauben an Jesus Christus als solche ausweisen. Wenn dieser Bezug fehle, so Laghi, verliere sie ihre Identität und ihre Existenzberechtigung. „Das Spezifikum einer katholischen Schule liegt
in der religiös-christlichen Grundausrichtung des gesamten Schullebens. Während die staatliche Schule im weltanschaulichen Bereich dem Pluralismus der Gesellschaft verpflichtet ist, haben kirchliche Schulen die Möglichkeit und die Aufgabe, ein deutlicheres Profil herauszuarbeiten, in dem Unterricht und Erziehung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes gestaltet werden. Dieser Konsens in den grundlegenden Sinn- und Wertfragen lässt eine Erziehungsatmosphäre entstehen, die prägend auf die jungen Menschen wirkt"2).

Schüler auf dem Weg zur Fähre von Rolandseck zum Gymnasium auf der Insel Nonnenwerth, 2000

Dies kann selbstverständlich keine Ideologisierung des Unterrichts, ein Überstülpen eines geschlossenen Welt- und Gesellschaftsbildes bedeuten. Es darf keine Indoktrination im Zeichen des Kreuzes sein, dafür beinhaltet dieses christliche Menschenbild viel zu sehr die Freiheit der Entscheidung, den Respekt vor dem Andersdenkenden. Die auf dem Evangelium gründende Weltsicht kann auch in der Schule nur ein Angebot bleiben. Glaube, Religiosität oder Spiritualität können niemals erzwungen werden.

Dies ist jedoch nicht dahingehend misszuverstehen, dass das katholische Element, wie es in den aufgezählten Formen den Schulalltag prägt, der Beliebigkeit preisgegeben ist. Niemand ist beispielsweise befugt, das morgendliche Gebet oder den Sinn der Gottesdienste in Frage zu stellen, über bessere Formen und Inhalte kann wahrlich gesprochen werden. Niemand kann verlangen, die Schule müsse neben dem Religionsunterricht auch Ethikunterricht anbieten. Es hieße, dem Schulträger das grundgesetzlich garantierte Recht, eine Schule mit besonderen Akzenten, mit besonderem Profil anzubieten, streitig machen zu wollen, denn diese will ja gerade mehr als eine staatliche Schule sein und der Nivellierung entgegenarbeiten. Eltern hätten dann für ihr Kind oder erwachsene Schülerinnen für sich selbst schlicht die falsche Schule ausgewählt, bzw. Lehrkräfte hätten sich den falschen Arbeitgeber oder Arbeitsplatz ausgesucht, denn man wusste vorher, dass es sich um eine katholische Schule handelt, mit der man freiwillig einen Schul- oder Dienstvertrag geschlossen hat.

Diese spezifischen Elemente müssen selbstverständlich auf einem grundsoliden Unterricht aufbauen, ja setzen ihn voraus. Auch Leistung im weitesten Sinne ist unerlässlich. Diese darf jedoch nicht verabsolutiert und isoliert gesehen werden. Die Forderung von Leistung muss getragen sein von personaler Zuwendung des Lehrers und der Lehrerin gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Zur vielleicht erforderlichen Strenge und Konsequenz im Umgang gehören aber auch unabdingbar Offenheit gegenüber Neuem, Geduld mit Schwachen, Nachsicht mit Fehlern, maßvolle Kritik, die Fähigkeit zur Selbstkritik. Dies in den alltäglichen Situationen umzusetzen macht eine gute Schulatmosphäre aus. Ob es gelingt, katholische Schulen auch in Zukunft zu erhalten, hängt maßgeblich von der Zustimmung der Elternschaft auch hier im Kreis Ahrweiler an. Die hohen Anmeldezahlen zu den genannten Schulen, die es unmöglich machen, alle Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, zeugen von der großen Akzeptanz und Wertschätzung, die den katholischen Schulen in unserem Raum entgegengebracht wird. Dies bedeutet für alle am Schulleben Beteiligten Ermutigung und Verpflichtung zugleich, das Profil unter den veränderten Rahmenbedingungen des neuen Jahrtausends zu reflektieren und zu schärfen und es im Schulalltag mit Leben zu erfüllen.

Anmerkungen:

  1. Laghi, Pio: Die katholische Schule - ein Dienst für die Menschen. In Engagement 1994, S. 131-139, hier S. 133

  2. Schneider, Johannes: Welchen Beitrag vermögen die katholischen Schulen in freier Trägerschaft zur Erziehung und zum Auftrag der Kirche zu leisten?: in Engagement 1995, S. 370-378, hier S. 371