Bilder aus der Ahrtal-Flora
Dr. Bruno P. Kremer
Vor exakt 50 Jahren veröffentlichte die Bonner Botanikerin Käthe Kümmel eine erste monographische Gesamtdarstellung der Pflanzenwelt im mittleren Ahrtal, genauer über den Abschnitt zwischen dem Kesselinger Tal bei Pützfeld und dem Wingsbachtal bei Ahrweiler. Keine der übrigen Gebietsmonographien, in der diese Untersuchung erschien, hat sich so ausführlich mit einem vergleichbar klein bemessenen Naturraum beschäftigt. Insofern gilt diese Arbeit auch nach mehr als einem runden halben Jahrhundert wegen ihrer Gründlichkeit als vorbildlich. Die Autorin fasste damit ihre Ergebnisse aus mehrjährigen Beobachtungen und Kartierungen zusammen, die im wesentlichen bereits vor 1944 abgeschlossen und als Habilitationsschrift eingereicht waren, wegen der Kriegswirren jedoch nicht eher zum Druck kommen konnten. Zum Glück befand sich das Manuskript unter den geretteten Materialien, die das Geographische Institut der Universität Bonn rechtzeitig auslagern ließ. Erste Untersuchungen und Mitteilungen zur Pflanzenwelt des Ahrtals liegen bereits aus dem frühen 19. Jahrhundert vor. Der Bonner Botaniker Friedrich Nees von Esenbeck (1787-1857) veröffentlichte schon 1822 eine kurze Darstellung in seinen „Beiträgen zur Charakteristik der Flora von Bonn und seiner Umgegend“. Eine eingehendere Studie stammt von dem eifrigen Philipp Wirtgen (1806-1870). Wirtgen, der aus einer armen Neuwieder Familie stammte und eine Weile (1824) Lehrer in Remagen war, bevor er nach Koblenz versetzt wurde, schrieb 1837 eine größere Abhandlung über die Pflanzenwelt des Mittelrheingebietes und stellte darin auch etliche biogeographische Besonderheiten des Ahrtals heraus, eine gemessen am Kenntnisstand der damaligen Zeit außerordentlich moderner und bis heute aufschlussreicher Zugang zur Regionalfloristik. Kurz darauf (1839) widmete er dem Ahrtal eine erste naturgeschichtliche Gesamtschau. Der Vergleich dieser frühen und bemerkenswert gründlichen Beschreibungen mit der heutigen Pflanzenwelt ist ausgesprochen reizvoll, aber auch ein wenig umständlich, weil sich über die Jahrzehnte die wissenschaftlichen Namen beträchtlich geändert haben.
Warme Insel im kühlen Westen
Der schon seit Jahrhunderten im Ahrtal beheimatete Weinbau kennzeichnet diesen Raum unübersehbar als kul-turlandschaftliche Enklave, zumal dieses Weinbaugebiet eigenständig und vom benachbarten Weinbaugebiet Mittelrhein räumlich klar getrennt ist. In früherer Zeit waren die Grenzen weniger markant. Die erstaunlich dichte Urkundenlage weist für das gesamte Mittelalter auch für das untere Ahrtal sowie das linksrheinische Mittelrheintal von Sinzig bis Bonn zahlreiche Weinberge bzw. Weingärten aus (Weiter-Matysiak 1985). Die heutige Verteilung der Rebflächen entspricht dagegen eher den naturräumlichen Vorgaben. Tatsächlich ist das mittlere Ahrtal eine vom Umland deutlich abgehobene Klimainsel.
Die Leelage in der Gebirgsabdachung zur Osteifel bestimmt das Großklima dieser Landschaft. Die westlichen Höhengebiete Hohes Venn, Schnee-Eifel und Hocheifel zwingen die vom Atlantik heranziehenden Feuchtwinde zum Aufsteigen, zur vermehrten Wolkenbildung und zum raschen Abregnen. Das Ahrgebiet und sein näheres Umland erhalten dagegen deutlich geringere Niederschlagsmengen. Den Mittelabschnitt des Ahrtals umschließt im aktuellen Klimaatlas von Rheinland-Pfalz eine Linie, die alle Geländepunkte mit etwa 600 mm Niederschlag im Jahr verbindet. Bei einer Gesamtsonnenscheindauer von deutlich mehr als 1300 Stunden im Jahr erfreuen im Ahrtal auch die Temperaturen mit angenehmen Daten. Während sich für die Höhengebiete der Ahreifel Jahresdurchschnittswerte von 7-9°C ergeben, kommen die mittleren Jahrestemperaturen der tiefer gelegenen Talbereiche (Talflanken und Talsohlen) auf 9,5°C. Das obere Ahrtal ähnelt im Temperaturjahresgang dagegen mehr der umliegenden Hochflächenregion. Bei der Mittelwertbildung zwischen den über das Jahr hinweg höchsten und tiefsten Temperaturen ergibt sich ein mittleres Maximum bei 14°C und ein mittleres Minimum von etwa 4,5°C. Der Unterschied zwischen beiden Mittelwerten beträgt also nur rund 10°C. Er steht entsprechend der atlantischen Gesamttönung des Klimas für einen ausgeglichenen Temperaturgang mit recht warmen Sommern und ausgeprägt milden Wintern. Der Vergleich der langjährigen Maximum-Mittel (33,7°C) und Minimum-Mittel (-15°C) betont dagegen den lokal stärker wirksamen kontinentalen Einfluss, der auch das gesamte übrige Mittelrheingebiet und seine Beckenlandschaften kennzeichnet. Das mittlere Ahrtal ist daher eine durchsonnte und recht warme Klimainsel im ansonsten eher ausgeglichen atlantisch beeinflussten Schiefergebirgsflügel Eifel. Klimaräumlich liegt das Ahrtal damit genau auf der Verbindungslinie zwischen den mehr kontinental getönten Gebieten Südwestdeutschlands (deren kontinentales Beckenklima nördlich von Koblenz ausklingt) und der nahen niederrheinischen Tieflandsbucht mit ihrem stärker ozeanischen Einfluss. Allein die klimatische Bühne des Ahrtals stellt sich somit als ausgesprochen förderlich für die Pflanzen- und Tierwelt dar. Diese klimatischen Vorzüge und Binnendifferenzierungen sind aber gleichzeitig auch eine wichtige Voraussetzung für die natürliche Artenvielfalt. Hinzu kommt, dass in diesem Gebiet über Kalk, Devonschiefer und Basalt sowie abhängig von den Neigungswinkeln im Gelände eine Vielzahl unterschiedlicher Böden entwickelt ist.
Schema zur räumlichen Verteilung verschiedener Pflanzenformationen im Talquerschnitt des Ahrtals.
Bemerkenswert bunter Teppich
Das Ahrgebiet gehört zu den floristisch mit Abstand reichsten Teilregionen des Rheinischen Schiefergebirges - rund 1700 verschiedene Arten Farn- und Blütenpflanzen sind in diesem Raum bisher nachgewiesen. Je auskartiertem Messtischblatt sind es im Durchschnitt mehr als 700 verschiedene Arten - eine erstaunliche, weit über den entsprechenden Angaben für die Nachbarräume liegende Anzahl, die erhebliche Vielfalt in Aussicht stellt. Hinzu kommen noch je etwa 500 Arten Flechten und Moose, so dass Botaniker und andere Pflanzenfreunde hier ein überaus reiches Betätigungsfeld finden. Neben den Pflanzen, die gleichsam den Grundstock der regionalen Vegetation aufbauen und damit das sogenannte mitteleuropäische Geoelement verkörpern wie etwa die Auengehölze der Ahr und ihrer Nebenbäche stößt man im Mäanderbogen nahe Schuld zum ersten Mal auf spezielle und gleichsam nur inselartig vorkommende Pflanzengesellschaften, die Käthe Kümmel in ihrer Gebietsmonographie nach dem charakteristischen Erscheinungsbild als „Felsheide“ oder „Felsgebüsch“ bezeichnet. Heute weist man diese aus wärmeliebende und trockenheitsverträglichen Arten zusammengesetzte Formationen in der Vegetationskunde verschiedenen Pflanzengesellschaften zu, die man unter dem Sammelausdruck Xerotherm-Vegetation zusammenführt. Sie stellen die eigentliche Rarität der gesamten Region dar. Gemeinsam ist ihnen ein erstaunlich hoher Anteil an Pflanzenarten aus den süd(ost)europäischen Wärmegebieten. Pflanzenarten mit solcher Schwerpunktverbreitung strahlen in unseren Raum nur mit wenigen und dazu recht isolierten Vorkommen aus. Sie beschränken sich daher auf einzelne Wärmeinseln und treten bezeichnenderweise auch in der klimatischen Enklave des mittleren Ahrtals auf. Hier erreichen sie in Europa durchweg ihre nördliche bzw. nordwestliche Verbreitungsgrenze. Exakt diesen für die regionale Pflanzenwelt so bezeichnenden Sachverhalt hat erstmals Philipp Wirtgen um 1837 mit seiner Unterscheidung südlicher und nördlicher Pflanzenarten klar erkannt. Hervorhebenswert unter diesen Arten südeuropäischer Herkunft bzw. Hauptverbreitung sind beispielsweise Brillenschötchen, Wimper-PerIgras, Astlose Graslilie, Gemeine Pechnelke und Gold-Aster. Weitere bemerkenswerte Xerotherm- pflanzen in der Hügelstufe des mittleren Ahrtals sind das Langhaarige Habichtskraut neben Frühlings-Fingerkraut, Schwalbenwurz, Schaf-Schwingel, Feld-Thymian und Natternkopf. Bisweilen finden sich mit Hügelmeister und Karthäuser-Nelke auch noch Vertreter der kontinental getönten Trockenrasen-Gesellschaften ein. Auf äußerst flachgründigen Böden der Felsbänder, wo man schon fast kein Pflanzenwachstum mehr erwartet, siedelt ein besonderes Kleinod des mittleren Ahrtales an: Die zierliche Pfingst-Nelke ist zusammen mit dem Blau-Schwingel die namengebende Pflanzenart der Pfingstnelken-Blauschwingel-Felsflur, eine der seltensten Pflanzengesellschaften der gesamten Region. Im Verband mit beiden Arten finden wir die Rundblättrige Glockenblume und eine Vielzahl interessanter Moose und Flechten.
Interessante Felsspaltenbewohner in den Steillagen sind neben dem recht häufigen Braunen Streifenfarn und der Mauerraute auch einige deutlich seltenere Arten, nämlich Nördlicher und Schwarzer Streifenfarn sowie der Milzfarn. Hier kommt auch die sonst im Gebiet seltene Dachwurz vor, eine alte Zauberpflanze gegen Blitzschlag und Unwetter, die man im Ahrtal liebevoll „Leyenkappes“ nennt. Sie vertritt die Gruppe der präalpinen Arten, die ihre Hauptverbreitung in den Bergwaldgebieten der süd- und osteuropäischen Hochgebirge finden. Wo der mechanisch-chemische Verwitterungsprozeß des Gesteins schon weiter fortgeschritten ist und lockerer Felsschutt oder Felsgrus vorliegt, stellen sich beinahe lückenlose Überzüge mit Weißer Fetthenne und Felsen-Fetthenne ein. Seltenere, der übrigen Region fehlende Pflanzenarten steuern auch die Gehölze bei: Zwergmispel und Felsenbirne bauen einen großen Teil der wärmeliebenden Felsengebüsche an den Talflanken und zwischen den Rebflurparzellen auf, ferner auch Weichsel-Kirsche, Wilde Stachelbeere, Mehlbeere und die schwarzfrüchtige Bibernell-Rose.
Vom blanken Fels zu schattigem Wald
Die Übergänge von den schütteren Felsengebüschen zu lockeren, wärmeliebenden Eichen Buschwäldern gestalten sich fließend. Neben den schon erwähnten Straucharten kommen hier vor allem Stiel-Eiche, Sommer-Linde, Haselnuß, Vogel-Kirsche, Roter Hartriegel, Rot-Buche und Hainbuche vor. Bei entsprechend lockerer und niedriger Wuchsform der Holzpflanzen können sich auch noch im Unterwuchs der Wälder licht- und wärmeliebende Kräuter wie Wohlriechende Weißwurz, Rauhes Veilchen, Turmkraut, Armblütige Gänsekresse, oder Turm-Gänsekresse ansiedeln.
Den nach ihrer Biogeographie zur Hauptsache im europäischen Südosten beheimateten Pflanzen steht nun in unserer Regionalflora eine völlig andere Artegruppe gegenüber, nämlich Pflanzen, die in ihrer Gesamtheit das sogenannte atlantisch-ozeanische Geoelement ausmachen und damit eher im westlichen Europa gehäuft auftreten. Sie sind natürlich nicht auf den steppenartig trockenen Talhängen mit ihren blanken Felsgraten anzutreffen, sondern überwiegend in bewaldeten Schattenbereichen und den Höhengebieten der südlich an den Talzug angrenzenden Ahreifel. Bemerkenswerte Beispiele dafür sind sind Roter Fingerhut, Rippenfarn, Salbei-Gamander und Stechpalme.
In den Schichtfugen der felsigen Talwände kommen seltene Arten wie der Schwärze Streifenfarn vor.
Im lichten Gebüsch kommt die Ofirischblättrige Glockenblume vor.
Eindrucksvolle Kulisse: Auengehölze an der mittleren Ahr bei Altenahr.
Auch die durchsonnten Eichen-Hainbuchenwälder des Gebietes weisen seltene Arten auf.
Vertreter des vergleichbaren subatlantisch bestimmten Verbreitungstyps sind dagegen Stinkende Nieswurz, Grüne Nieswurz, Behaarter Ginster, Besenheide und der prächtig blühende Besenginster, der außerhalb der Eifeler Kalkgebiete überall häufig ist und zu Recht die Bezeichnung Eifelgold trägt. Auf den stärker beschatteten Steilhängen des Engtalabschnittes, den nördlichen Talflanken und den Höhen der Ahreifel im Übergang zur Vulkaneifel stocken vor allem Eichen Hainbuchen-Wälder, deren Struktur und Artenzusammensetzung vielfach die waldwirtschaftlichen Eingriffe des Menschen erkennen lassen. Erwähnenswerte Besonderheiten sind hier einige Orchideen-Arten wie die Zweiblättrige Kuckucksblume und das Schwertblättrige Waldvöglein neben der unauffällig bräunlichen Nestwurz. Auf den jeweiligen Nordflanken der Nebentäler des mittleren Ahrgebietes und noch häufiger in den Wäldern der südlich anschließenden Höhen der Ahreifel findet man echte Bergwaldpflanzen wie Wald-Rispengras, Gelappter und Stacheliger Schildfarn, Wildes Silberblatt und Quirlblättrige Weißwurz. Spring-Schaumkraut, Zwiebel-Zahnwurz, Gemeine Akelei, Pfirsichblättrige Glockenblume, Doldige Wucherblume, Groß-blütiger Fingerhut und Eichenfarn sind gelegentliche und sehr schmucke Begleitarten der Buchen bzw. Eichen-Hainbuchen-Wälder.
Ein Bild aus alter Zeit
Wo man schon relativ früh die Wälder abgeholzt hat und die entstandenen Freiflächen anschließend als Weidegebiete nutzte, konnten sich als Ersatzgesellschaft ausgedehnte Besenkrautheiden ausbreiten. Besonders prächtig entwickelten sich auf manchen dieser Flächen der Wacholder, eine weitere Charakterpflanze der (Ahr-) Eifel. Im Umkreis des Kesselinger Tales finden sich die größten geschlossenen Wacholderbestände des gesamten Rheinlandes. Trotz seiner weiten Verbreitung war sein Anteil in der heimischen Naturlandschaft wohl immer sehr gering. Wacholder ist ein ausgesprochenes Lichtholz, im dichten Bestand gegenüber raschwüchsigen und hochreichenden Laubbäumen benachteiligt und daher bemerkenswert konkurrenzschwach. Erst nach der parkartigen Auflichtung der Wälder oder ihrer flächenweiten Rodung hatte er die Möglichkeit zur Bestandsbildung. Im Gegensatz zu den meisten anderen heimischen Gehölzen ist er völlig verbissfest und kann sich daher auf offenen Standorten immer dann besonders üppig entfalten, wenn Weidetiere die konkurrierenden Laubgehölze kurzhalten. Die in der Ahreifel vorhandenen Bestände vermitteln einen hervorragenden Eindruck vom Gesicht der Mittelgebirgslandschaft im letzten Jahrhundert, auf deren Grenzertragsböden außer Schafhutung keine andere oder ergiebigere landwirtschaftliche Nutzung möglich war. Wacholderheiden sind daher neben ihrer ökologischen Bedeutung besondere Erinnerungsstücke an die Wirtschaftslandschaft früherer Zeiten, wie sie beispielsweise der aus Weimar stammende Landschaftsmaler Fritz von Wille (1860-1941) in seinem umfangreichen Werk eindrucksvoll dokumentiert hat. Im Jahre 1909 schrieb dazu die Eifeldichterin Clara Viebig: „Ich weiß mit der Feder nicht zu sagen, das nicht Wille mit dem Pinsel ausgedrückt hätte. Wir sind durch die Eifel gewandert, beide mit denselben Augen, die Liebe zum Lande geöffnet hatte; uns gab ein Gott ins Herz, die Schönheit dieser Welt zu erkennen: welche Fülle in dieser Armut, welche Pracht in dieser Bescheidenheit, weiche Poesie in dieser Öde.“ Die Rahmenlandschaft des Ahrtals hat mancherlei Züge davon bewahren können.
Aus aller Herren Länder
Die meisten Pflanzenarten, die heute die spontane Vegetation des Talzuges und seiner Randgebiete zusammensetzen, sind irgendwann während der zurückliegenden rund 12 000 Jahre nach Mitteleuropa ein- oder zurückgewandert, denn während vorangehenden (vorerst letzen) Eiszeit war im gesamten Gebiet allenfalls eine bescheidene Zwergstrauch- oder Krautflora möglich, wie man sie heute im nördlichen Skandinavien findet. Einen deutlichen Einwanderungsschub lösten ab etwa 5000 v. Chr. die jungsteinzeitlichen Bauern aus, die außer den anbauwürdigen Feldfrüchten aus dem Mittelmeerraum auch eine Menge Begleitarten wie Klatsch-Mohn, Kornblume und Kamille mitbrachten. Auch die Römer, die sich im Rheinland einschließlich des Ahrgebietes rund 400 Jahre einrichteten, importierten zahlreiche Pflanzenarten. Ess-Kastanie, Speierling, Mispel oder Wermut sind Beispiele für diesen Zeitschnitt. Alle Arten, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eingeführt wurden oder spontan zuwanderten, nennt man Alteinwanderer. Sie sind in der heutigen Flora mit etlichen Dutzend Arten vertreten. Nach der Entdeckung der Neuen Welt (1492) und mit in der Folge zunehmenden Verkehrsverbindungen zu anderen Kontinente nahm der Artentausch zwischen weit entfernten Regionen beträchtliche Dimensionen an. Arten, die erst seit dem 16. Jahrhundert oder später nach Mitteleuropa gerieten, bezeichnet man als Neuheimische. Viele davon kommen in Acker- und Rebfluren, an Wegrändern oder Ufern vor - Standorten also, die durch regelmäßige Bearbeitung oder andere periodische Eingriffe häufig gestört werden. Entlang der Ahr, besonders im Mittel- und Unterlauf, sind besonders viele Pflanzenarten anzutreffen, die hier von Natur aus gar nicht zu Hause sind. Pfeilkresse und Riesen-Bärenklau aus Vorderasien, das Drüsige Springkraut aus Indien, der Staudenknöterich aus Ostasien, Knollen-Sonnenblume, Goldruten und diverse Astern-Arten aus Nordamerika sind Beispiele dafür. Das Ungleichzähnige Kreuzkraut aus Südafrika verzeichnet im Gebiet erst seit wenigen Jahren bemerkenswerte Ausbreitungserfolge. Besonders üppige und großflächige Vorkommen vieler dieser Arten, von denen einige erst nach dem Spätsommer blühen, finden sich im bedeutsamen Naturschutzgebiet Ahrmündung bei Remagen-Kripp. Insgesamt gelten etwa 470 Arten aus der knapp 1700 Namen umfassenden Liste nachgewiesener Pflanzenarten des Ahrgebietes als Eingebürgerte aus anderen biogeographischen Regionen.
Auch wenn aus dem umfangreichen Register der seit dem Beginn der intensiveren Beobachtung nachgewiesenen Arten etwa 140 Arten verschollen oder seit Jahren nicht mehr auffindbar, ist das Gebiet des mittleren Ahrtales mit seinem Fleckenmosaik natur- und kulturlandschaftlicher Lebensräume immer noch ungewöhnlich reichhaltig. Nicht nur Vielfalt oder Schönheit beeindrucken, sondern vor allem die Verbreitungstypen und die Ausbreitungsgeschichte der beteiligten Arten.
Literatur: