Steinmetzdorf Weibern - eine Handballhochburg im Rheinland
Damenhandballmannschaft aus einem Eifelort spielt in der 2. Bundesliga
Hans Schmitz
Weibern gehört mit seinen rund 1600 Einwohnern seit der Gebietsreform (1970) zur Verbandsgemeinde Brohltal im Kreis Ahrweiler.
Waren es früher die Tuffsteinindustrie und die handwerkliche Kunst der Weiberner Steinmetze, die den Ortsnamen bekannt machten, so sind es seit einigen Jahrzehnten auch die Handballspieler des TuS Weibern, die den Namen ihres Heimatortes über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaustragen.
Überaus erfolgreich verlief für den TuS Weibern die Saison 1998/99. Das trifft zunächst einmal für die Herrenmannschaft zu, die im zweiten Jahr der Zugehörigkeit zur Regionalliga West ein positives Punkt- und Torverhältnis aufweisen konnte und zu den erfolgreichsten Torschützen des Westens zählt.
Der Aufstieg der Damen in die 2. Bundesliga
Für die Damenmannschaft endete die Saison im Mai 1999 sogar mit der Erfüllung eines Wunschtraumes. Nach dem alles entscheidenden Finale in der heimischen Halle gegen Bayer 04 Leverkusen II, das die Weiberner 25:23 für sich entscheiden konnte, war die Westdeutsche Meisterschaft für die Damen perfekt. Was das bedeutet, scheint märchenhaft: „Ein Eifeldorf steigt in die 2. Bundesliga auf“. Großer Jubel, Freudentränen und Umarmungen auf dem Spielfeld und den Zuschauerplätzen. Draußen vor der Halle, wo das Spiel live auf einer Großleinwand übertragen wurde, wird zünftig gefeiert. Zunächst ein Feuerwerk der Freude in der Halle und später ein Feuerwerk draußen. Das war der bisherige Gipfelpunkt in der Geschichte des seit 1920 bestehenden Vereins, bei dessen Gründung an Frauenhandball noch nicht zu denken war.
In der Vereinschronik wurde damals u.a. festgehalten: „Im Oktober 1920 feierte der junge Turnverein sein 1. Stiftungsfest mit Ball, bei dem 3 Damen anwesend waren. Man hatte von gewisser Seite versucht, die Damen abzuhalten, denn das hätte ja auch für deren gute Sitte verderblich sein können.“
Im Jahre 1968 wurde in Weibern erstmals eine Damenhandballmannschaft gebildet. Zunächst spielten die Frauen auf dem Handballplatz auf einem Kleinfeld nach den Hallenregeln um Meisterschaftspunkte. Mit der Fertigstellung der Sporthalle begann 1975 in Weibern eine neue Handballsportära. Viele Jahre wurde ab jetzt mal in der Bezirksklasse, mal in der Landesliga gespielt. Ab dem Jahre 1994 zeigt die Erfolgskurve dann steil nach oben: Aufstieg in die Oberliga, Durchmarsch in die Regionalliga, Teilnahme an der Play-Off-Runde, 1998/99 Qualifikation als Tabellenzweiter zur Westdeutschen Meisterschaft und als Krönung der Triumpf im Finale gegen Leverkusen II.
Die Damen-Mannschaft I des TuS Weibern vor dem Finalspiel Weibern gegen Leverkusen am 29.5.99
Seit 1925 Feldhandball in Weibern
Vor den jetzigen Erfolgen gab es Höhen und Tiefen auf dem Weg des Vereins, der am 26. September 1920 von 20 Dorfbewohnern unter dem Namen TV Viktoria gegründet wurde. Anfangs standen viele Bewohner dem Sportverein skeptisch gegenüber. Das Tragen von Sportkleidern galt als etwas Anstößiges und Sport wurde vielfach als überflüssig und unnötige Kräftevergeudung angesehen.
1925 wurde in Weibern die erste Handballmannschaft aufgestellt. Es war eine wirtschaftlich schwere Zeit. Die Tuffsteinindustrie lag am Boden, und die Jugend war vielfach zur Arbeitslosigkeit verurteilt.
Ein Sportplatz entstand zunächst als Provisorium in der „Lüh“, später „Auf der hohen Lei“, einem teilweise angetragenen Steinbruchgelände. Zu den Auswärtsspielen ging man zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad.
Schon bald stellten sich beachtliche Erfolge ein. 1929 und 1931 wurde die Meisterschaft der A-Klasse des Untermoselgaues errungen. Als die Deutsche Turnerschaft 1933 aufgelöst wurde, begann der Rückgang des Vereins. Schließlich war nach dem Kriegsbeginn 1939 kein regelmäßiger Spielbetrieb mehr möglich, weil viele Spieler zur Wehrmacht eingezogen worden waren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein im Jahre 1946 wiedergegründet. Zunächst konnten nur Freundschaftsspiele ausgetragen werden. Erst 1954 konnte der geregelte Spielvetrieb in der Kreisklasse aufgenommen werden, wo der TuS auf Anhieb Meister wurde.
Bei der Aufnahme des Spielbetriebes wurde eine Jugend- und Schülermannschaft und ab 1957 eine zweite Mannschaft gebildet. Ohne diesen „Unterbau“ wären die späteren Erfolge des Vereins nicht möglich gewesen. Lange stand der TuS Weibern im Schatten des Lokalrivalen Grün-Weiß Obermendig, dessen legendäre Handballkunst im nördlichen Rheinland-Pfalz in den ersten Nachkriegsjahren unerreicht blieb. Von 1959 bis 1969 spielte der TuS Weibern ohne Unterbrechung in der Oberliga Rheinland. Im Jahre 1965 hatte sich der TuS Weibern für die Westdeutsche Meisterschaft qualifiziert, unterlag aber in der Vorrunde gegen den TuS Lintfort, eine damalige Spitzenmannschaft in Deutschland mit zwei Nationalspielern.
Vom Sportplatz in die Halle
Die Zukunft gehörte ab 1970 nur noch dem Hallenhandball. Die Erfolge der vergangenen nahezu 50 Jahre Handball motivierten die Weiberner, dem Handballsport die Treue zu halten und nicht ins Lager der Fußballspieler zu wechseln. Weibern verfügte jedoch über keine Halle und so mussten bis zur Erstellung einer Sporthalle Heimspiele u.a. in Bad Neuenahr-Ahrweiler ausgetragen werden. Dort fand auch das Training unter schwierigen Bedingungen statt, zur Winterszeit erst nach 21.00 Uhr, so dass man oft erst nach Mitternacht zurückkehrte.
Dank vielseitiger Unterstützung, Eigenleistung und großer Opfer wurde die Weiberner Sporthalle 1975 fertiggestellt. In der ersten Saison in der eigenen Halle erreichte man auf Anhieb die Vizemeisterschaft in der Oberliga. Es zeigten sich bald Verschleißerscheinungen, die einen Umbruch bewirkten. Die Handball-Cracks vergangener Zeiten wechselten zu den „Alten Herren“.
Kontinuierlich wurde aber im Jugendbereich Aufbauarbeit betrieben, die sich auszahlte und dazu führte, dass die 1990er Jahre wieder zu einem „Weiberner Jahrzehnt“ wurden. Niemand - auch nicht die kühsnten Optimisten - hätten jedoch mit den eingangs erwähnten großen Erfolgen gerechnet.
Neben dem Team der Damen in der zweiten Bundesliga und der Regionalliga-Mannschaft der Herren stellen die Männer und Frauen ein Team in der Landesliga sowie noch 14 weitere Mannschaften von der F-Jugend bis zum Seniorenbereich. Diese Mannschaften und die über 600 Mitglieder sind die Grundlage für den Erfolg.
Der TuS Weibern ist der einzige Verein in Rheinland-Pfalz, von dem je eine Herren- und eine Damen-Mannschaft auf solch hoher Ebene vertreten ist. Wenn die Mannschaften aus der Eifel in den nordrhein-westfälischen Sportarenen mit ihrer Handballkunst einen Sturmwirbel demonstrierten und einen Torzauber entfachten, waren die Gastgeber sehr erstaunt und sprachen mit Respekt von „Eifelpower“.
„Eifelpower“ heißt auch die informative Broschüre, die zu jedem Heimspiel an die Zusachauer verteilt wird, ebenso ein Fanclub, der bei den Spielen für Stimmung sorgt.
Schon in der Vergangenheit pflegte der Handballverein Kontakte weit über die Region hinaus. Noch zu Feldhandballzeiten (1957) fuhr man unter abenteuerlichen Bedingungen in die damalige DDR und spielte gegen Empor Frankfurt/Oder und Lok Weißwasser/Schleife.
Die Alte Herren nahmen an Turnieren im In- und Ausland teil, u.a. in Prag, Frankreich und Holland. Im Frühjahr 1996 hatte die I. Herrenmannschaft die Ehre, als Trainingspartner gegen die Russische Nationalmannschaft antreten zu dürfen.
Neben dem Spitzensport wird in Weibern auch auf den Breitensport großer Wert gelegt. So gibt es eine Gymnastikabteilung mit vielen Gruppen für Frauen und Männer verschiedener Altersklassen sowie eine Prellabteilung mit mehreren Mannschaften.
Spielszene beim Finale gegen Leverkusen am 29.5.99
Zur Hallensituation
Mit der Aufnahme des Spielbetriebs in der Halle vor nahezu 25 Jahren ahnte in Weibern niemand, dass hier einmal Handball auf derart hohem Niveau gespielt werden würde. Schon bei entscheidenden Spielen war oft nicht ausreichend Platz für die zahlreichen Zuschauer. Wenn auch inzwischen eine Zusatztribüne eingebaut wurde, so können bei manchen Spielen viele Besucher wegen Überfüllung der Halle die Spiele nur von draußen akustisch verfolgen. Die Heimspiele der Play-Off-Runde wurden daher auf einer Großleinwand in einen Nebenraum bzw. in ein Zelt übertragen.
Von Seiten der Landesregierung Rheinland-Pfalz sind Mittel zugesagt, um die notwendige Hallenerweiterung durchzuführen. Damit soll sichergestellt werden, dass in Zukunft die Zuschauer hochklassige Handballspiele in Weibern sehen können.
Mit ihrem Aufstieg in die zweite Bundesliga haben die Handballdamen das Steinmetzdorf Weibern zur Handballhochburg erhoben. In der Saison 1999/2000 kommen u.a. Gastmannschaften aus Trier, Zwickau, Kassel und Augsburg nach Weibern. Der TuS Weibern ist somit ein ausgezeichneter Werbeträger für die ganze Region zwischen Nürburgring und Rhein.
Die Handballmannschaft TuS Weibern 1930/31.