Der unruhige Pfarrer Schlösser aus Gönnersdorf und seine armen „Schäfchen“ in Brohl, 1772
Udo Bürger
Durch ein Schreiben des Trierer Konsistoriums vom 27. März 1772 erfuhr Graf Rudolph Maria Waldbott von Bassenheim, der ein Mitrecht an der Einsetzung des Gönnersdorfer Pfarrers hatte, „in was für üble Umstände das Pfarrwesen zu Gönnersdorf durch die schlechte Aufführung des Pfarrers Schloßer daselbsten gerathen seye“. Andreas Schlösser wurde 1718 in Limburg geboren. Nachdem er Pfarrer in Königsfeld war, nahm er seinen Dienst in Gönnersdorf im Jahre 1752 auf, er war also zur Zeit der gerade erwähnten Klage immerhin schon 20 Jahre dort im Amt. Zur Pfarrei Gönnersdorf gehörten vor 1800 ausser Gönnersdorf auch Brohl und „Thal Rheineck, soweit es auf dem rechten Ufer des Vinxtbaches lag“ (Schug). Was im Einzelnen dem Gönnersdorfer Pfarrer angelastet wurde, geht aus einem Schreiben des Ortsvorstandes der Gemeinde Brohl „im nahmen aller gemeinds genossen“ hervor. Hier heißt es, die Brohler hätten schon längere Zeit eine Klage gegen Schlösser im Sinn gehabt, sie hätten aber immer gehofft, „er würde seine begangenen fehler selbsten Erkennen“. Das sei aber auch nach „güthlichem abmahnen“ nicht der Fall gewesen, im Gegenteil, des Pfarrers „fehler und unruhe“ seien immer schlimmer geworden. Es war schon einige Jahre her, so erfahren wir aus dem Schreiben der Brohler, als sich Schlösser auf der Hochzeit von Johann Adam Stommel alles andere als vorbildlich benahm, „theilß durch übermäßiges sauffen bis 2 oder 3 uhren des nachts, theilß auch durch garstige unternehmungen mitt weibs leuthen“.
Blick auf Gönnersdorf mit der Pfarrkirche St. Stephanus, 1999.
Das hielt den angeschlagenen Pfarrer aber nicht davon ab, gleich am nächsten Morgen eine Messe in Gönnersdorf zu halten, wie die Brohler dem Pfarrer ohnehin anlasteten, seinen Dienst nicht ordnungsgemäß zu verrichten, sondern eine „vom wahren glauben abtrünnige, Scandalose und sehr strafmässige“ Einstellung zu haben. Die Brohler berichteten weiter, dass sich die Taufe von Kindern oft tagelang verzögerte, weil Schlösser meist abwartete, „bis Er auch wegen Einer anderen ursach" nach Brohl musste. War er aber einmal da und wurde zu dem nach der Taufe üblichen „Kindt Essen“ eingeladen, wurde man ihn gar nicht wieder los, auch nicht durch „harte wörter“. Schlösser blieb dann bis „späth in die nacht, oder gar bis des Morgens früh“, bis er sich endlich „selten ohne Zanck und Vollgesoffen“ verabschiedete. Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich 1764, als eine ältere Brohlerin namens Anna Boehs in ihrer letzten Stunde nach dem Pfarrer rufen ließ. Pfarrer Schlösser hatte aber offensichtlich wenig Lust, nach Brohl zu kommen. Er sagte ab mit der Begründung, er habe noch in Gönnersdorf zu tun. Ein anderes Mal tat Schlösser einem Brohler Hochzeitspaar eine „grosse schandt“ an, als er den Hochzeitstermin nicht einhielt. Das Paar stand mit allen Freunden und Gästen in Gönnersdorf zur Trauung bereit, Schlösser aber war nach Tönisstein „abgereyset“, so dass das Hochzeitspaar „mitt schandt und spott nach hauß auff die Brohl“ zurückkehren musste. Der Kommentar Schlössers dazu war: „Ich kan Copuliren [verheiraten], woh und wan es mir gefällig ist“. Die Brohler meinten dazu, sie hätten einen Pastor „im nahmen, in der thath aber keinen“ und baten um die Absetzung Schlössers. Man handelte auch schon einen Frühmesser aus Klotten als möglichen Nachfolger des unbeliebten Seelsorgers. Alle Klagen gegen Schlösser aber halfen nichts. Aus anderen Quellen erfahren wir, dass er bis zu seinem Tod Pfarrer in Gönnersdorf (und Brohl) blieb; er starb am 8. April 1792 in Gönnersdorf. Anfang des 19. Jahrhunderts kam Brohl zur Pfarrei Niederbreisig und wurde dann 1869 eine eigene Pfarrei.
Literatur:
Erscheint auch in: Bürger, Udo: Henker, Schinder & Ganoven, Teil II, Aachen (Helios) 1999.