Kirmutscheid – ein Kleinod in der Eifel

Agnes Gillig

Fährt man vom Ahrtal aus in Müsch Richtung Nürburgring, so gelangt man nach einigen Kilometern zu der kleinen Ansiedlung Kirmutscheid. Das Dorf liegt in der Nähe einer wichtigen und gefährlichen Kreuzung. Sie entstand im Jahre 1936. Von der Bevölkerung wird der Bau der B 258 als „Durchbruch” bezeichnet, weil damals ein felsartiger bewaldeter Höhenzug, der sogenannte Schleifenberg, durchbrochen wurde, womit eine gewisse Trennung des Ortes Kirmutscheid von der Kirche und ihren Nebengebäuden vollzogen wurde. Dadurch entstand aber ein besserer Zugang zur Kirche und eine schnellere Zufahrt zu anderen Ortschaften.

Die Kirche, das alte Pfarrhaus und die frühere Schule gehören mit dem gegenüberliegenden Haus Kettel zur Gemeinde und Gemarkung Wirft. Die Häuser rechts der Kreuzung – also Kirmutscheid – sind Bestandteil der Gemeinde und Gemarkung Pomster.

Bevor der Ort in Sichtweite kommt, ist bereits die alte Dorfkirche auf einer Anhöhe zu sehen, malerisch gelegen, ein willkommenes Objekt für Künstler und Fotografen. Neben der Kirche mit dem spitzen, 33 m hohen Kirchturm stehen das alte Pfarrhaus und die frühere Schule. Der Trierbach umfließt die Anhöhe von drei Seiten. In der Nähe mündet in ihn der Wirftbach. Im unteren Bereich der Anhöhe standen früher eine Schmiede und ein Gehöft. Auf einer alten Zeichnung ist das Bauernhaus noch zu sehen.

Bedeutung des Ortsnamens

Von der Herkunft bzw. Bedeutung des Ortsnamens Kirmutscheid gibt es verschiedene Versionen. Die Lehrer in der Volksschule Kirmutscheid erklärten den Namen auf folgende Weise. „Kir” heißt im Dialekt die Kurve (Kehre), womit hier der Bogen bzw. die „Kurve” gemeint sein dürfte, die der Trierbach um die Kirche macht. Das Wort „mut” beschreibt danach das Recht, nach Schätzen zu graben. Es kann aber auch Berg heißen.

Schließlich verweist „scheid” wohl auf die Grenze von Kurköln und Kurtriers, die der Trierbach hier teilweise bildete.

Ansicht der Kirche von Kirmutscheid, 1998

Die Kirche

Mit der Erbauung der Kirche in Kirmutscheid verbindet sich eine mündlich überlieferte Geschichte oder Legende.

Danach soll Graf Ulrich von Nürburg die erste kirchliche Anlage im Jahre 1214 gestiftet haben. Bei einer Jagd habe er sich zuvor im Dickicht verirrt und nach seiner Befreiung gelobt, zum Dank ein Gotteshaus erbauen zu lassen. Auf dem höher gelegenen Engelberg war schon das Baumaterial zusammen getragen. Es soll aber von dort mehrere Male verschwunden sein und fand sich dann stets auf der Anhöhe am Trierbach wieder, auf der jetzt die Kirche steht. Der Graf sah das als ein Zeichen Gottes an, die Kirche an dieser Stelle erbauen zu lassen.

Freilich hat die Kirche hier auch einen besseren Zugang als auf dem höher gelegenen Engelberg.

Der erste Altar der Kirche, dessen Verbleib heute unbekannt ist, soll von Graf Ulrichs Sohn Gerard gestiftet worden sein.

Der jetzige Hochaltar stammt aus der Wallfahrtskirche Müllenwirft, was auch für das Relief an der Stirnseite des sogenannten Voraltars gilt. Auf beiden Altären wird die Beweinung Jesu auf unterschiedliche Weise eindrucksvoll dargestellt. Am Hochaltar befinden sich aus Holz geschnitzte Figuren: Maria mit ihrem toten Sohn, Maria Magdalena und der Evangelist Johannes. Der Ausdruck der Personen ist trotz der Trauer sehr gefasst, vielleicht erahnen sie bereits die Auferstehung Jesu. Ganz anders dagegen die Figuren des Sandsteinreliefs am Voraltar, die eine tiefe Trauer zum Ausdruck bringen. Es handelt sich um die Gottesmutter mit ihrem toten Sohn, Maria Magdalena und Maria Cleophae.

Dieses Relief wurde 1968 zufällig entdeckt und vom Adenauer Bildhauer Georg Gehring restauriert. 

Bei der Kirche können drei Bauphasen unterschieden werden: 1. Die Ursprungskirche, 2. die Erweiterung des Chores um 1500 und 3. der Anbau der Empore und der Sakristei gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Anfangs unterstand die Kirmutscheider Kirche der Johanniterkirche in Adenau. Kirchenpatron war der hl. Johannes Baptist. Adenau übte auch das Patronatsrecht aus. Ein Geistlicher wurde von dort zur Filiale Kirmutscheid ent-sandt. Erst um 1600 erhielt Kirmutscheid einen eigenen Pastor. Das könnte in der Zeit gewesen sein, als Kirmutscheid von den Herren von Nürburg und der Kommende in Adenau unterstützt, Wirft an sich gezogen hatte. Zuvor war Wirft Filiale von Müsch, das 1316 noch zu den Pfarreien des kölnischen Eifeldekanats gezählt hatte. Aber bereits 1516 wird Müsch nur noch unter den Zehntzahlern erwähnt, ohne Zehnttabelle, ein Zeichen, dass die Pfarrei nicht mehr lebensfähig war (Schug). Erst um 1700 nahm ein Geistlicher seine festen Wohnsitz in Kirmutscheid.

Bis zur zweiten Phase gehörten zu Kirmutscheid noch Kottenborn und Müllenwirft. Seitdem bilden Hoffeld, Wirft und Kirmutscheid eine Einheit. Kottenborn kam erst später zu Adenau.

In dieser Zeit wurde der hl. Wendelinus Schutzpatron der Kirche. Der Sage nach soll er ein schottischer Königssohn gewesen sein, der als Eremit und Hirte gelebt hat. Daher wird er als Schutzpatron der Landwirte und Schäfer verehrt.

Am 20. Oktober, seinem Namensfest, feiert man in Kirmutscheid und in den Filialen Hoffeld und Wirft die Kirmes. Aus diesem Anlass stellte man früher die Monstranz mit den Reliquien des Heiligen aus.

Blick in den Chor mit dem Altar aus dem 17. Jahrhundert und dem Voraltar aus dem Jahre 1971

Ein alter Brauch hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. An diesem Tag werden gesegnete Brötchen an die Gläubigen verteilt. Diese waren früher auch für krankes Vieh bestimmt.

Hinweise auf den schottischen Heiligen Wendelinus sind in der Kirche die Abbildungen des Dudelsackpfeifers an der Kirchendecke sowie weitere Motive der Deckenausmalung, so die Distel, die als schottische Nationalblume gilt. 

Über der Empore sind die Marterwerkzeuge Christi abgebildet. Die wichtigsten Stützfiguren bilden die Heiligen Jakobus, Matthäus und Johannes. Von den anderen Figuren nimmt man an, dass es sich um Stifter handelt.
Im Netzgewölbe befinden sich Wappen von Eifeler Grafengeschlechtern, z.B. die von Virneburg, Jülich und Berg, von Manderscheid, Arenberg und von der Marck.

Nennenswerte Ausstattungsgegenstände in der Kirche sind u.a. ein Taufkessel aus dem 17. Jahrhundert, mehrere Gewölbeschlusssteine, z. B. das Lamm Gottes und die gotischen Fenster sowie Holzfiguren zu beiden Seiten des Hauptaltars aus dem 17. Jahrhundert. Sie stellen den hl. Wendelinus mit der Hirtschippe dar und den hl. Johannes Baptist mit den Attributen Buch und Osterlamm.

Das alte Pfarrhaus

Im Pfarrhaus aus dem Jahre 1709 nahm nach der Erbauung erstmals ein Priester seinen Wohnsitz in Kirmutscheid. Die aufschlussreiche Inschrift über dem Türsturz des Gebäudes lautet: Pax intrantibus, salus exeuntribus (Friede den Eintretenden, Heil den Scheidenden/Weggehenden). Darüber ist ein Relief mit dem Wappen des Erbauers Ludger Henrich von Galen zu Assen zu sehen, Komtur in Trier, Adenau und Breisig.
Auf dem Wappenstein befindet sich links das Wappen von Galen mit drei Wolfsangeln. Rechts sind im Wechsel zwei viergeteilte silberne Felder auf rotem Untergrund und auf blauem Grund zwei rote Eselsohren sichtbar. Die Bedeutung des Wappens ist nicht geklärt.

Das achteckige Malteserkreuz soll auch die acht Seligpreisungen der Bergpredigt symbolisieren. Die Malteser haben sich besonders um den Dienst an Kranken und Armen und um den Schutz des Glaubens bemüht. 

Das alte Pfarrhaus wurde 1913 aufgestockt und mit einem Erker an der Südostseite versehen. In unmittelbarer Nähe des Hauses befinden sich Scheune und Ställe, da bis in unser Jahrhundert hinein in den meisten Pfarrhöfen auch Landwirtschaft betrieben wurde.

Der letzte Priester, der in Kirmutscheid amtierte, war Pastor Emil Fritsche, der 1972 als Ruhestandsgeistlicher starb. Seither werden Kirmutscheid und die Filialen Hoffeld und Wirft von der Pfarrei Barweiler betreut.

Die frühere Schule

Im Jahre 1829 wurde hier die erste Volksschule für die Kinder von Kirmutscheid, Hoffeld und Wirft erbaut. Auch von dem weiter entfernten Müllenwirft, wo sich früher außer der Wallfahrtskirche noch ein großer Hof und eine Mühle befanden, besuchten zeitweise Kinder diese Schule. Etwa 15 bis 20 Minuten dauerte der Schulweg von den östlich und westlich gelegenen Dörfern Hoffeld und Wirft. Die Kinder von Hoffeld gingen zuvor in Barweiler zur Schule. Nach Kirmutscheid war der Schulweg aber um die Hälfte kürzer.

Hoffeld erhielt erst 1925 eine eigene Schule. In Wirft konnte man 1957 ein eigenes Schulhaus beziehen. Seit dieser Zeit ist die Schule in Kirmutscheid verwaist. Mit der Entstehung der sogenannten Mittelpunktschulen in den siebziger Jahren gehören diese Gemeinden zum Einzugsbereich der Grundschule in Antweiler.

In Kirmutscheid bestand ursprünglich nur die Mühle, die bis in die 1950er Jahre von der Familie Kettel betrieben wurde. Heute umfasst der Ort neun Häuser. Er ist mit seiner malerisch gelegenen Kirche ein Kleinod in der Eifellandschaft.

Anmerkungen:

Bei meinen Recherchen wurde ich freundlicherweise von mehreren Bewohnern von Kirmutscheid und Wirft durch wertvolle Angaben unterstützt. Besonders von den Familien Bauerfeind und Kettel-Weber sowie von Frau Fehling.
Die Ausführungen stützen sich außerdem auf folgende Darstellungen:
Hermann Joseph Koch: Die Pfarrkirche in Wirft-Kirmutscheid bei Adenau und ihre Filialkapellen in Wirft und Hoffeld. Rheinische Kunststätten Heft 278. Neuss 1983.
Peter Schug: Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier. Bd. V. Trier 1956.
Adenauer Nachrichten Nr. 43/90: Beschreibung des Ortes Pomster