Millionen für die Burg Are

Christine Schulze

Hoch aufragende, blanke Ruinenmauern. Lücken und Fensteröffnungen geben den Blick frei auf malerische Ausschnitte der Ahrlandschaft: auf den dicht gedrängten Ort Altenahr im Tal, die stattliche Burg Kreuzberg auf ihrer Anhöhe, die engen Windungen des Flüsschens, die immer nur Teilstücke des Gewässeres erkennen lassen, die steilen Weinberge an der Sonnenseite und die zerklüfteten Felspartien über den schroffen, meist bewaldeten Hügeln am anderen Ufer. Nachdem die Arbeiten zur Sanierung der Reste der einstigen Burg Are auf der Höhe über Altenahr nach zweieinhalb Jahren abgeschlossen sind und die gesamte Anlage wieder für die Öffentlichkeit zugänglich ist, bieten sich Wanderern und Romantikern vom Berg aus faszinierende Blicke auf die Landschaft.

Im Rahmen der Sanierungsarbeiten war das bröckelnde Mauerwerk der mittelalterlichen Anlage durch Spezialisten befestigt worden. Und Altenahrer Bürger befreiten die ehemaligen Weinbergsterrassen am Burgberg vom wuchernden Gehölz. So ist der Ausblick von oben durch nichts verstellt, und auch aus dem Tal kann man das Wahrzeichen der Mittelahr wieder ungehindert betrachten.

Kunsthistorisches Kleinod Burgkapelle
Ein romantisches Ruinen-Ensemble wurde auf dem Burgplateau aus dem Dickicht herausgeschält. In spannungsvollem Kontrast stehen die hohen, kahlen Mauern des Palas und des „Grauen Turms“ neben den gedrungenen und nach wie vor mit Gras, Wildblumen und niederem Gebüsch bewachsenen Gewölberesten der einstigen Burgkapelle. Unter Kunsthistorikern gilt die im romanischen Stil errichtete Kapelle als größter Schatz der einstigen Burganlage. Denn der auf kleinstem Raum errichtete Sakralbau war dreischiffig angelegt, was für Burgkapellen im Rheinland aus der Zeit eine Besonderheit darstellt. Außerdem handelte es sich vermutlich um eine Doppelkapelle, also einen Bau mit einem Untergeschoss für das gewöhnliche Volk und einem Obergeschoss, von dem aus die Herrschaften in den Altarraum blickten. Für die Annahme einer Doppelkapelle spricht ein Treppenaufgang in Nähe des einstigen Hauptportals; die genaue Konzeption gibt den Experten allerdings noch Rätsel auf.

Die Burgruine Are nach der umfassenden Sanierung, 1999

Zwar gilt die Kapelle kunsthistorisch als besonderes Kleinod; trotzdem war ihre Sanierung aufgrund der knappen finanziellen Mittel zeitweise in Frage gestellt. Denn wegen der hohen Kosten für die Gesamtmaßnahme der Burgsanierung floss das ursprünglich für die Kapelle vorgesehene Geld zunächst mit in die Sanierung der Außenmauern und der Turmreste. Das war erforderlich, weil von dem bröckelnden Gestein eine Gefahr für die Benutzer der Bundesstraße im Tal, für Anlieger und für Wanderer am Burgberg ausging. Doch schließlich konnte auch die Kapelle dank des langen Atems der Verantwortlichen in der Ortsgemeinde und der Verbandsgemeinde Altenahr sowie dank zusätzlicher finanzieller Zuwendungen durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und das Landesamt für Denkmalpflege saniert werden.

So wurden die Mauern der Kapelle teils neu verfugt oder mit Hilfe von Grauwacke aus einem Steinbruch in Schuld ergänzt. Die halb abgebrochenen und wie durch ein statisches Wunder Jahrzehnte lang in der Luft hängenden Reste der Gewölbe wurden ebenfalls wieder vervollständigt. Sie ruhen nun auf neuen Säulen aus Basalt, die den romanischen Formen nachempfunden worden sind. Die Standflächen früherer Säulenbasen erkannte man anhand von Mörtelresten. Nach außen hin wurden die Gewölbe mit hellem Tuffstein abgesichert und befestigt. So entstand der Eindruck, als sei da ein Bauwerk aufgeschnitten worden, um seine Konstruktion zu dokumentieren. Und durch das Nebeneinander von akkurat gearbeiteten, neuen Partien und Mauerstücken, an denen Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen haben, entstand ein Blickfang, der neugierig macht.

Die Reste der Burgkapelle lassen das imposante Bauwerk noch erahnen. Zustand nach der Sanierung, 1999

Umfassende Sanierungmaßnahmen
Die Sanierung der Kapellenruine war letzter Abschnitt der Arbeiten auf dem Burgplateau. Begonnen worden war die Gesamtmaßnahme mit den Arbeiten an den zur Ahr und zur Bundesstraße hin abfallenden Stützmauern. Sie wurden mit insgesamt 65 Ankern von fünf bis 14 Meter Länge, die weit in den Felsen vorangetrieben wurden, am Berg befestigt. Anschließend ersetzten die Handwerker verrottete und zerstörte Teile der Mauern in der alten Technik und schlossen die Fugen im Mauerwerk entsprechend dem ursprünglichen Material mit einem Mörtel aus Kalk, Sand und Lehm.

Als schließlich auch die Arbeiten am Palas und am „Grauen Turm“ abgeschlossen waren, hätte die Anlage dennoch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben werden können: Ein halber Torbogen hing ungesichert über dem Eingangsportal. Im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht hatte die Gemeinde Altenahr hohe Landeszuschüsse für die Arbeiten an den zur Bundesstraße hin abfallenden Mauern erhalten. Eine Gefahr für die Straße ging von dem abgebrochenen Torbogen aber nicht aus. Und so mussten neue Finanzierungswege gefunden werden.

Die Baustelle auf dem Burgberg war ein Argument, das die Verantwortlichen aus Altenahr zugunsten einer zügigen Abwicklung der gesamten Sanierungsmaßnahme in die Waagschale warfen. Weil keine Fahrmöglichkeit auf den Burgberg besteht, waren die Materialien per Hubschrauber nach oben transportiert worden. Das erwies sich als schwierig, und der Pilot Henry Allewohl verunglückte bei einem Flug tödlich. Die Einrichtung der Baustelle war außerdem teuer. Und so führten die Altenahrer auch die zusätzlichen Kosten an, die ein Abbau der Baustelle und ein erneuter Aufbau einige Jahre später nach sich gezogen hätten.

Die Ortsgemeinde Altenahr als Eigentümerin des Burgberges und der Ruine war Bauherr der Sanierungsmaßnahmen. Durchgeführt wurden die Arbeiten von der auf die Sanierung von Burganlagen spezialisierten Firma Torkret aus Klausen an der Mosel. Die Bauaufsicht führte Harald Schmitz als Architekt der Verbandsgemeindeverwaltung zusammen mit dem beauftragten Ingenieurbüro Schwab und Partner aus Köln.

Kosten
Mit 1,05 Millionen Markt trug das Land Rheinland-Pfalz weit mehr als die Hälfte der Kosten für die Sanierung in Höhe von insgesamt 1,855 Millionen Mark. Das Landesamt für Denkmalpflege stellte 200000 Mark zur Verfügung. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gab 224500 Mark, die Ortsgemeinde Altenahr 235500 Mark, die Verbandsgemeinde Altenahr 90000 Mark, der Kreis Ahrweiler 35000 Mark und schließlich der eigens gegründete Förderverein Burgruine Are 20000 Mark.

Meilenstein vor Beginn der Burgsanierung war die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse. Denn die Ortsgemeinde Altenahr hatte das gesamte Areal samt Burgberg und Ruinen urspünglich lediglich langfristig von der Erbengemeinschaft Tepel gepachtet. Zwar hatte sie sich gleichzeitig vertraglich zur Unterhaltung der Ruinen verpflichtet: Die notwendige Investition in Millionenhöhe in fremdes Eigentum schien trotzdem nicht gerechtfertigt. So verhandelte die Gemeinde Altenahr mit den Erben über die Schenkung von Burgberg und Burg an die Gemeinde. Der Vertrag war kurz vor Baubeginn perfekt.

Zur Geschichte der Burg
Damit wurde die Burg Are nicht zum ersten Mal verschenkt: Bereits im Jahre 1246 war die um 1100 vom Grafen Theoderich von Are erbaute und 1121 erstmals urkundlich erwähnte Burg durch Schenkung an die Kölner Kirche gekommen. Die machte daraus ein Bollwerk zum Schutz ihrer Besitzungen an der Ahr und richtete dort den Verwaltungssitz für das Amt Are ein. Der nicht mehr vorhandene Bergfried diente zeitweise als Kerker für „hohe Gefangene“ der Kirche, Kölner Patrizier, die sich den Machtbestrebungen ihres Erzbischofs widersetzt hatten. Lange Zeit war die schwer befestigte Burganlage geistiges und kulturelles Zentrum für das gesamte Gebiet.

Im Jahre 1690 hielt die Burg den französischen Truppen neun Monate lang stand, bis diese sie zerstören und einnehmen konnten. In den Ruinen nisteten sich später kurkölnische Truppen ein, die die Gegend verunsicherten. Darum ließ Kurfürst Joseph Clemens die Mauern im Jahre 1714 im Einvernehmen mit den Dorfbewohnern sprengen. Die Ruinen wurden später zum Wahrzeichen der romantischen Ahr. Doch die Gemäuerreste verkamen im Laufe der Jahrzehnte, und das bröckelnde Gestein wurde zu einer Gefahr für die Menschen. Dank der Sanierung bleibt die Anlage als Denkmal der Geschichte des gesamten Gebietes für künftige Generationen erhalten.