80 Jahre Bahnbetriebswerk Kreuzberg/Ahr

Ein bedeutendes technisches Denkmal im Kreis Ahrweiler

Björn GöppI

Im Jahre 1998 wurde das Bahnbetriebswerk in Kreuzberg, in der Eisenbahnersprache kurz „Bw Kreuzberg" genannt, 80 Jahre alt. Seine Entstehung und Geschichte sind eng mit der Wirtschafts-, Sozial- und Verkehrsgeschichte der Eifel verbunden, auch mit ihrer früheren militärischen Bedeutung.

1880 erreichte der überall vorangetriebene Eisenbahnbau die Kreisstadt Ahrweiler, 1887 Altenahr, 1888 erfolgte die Verlängerung dieser eingeleisigen Stichbahn bis Adenau.

An den Endpunkten waren Drehschreiben vorhanden, das sind drehbare Gleisstücke zum Wenden der Dampflokomotiven zur Rückfahrt. Lokomotivschuppen gab es in Ahrweiler und Adenau.

Die Personen- und Güterzüge fuhren viele Jahre an Kreuzberg vorbei. Zwischen den Bahnhöfen Altenahr und Brück (Ahr) wurde erst am 1. Mai 1901 ein einfacher Haltepunkt eröffnet.1)

Streckenausbau aus militärischen Gründen

Eine ganz andere Rolle sollte Kreuzberg für die Eisenbahn übernehmen, als vor dem Ersten Weltkrieg gewaltige Ausbaumaßnahmen für das nach Westen führende Streckennetz beschlossen wurden. Im Rahmen der Militärstrategie wurde die Ahnalbahn von Remagen bis Dümpelfeld zweigleisig ausgebaut und über Ahrdorf nach Lissendorf an die Eifelhauptbahn angebunden, ebenfalls zweigleisig. Nach vierjähriger Bauzeit konnte die Gesamtstrecke am 1. Juli 1912 dem Verkehr übergeben werden.

Zusätzlich war eine Neubaustrecke von Liblar bei Köln ausgehend nach Süden geplant, an Ringen und Lantershofen vorbei, oberhalb von Ahrweiler am Hang entlang, durch viele Tunnel langsam auf das Niveau der Ahrtalbahn hinabführend. In Rech sollte diese zweigleisige Neubaustrecke in die Ahrstrecke einmünden. Im Zusammenhang mit dieser „Strategischen Bahn", die bis auf den Adenbachtalviadukt bei Ahrweiler fertiggestellt wurde, war für das Ahrtal ein neues, im Vergleich zu den bisherigen Lokstationen wesentlich größeres Bahnbetriebswerk vorgesehen. Bei der Streckenzusammenführung in Rech und auch weiter ahraufwärts ließ das enge Tal keine so große Betriebsanlage zu. erst hinter Altenahr waren ausreichende ebene Flächen vorhanden. So bekam der damals winzige Ort Kreuzberg eines der größten Bahnbetriebswerke der Eifel. Nirgendwo im Ahrkreis gab es so ausgedehnte Bahnanlagen: rund 20 Gleise wurden gebaut, an der stärksien Stelle 14 Gleise nebeneinander, ein neues großes Empfangsgebäude mit Güterschuppen, 2 Turmstellwerken. Ladestraße und Hochrampe sowie der Ringlokschuppen mit weiteren 14 Abstellgleisen für Lokomotiven, davon 5 im Freien, einer 20m-Drehscheibe. einem Lokleitungs- und einem Werkstattanbau. Verwaltungs- und Übernachtungsgebäude, Werkmeisterei, Lager und eigene Trafostation schlössen sich an. Für den großen Durst der Dampfloks wurden ein eigenes Pumpenhaus an der Ahr. ein Hochbehälter und 5 Wasserkräne an den Gleisen installiert. Die Eisenbahn lieferte auch erstmals fließendes Wasser in den Ort Kreuzberg, in dem eine eigene Eisenbahnersiedlung entstand. Die Kohle für die Triebfahrzeuge wurde per Drehkran mit Hunten nachgefüllt. Die Ausschlackgrube zwischen den Schienen nahm die Verbrennungsrückstände wie Schlacke und Lösche auf, die abtransportiert und weiterverwendet wurden. Im Lokschuppen und in der angebauten Werkstatt führten die Eisenbahner die Wartungsarbeiten und kleinere Reparaturen an den Lokomotiven aus. Jedes der 9 Schuppengleise hatte eine Untersuchungsgrube, zusätzlich gab es eine Achssenke.

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Der Kreuzberger Lokschuppen im jahre 1970 mit einer Lok der Baureihe 50. Im Hintergrund der Wasserkran, der Schlackenkran und die Dieseltankstelle

Über 100 Bedienstete

Das genaue Eröffnungsdatum des Bw Kreuzberg ist unbekannt. Die Drehscheibe, ein sehr flaches Modell der Firma Vögele in Mannheim, wurde 1918 gebaut. Somit ist anzunehmen. daß das große Betriebswerk noch während des Ersten Weltkrieges fertiggestellt wurde.2) Die Einweihung des neuen Bahnhofs in Kreuzberg fand erst am 1. April 1920 statt.3) In den Glanzzeiten der Eisenbahn bis 1945 arbeiteten mehr als 100 Bedienstete im Bw Kreuzberg. Eine heute verschwundene Vielzahl von Aufgaben und Berufen war gegeben, die hier nur angedeutet werden kann:

Schlosser, Lokschlosser, Betriebs- und Lagerarbeiter, Dreher, Schreiner, Anstreicher, Schmiede, Schweißer, Gießer und Elektriker waren ebenso zu finden wie Werkmeister, Verwaltungsbeamte in der Lokdienstleitung, Lokstatistik, Buchhaltung und Lagerverwaltung, außerdem das Triebfahrzeugpersonal, also Lokführer, Heizer und Lokomotivinspektoren.

Als Arbeitgeber, als Verkehrsmittel und vor allem als Voraussetzung für die wirtschaftliche Erschließung der Eifel war die Eisenbahn von gar nicht zu überschätzender Bedeutung.

Stillegungen im Schienenverkehr und Streckensterben

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich die Lage des Schienenverkehrs zu wandeln. Die militärische Wichtigkeit besonders der nach Belgien und Frankreich führenden Bahnstrecken bestand nicht mehr. Zwar wurden praktisch alle Nebenbahnen der Eifel trotz stellenweise massiver Kriegsschäden wieder aufgebaut, aber nur in eingleisiger Form und mit vielerorts reduzierten Bahnhöfen und Betriebsstellen. Im Ahrkreis behielt nur der Abschnitt Remagen - Walporzheim zwei Streckengleise. Langsam verlor die Eisenbahn ihre Vorrangstellung. Schon Ende der 50er Jahre begann sukzessive die Einstellung des Personen- und später auch des Güterverkehrs auf den Nebenstrecken der Eifel. Stillegung und Abriß wurden bis in die 90er Jahre hinein betrieben. Das Streckensterben ließ von dem früher 130 km langen Netz der Ahnalbahn nur rund 30 km übrig.

Das Bw Kreuzberg, das den Krieg unbeschädigt überstanden hatte, besaß nun nur noch regionale Bedeutung, was zum Rückbau einiger Gleise führte. 1959 wurde es dienstlich Außenstelle des Bw Jünkerath, ab 1966 zusammen mit Jünkerath dem Bw Gerolstein unterstellt. Seit 1971 gehörte es als Außenstelle zum Bw Koblenz-Mosel.

Das Ende des Dampflokzeitalters näherte sich dem Ahrtal 1962. als die neue Diesellokomotive V 100 im Bw Kreuzberg stationiert wurde und die gesamten Personenzüge, später auch die Güterzüge übernahm. Die ebenfalls dieselgetriebenen Schienenbusse wurden bereits seit 1952 eingesetzt. Zunächst waren die Diesel- und Dampflokanlagen nebeneinander im Bw Kreuzberg vorhanden: 1962 wurde ein Tanklager mit Zapfsäulen auf dem nördlichen Ende des Kohlenbansens errichtet. Später wurde der Kohlenladekran demontiert: der Schlackenkran und der letzte Wasserkran standen noch bis 1974 für die damals schon verkehrenden Sonderzüge mit Dampfloks zur Verfügung. Ein letztes Mal kehrten so die Baureihen 55 und 86 als Gast zurück, neben der BR 93 die typischen Kreuzberger Dampfloks.

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Von Verlassenheit und Verfall gekennzeichnet: der 80jährige Lokschuppen als Zeuge der Technik- und Heimatgeschichte im Jahre 1998

Von den über 100 Bediensteten des Bw blieb zuletzt ein einziger Betriebsarbeiter übrig. Am Schluß der 69jährigen Lokschuppennutzung standen über Nacht zwei Dieselloks (BR 212) allein im Schuppen. Im Mai 1987 verließ die Bundesbahn das Bw ganz und stellte Loks und Wagen im Freien am Bahnsteig ab. Die Tankanlage wurde demontiet und im November 1989 auch die Drehscheibenbühne verschrottet. Verfall und Vandalismus traten ein. Gras und Büsche eroberten die Gleise. Als letztes Schienenfahrzeug rollte im November 1992 ein Arbeitstriebwagen (SKI) über die stillgelegten Gleise, um einige Schwellen und Schienenstücke auszubauen.

Denkmalschutz und Museumsverein

Im selben Monat besichtigte das Landesamt für Denkmalpflege die Bw-Anlage und stufte sie als technisches Kulturdenkmal ein. Die Unterbrechung der Schienenanbin-dung des Bw erfolgte Ende März 1996. Im Oktober desselben Jahres gründete sich in Kreuzberg ein gemeinnütziger Förderverein, der das gesamte Bw als originalgetreu restaurierte Museumsanlage für die Allgemeinheit erhalten möchte.4) Bereits zum „Tag des offenen Denkmals" im September 1997 konnten kleinere Instandsetzungsarbeiten abgeschlossen werden und die noch vorhandenen Bauten der Öffentlichkeit gezeigt werden. Wegen bis heute anhaltenden Widerständen der Bahn wurde die Unterschutzstellung der ganzen Kreuzberger Eisenbahnanlagen als Denkmalzone erst im April 1998 rechtskräftig abgeschlossen. Eine angemessene Würdigung zum 80. Geburtstag des Bahnbetriebswerks Kreuzberg, die hoffentlich zu einer gesicherten Zukunft führen wird! Die seit 1996 an allen Wochenenden im Herbst auf der Ahrstrecke verkehrenden Nosialgiezüge mit Dampflokomotiven haben jedenfalls den Reiz lebendiger historischer Technik bewiesen. Es lohnt sich, das Kreuzberger Kleinod der Eisenbahn- und Heimatgeschichte dauerhaft zu bewahren.

Anmerkungen:

  1. Laut Meldung der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen vom 17.4.1901

  2. Vgl. Klaus Kemp. Die Ahrtalhahnen. Seite 209

  3. Laut Meldung der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen im Jahre 1920

  4. Weitere Informationen sind erhältlich beim Verein „Museum-Bw Kreuzberg (Ahr) e.V." Schriftführer Rudolf Gieraths, Bachemer Str. 32 in 53474 Ahrweiler

Dringend gesucht werden alle Fotos, Pläne und Unterlagen aus der Betriebszeit des Bw Kreuzberg.

Literatur: