Bernhard Müller-Feyen, Maler und Bildhauer

Hildegard Ginzler

Seit über 30 Jahren lebt der Maler und Bildhauer Bernhard Müller-Feyen wieder in seiner Heimatstadt Adenau, wo er 1931 geboren wurde und aufwuchs. Seine Kunst aber, unter anderem im öffentlichen Raum des Ahrkreises vertreten, erreichte außerhalb der Region eine weitaus höhere Bekanntheit und Akzeptanz. "Adenau ist mein Kap Canaveral, wo ich täglich neu starte und künstlerisch in immer neue unbekannte Welten vorstoße und dann hier wieder lande", sagt Müller-Feyen.1) "Und was in diesen Welten geschieht, istfür den nicht kunstgeübten Betrachter nicht nachzuvollziehen". Dem Künstler ist daher verständlich, daß seine Werke bei vielen am Ort, eine kleine Gruppe von Sammlern und begeisterten Befürwortern ausgenommen, auf Unverständnis stoßen. "Kunst ist hier in Adenau auf mich bezogen kein Thema und das ist auch in Ordnung". Bernhard Müller-Feyen spricht es ohne Bitterkeit aus. Er fühlt sich menschlich gut aufgehoben in der Johanniterstadt, wo er sich "wegen der technischen Möglichkeiten" ansiedelte.

Im Elternhaus nahm die Kunst keinen besonderen Stellenwert ein. Andererseits gab es in der Linie der Mutter, Gertrud Müller geb. Feyen, musische Begabungen, wie den Bruder, der Regimentsmusiker im 1. Weltkrieg war und einige in die Philippinen ausgewanderte Dekorationsmaler. Vater Josef Müller, von Beruf Friedhofswärter, beeinflußte den Jungen mit seiner Art philosophischen Denkens. Beide, von denen der Künstler mit großer Hochachtung spricht, unterstützten seinen Weg. Das war in der vom Aufbaugedanken durchdrungenen Nachkriegszeit, zumal in ländlichen Gefilden, durchaus nicht selbstverständlich.

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Bernhard Müller-Feyen

Die solide Ausbildung umfaßt eine handwerkliche Lehre (1946 - 49), ein Studium der Glasmalerei an der Staatlichen Fachschule Rheinbach (1949 - 51) und eines der Freien und Angewandten Malerei an den Kölner Werkschulen (1951 -58). Als Bildhauer ist der Künstler Autodidakt. Früh fühlt er seine Berufung: "Von 13 Jahren an habe ich gezeichnet im Bewußtsein, daß ich Maler werde." Eindeutig bestätigt wird er, als Professor Otto H. Gerster ihn als Meisterschüler auswählt. Von 1951 bis 1962 lebt der junge Maler in Köln. In diese Zeit (1960) fällt seine Namensänderung. Er addiert zum Müller das Feyen, Mädchenname der Mutter - vermutlich ein Indiz für gewachsene künstlerische Identität, die mit einem wiedererkennbaren Signum an die Öffentlichkeit treten will. Mit Heinrich Böll unternimmt er mehrere Irlandreisen. Als künstlerische Reaktion entstehen Aquarelle, die Landschaft und Seelenlandschaft, Außen- wie Innenschau widerspiegeln. Auch die Porträts sind naturnah, orientieren sich zugleich an Erscheinung und ergründeter Persönlichkeit des Gegenübers, wie das Böll-Porträt auf der Höhe dieser Entwicklungsphase.

1962 erhält Müller-Feyen einen Lehrauftrag in Istanbul. Drei Jahre lang leitet er an der Kunsthochschule die Fachklasse für Freie und Angewandte Malerei. Seine Arbeiten verändern sich in der neuen Umgebung. "Die Mehrzahl dieser Bilderfeiert die Farbe", schreibt RalphMerten in seiner einfühlsamen Würdigung.2) Zurück in Adenau heiratet der 35jährige Bernhard Müller-Feyen die Apothekenhelferin Barbara Seppel, und 1968 macht Tochter Tanja die Familie komplett. Fortgeschrittene Abstraktion prägt gegen Ende der 60er Jahre das Werk des nunmehr seit zehn Jahren Freischaffenden. Dennoch, so Merten, ist er von dem eigentlichen Vorhaben, "eine neuartige künstlerische Welt zu kreieren", noch weit entfernt.3) Da riskiert Müller-Feyen mit radikal reduzierten minimalistischen Farbfeldbildern den Neubeginn. Eine kurze Episode nur und doch Sprungbrett.

Der Maler bricht die Statik auf, beginnt die Flächen im Bild zu biegen und zu falten. Aus diesen Flächenklappungen isoliert er als einen Werkakzent die Schlaufe (1976), ein Motiv, das er in unzähligen Variationen ergründen wird. Ihm geht es nicht um formalistische Spielerei oder ästhetische Formeln. Weder die verblüffende Illusion des Dreidimensionalen, noch das perfekt Zeichnerische verleiht diesem Gegenstand sein Pathos. Es scheint sich eher vom Überdimensionalen einer künstlerischen Form im endlosen Raum abzuleiten. "Sensibelste psychologische Vibrationen" nahm Merten4) beiden Flächenklappungen in Färb- und Formgebung wahr. Und Walfried Pohl5) ließ sich angesichts der Schlaufen von "der geheimnisvoll durchglühten Tonigkeit" anrühren, "die in ihrer Fülle mit dem Klang eines asiatischen Gongs verglichen werden kann".

Die Stringenz dieser Arbeiten, kennzeichnet auch den weiteren künstlerischen Prozeß. Die bewegten den Raum heraufbeschwörenden Flächen drängen zu realem plastischem Ausdruck. Müller-Feyen reagiert mit Umsetzungen in Kupfer und Eisen. Um 1985 verändert sich die Schlaufe zum anthropomorphen Zeichen, vom Künstlerfestgehalten in Malerei, Zeichnung und Eisenplastik. "Archetypen" nennt Müller-Feyen die aufrechten schlaufenköpfigen Figuren. Für ihn bedeutet das "gewissermaßen das ewige 'Urbild', dem wir in uns begegnen, und dem wir Menschen uns seit Urzeiten über Gestaltungsversuche spirituell, ideell und sinnlich nähern möchten"6). Sozusagen ein Speicher universeller menschlicher Befindlichkeit, mit Gültigkeit über die Zeiten hinweg. Den "Kopf" halten die Figuren stets geneigt, was ihnen eine introvertierte kontemplative Ausstrahlung verleiht. Erstmals öffentlich vorgestellt wurden die Archetypen 1986 auf der Art Cologne.

Der Archetyp entspringt dem Unterbewußten. "Der Entwurf einer Form, die Idee kristallisiert sich in einem sehr starken Tiefenprozeß heraus".7) Der Künstler, der "in äußerst starker Intention schafft" und dem Regine Nothacker8) "eine Art Sendungsbewußtsein" attestiert, weiß, daß er mit dem Archetyp "eine ganz originäre Kunstform gefunden" hat, die ihm in der internationalen Kunst eine eigene Handschrift verleiht. Im Werk sei alles enthalten, lehnt er eigene Interpretationen ab. Lieber zitiert er Kenner seiner Kunst. Einer kommentierte: "Sie machen das nicht, es ereignet sich!" Und auch er selbst empfindet eine folgerichtige Entwicklung, aus der eine Plastik aus der anderen mit eigener Dynamik kommt. "Die Dinge unterliegen einem Urreligiösen", meint er nachdenklich bei der gemeinsamen Vertiefung des Themas.

Um 1992 verändern sich die Archetypen grundlegend. Inhaltlich immer noch den ideellen Grundlagen menschlicher Existenz verpflichtet, haben die Skulpturen die an Menschengestalt erinnernden Züge abgelegt. Müller-Feyen tauscht die gebogene Eisenplatte gegen kompaktere Eisen- und Steinformationen ein. Mit entscheidend mehr Volumen ausgestattet erscheinen die Arbeiten nun erstmals vollplastisch. Müller-Feyen zur Kommunikation zwischen dem Künstler und seinem neuen Material: "Ich kontaktiere mit dem Stein, indem ich auf seine Schwingung achte, nicht einfach drauflos schlage. In meiner Arbeit trete ich in einen Dialog mit dem Stein, einen Dialog, der zum Schluß zur Übereinstimmung führt." Kantig und mit flächigen Ansichten präsentieren sich die Eisen-, Sandstein- und Basaltskulpturen, während die Arbeiten aus Ettringer Tuff wesentlich von der Oberflächenstruktur des geschlagenen Materials belebt werden.

Dem Schöpfer des "Archetypen" gelang der Durchbruch auf dem Kunstmarkt. Zahllose Ausstellungsbeteiligungen machten seine Werke etwa in Düsseldorf, Hamburg, Ancona und Monte Carlo bekannt, führten sie nach England, Schottland und Irland. Er bestritt Einzelausstellungen in Adenau, Bonn, Köln, Trier, Koblenz, Duis-burg, Mainz, Frankfurt und Stuttgart. Als einen Vertreter der Plastik mit reduzierter Formensprache zeigte etwa die renommierte Kölner Baukunst-Galerie, die seit 1964 internationale Kunstgrößen präsentiert, 1993 die Plastiken von Müller-Feyen.9! Seit Jahren durch die Galerie Döbele vertreten, war er viele Male auf der Art Cologne, der größten internationalen Kunstmesse präsent. Seine Arbeiten befinden sich in öffentlichem Besitz, so im Bonner Bundeskanzleramt, Forschungsministerium, Städteministerium und Rheinischem Landesmuseum, im Städtischen Museum Trier, im Skulpturenmuseum Scheweningen/Holland, im Landesmuseum Mainz und im Ahrkreis. Dort sind sie anzutreffen in Berg (Grundschule, dreiteilige Archetypengruppe), in Adenau (Pfarrkirche, Fenster; Grundschulgelände, Großplastik Archetyp), Altenahr (Straßenmeisterei, Flächenklappung) und Ahr-weiler (Kreisverwaltung, Keramikarbeit; Realschule, Flächenklappung). Seit kurzem ragt eine vom Ehepaar Gerling-Köhne erworbene Großplastik in Castrop-Rauxel (Gewerbepark) auf. Eine weitere kam in Bad Godesberg gegenüber der Redoute als Leihgabe des Ehepaares Peter und Karin May zur Aufstellung.

Der schon früh einsetzende Erfolg vermochte indes über weite Strecken den Lebensunterhalt nicht zu sichern. Um seine Existenz wirtschaftlich zu stützen und ein künstlerisch konsequentes Schaffen zu ermöglichen, arbeitete Müller-Feyen von 1971 bis 1992 mit einer halben Stelle als Kunsterzieher am Adenauer Erich-Klausener-Gymnasium, wo er die Schüler in seiner intensiven einfühlsamen Art an die Kunst heranführte.

Im Haus des Künstlers entstehen seine Bilder und Kleinplastiken. Die großen Skulpturen fertigt er im Steinmetzbetrieb "Mauer und Kantner", wo man ihm, wie er dankbar bemerkt, "großzügigerweise einen Platz eingeräumt" hat, um diese Projekte zu realisieren.

Eine konsequente künstlerische Entwicklung, ernsthafte Auseinandersetzung und immenser Fleiß führten Bernhard Müller-Feyen dorthin, wo er heute steht: Er nimmt eine anerkannte Position in der internationalen Kunst ein. Beim Archetypen ist er ganz in seinem Element - seelisch, geistig und kreativ. Der Archetyp darf als "eine Art von Synthese seines bisherigen künstlerischen Bemühens verstanden werden" und als "ein Grundmotiv seiner Weltsicht"10). Durchdrungen von der Bedeutung dieses erarbeiteten Themas ist der Künstler überzeugt:

"Und wenn ich 100 Jahre alt würde, könnte ich noch aus diesem Konzept schöpfen".

Anmerkungen:

  1. Wenn keine anderen Angaben erfolgen, beziehen sich die Zitate auf ein Gespräch mit dem Künstler in seinem Adenauer Haus am 17. Juni 1997.
  2. Merten, Ralph: Bernhard Müller-Feyen, Die Archetypen, hrsg. v. Landesmuseum Mainz und Autor, Mainz 1988, S. 14
  3. a. a.O., S 24.
  4. a. a 0., S.18.
  5. Pohl. Walfried: Bernhard Müller-Feyen, Zeichnungen und Skulpturen. Katalog Galerle Wllbrand, Köln 1982. nicht paginiert.
  6. Vortrag von Dr. Gerhard Kolberg, Oberkustos für Skulptur des 20. Jahrhunderts im Museum Ludwig, Köln, gehalten am 12. Mai 1993 In der Baukunst Galerie Köln anläßlich der Vernissage zur Ausstellung "Bernhard Müller-Feyen Archetypen in Stein und Eisen" (13. Mai bis 25. August 1993), gedruckt, nicht paginiert. Zu dem speziellen von C. G. Jung geschaffenen Bedeutungsspektrum steht der Müller-Feyensche Begriff in keiner Beziehung. Vgl. dazu Merten, S. 42,43.
  7. Über die Formfindung der Skulpturen durch Malerei berichtet ausführlich Markus Döbele: Bernhard Müller-Feyen Skulpturen 1992 -1995. Suttgart 1995. S. 10- 14.

  8. Nothacker, Regine: Der Archetypus eine Chiffre der Existenz für Individuum und Menschheit, in: Jahrbuch der Stadt Adenau 1994. S. 71 -73, S. 71.

  9. Siehe "Kunstraum Düsseldorf. Köln, Bonn", hrsg. v. den Industrie-und Handelskammern zu Düsseldorf, Köln und Bonn, Köln 1995, S. 64. Der Führerstellt Galerien und Institute vor. die sich milder Kunst des 20. Jahrhunderts befassen und ein konzentriertes Angebot international diskutierter Kunst und Künstler bieten.

  10. Wolfgang Venzmer und Berthold Roland im Vorwort von Merten, S. 8.