Aktiver Strukturwandel heißt vor allem vom "Ich" zum "Wir"
Maternus Fiedler
Am 1. Januar 1995 ist der Startschuß für das Projekt "Gesundheits- und Fitneßregion Kreis Ahrweiler" gefallen. Damit hat der Kreis eine entscheidende Weichenstellung für einen aktiven Strukturwandel in der Region eingeleitet. Daß es hierfür höchste Zeit war, ist nicht erst seit dem Beschluß des Deutschen Bundestages zum Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin unbestritten. Die Menschen insgesamt haben sich, haben ihre Bedürfnisse und Einstellungen verändert. Ob Einwohner, Konsumenten oder üäste - ihre Wünsche, Wertigkeiten und ihr Bewußtsein stellen bereits heute ganz andere Anforderungen an Lebensqualität, Arbeitsplatz, Angebot und Lebens- wie Erlebnisumfeld als in den vergangenen Jahrzehnten. Und daß dies keine kurzlebige Modeerscheinung ist, darüber sind sich alle Markt- und Zukunftsforscher einig. Vielmehr wird die zukünfige Entwicklung mit noch wesentlich einschneidenderen Veränderungen prognostiziert. Besonders an Bedeutung gewinnen immer mehr ökologische Aspekte, die sinnvolle Verbindung von Ökonomie und Ökologie, das Harmoniebedürfnis, Naturerlebnis, aktive und gesundheitsbewußte Lebens- und Erlebnisweisen, ganzheitliche Angebots- und Leistungsformen in Therapie und Medizin u.v.m.
Worum geht es?Was bedeutet das für uns? Für unseren Kreis, unsere Region? Wenn wir uns und vor allem den nachfolgenden Generationen ein attraktives Umfeld für Wohnung, Freizeit und Arbeit erhalten und fortentwickeln wollen, müssen wir uns diesen veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Aber anpassen allein wird nicht ausreichen! Denn die komplexen Zusammenhänge von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mechanismen und Entwicklungstrends erfordern mehr. Wir stehen im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen Regionen und Ballungsgebieten in Deutschland und Europa. Deshalb werden wir nur erfolgreich sein, wenn wir es erreichen
ein unverwechselbares, geschlossenes regionales Profil zu entwickeln und
vom "kleinkarierten Kirchturmsdenken" zum gemeinsamen Handeln und zur gemeinsamen Stärke, also vom "Ich" zum "Wir" gelangen, um damit eine regionale Indentität zu schaffen.
Die Vision, den Kreis Ahrweiler zu der "Gesundheits- und Fitneßregion" in Deutschland zu entwickeln, und damit ein Profil, ein "Bild" nach innen wie außen zu schaffen, das einzigartig ist, wundert nicht. Denn ein Kreis mit
auf engstem Raum verdichteten natürlichen und vielfältigen Ressourcen (von den Heilquellen über die Mineralquellen von 5 bedeutenden Mineralbrunnenbetrieben bis hin zur Vielfalt der Landschaft),
3 Kurorten mit ihren leistungsfähigen Kliniken und Nachsorgeeinrichtungen (Bad Neuenahr, Bad Breisig, Bad Bodendorf),
einem vielfältigen Produktangebot der heimischen Land- und Forstwirtschaft, des Obst- und Weinbaus auf zunehmend ökologisch orientierter Basis,
einer Vielzahl sportlicher, fitneßorientierter Angebotsformen, Rad- und Wanderwegen,
einem umfassenden Freizeitsegment sowie
einem gesunden Branchenmix in Dienstleistung, Handel, Handwerk und Gewerbe, ist prädestiniert, seine Zukunftsgestaltung unter das Thema "Gesundheits- und Fitneßregion" zu stellen.
Das Schaubild zeigt aber auch, daß die "Gesundheits- und Fitneßregion" nicht nur ein Thema des Kurwesens und des Tourismus ist. Alle wirtschaftlichen Branchen, die Politik, die Bevölkerung, jeder einzelne kann hier seine Chance erhalten, von dieser Thematik zu profitieren. Dazu gehört aber zunächst, Eigeninitiative zu ergreifen und einen aktiven Beitrag zu leisten. Eine eigens, allerdings auf maximal 5 Jahre begrenzt eingerichtete Koordinierungsstelle bemüht sich zentral um die Umsetzung der Ideen und Maßnahmen. Zu 50% wird diese Koordinierungsstelle gefördert von Bund, Land, Kreis und den Kommunen. Die verbleibenden 50% kommen aus der privaten Wirtschaft. Es sind dies die Firmen Apollinaris, Kreissparkasse, Energieversorgung Mittelrhein, Aktiengesellschaft Bad Neuenahr und Spielbank Bad Neuenahr.
Regionale Produkte spielen eine zentrale RolleGerade die regionalen Produkte aus dem Landkreis spielen im Pilotprojekt "Gesundheits- und Fitneßregion" eine zentrale Rolle. Sie müssen stärker innerhalb der Region vermarktet werden. Das hilft allen, den Erzeugern ebenso wie dem Handel, aber auch den Kunden und Gästen. Umweltverträgliche Erzeugung und Gestaltung der Angebote sind wesentliche Ziele der Zukunft. Voraussetzung ist aber das aktive Mitwirken der gastronomischen und landwirtschaftlichen Betriebe.
Ein Netzwerk soll informieren und aufklären
Dazu gehört z.B. eine umfassende Verbraucherinformation, mittelfristig als kombinierte Produktbörse und regionale Verbraucherzentrale. Das hierfür Bedarf und Bereitschaft besteht, beweist die Resonanz auf eine Umfrage bei den landwirtschaftlichen Betrieben. Inzwischen sind die Planungen für ein zukünftiges "Netzwerk Gesundheit" von der Koordinierungsstelle weiter vorangetrieben worden. Die Realisierung dieses wichtigen Instrumentes ist in Teilbereichen bereits 1997 vorgesehen. So soll es bereits im Frühjahreinen zentralen Vertrieb (Profit-Bereich) für regionale Produkte nach dem Motto "aus der Region für die Region" geben. Hotellerie und Gastronomie, aber auch Einzelhandel können dann zentral die regionalen Produkte ordern. Parallel soll eine Informations- und regionale Verbraucherzentrale (Non-Profit-Bereich) dafür sorgen, daß die Produkte auch den qualitativen Anforderungen des Verbrauchers an gesunde Erzeugung und Verwertung entsprechen.
Aber es sind nicht nur die landwirtschaftlichen Produkte, um die es geht. So spielt zum Beispiel der Sport eine weitere wichtige Rolle. Mit 190 Sportvereinen verfügt der Kreis über aktive Ressourcen, die in die Angebotspalette aus der Region gehören. Konkrete Leistungen für Gäste - direkt vom Sportverein an das Hotel oder den Gast gerichtet - das ist die erste Maßnahme, die sich der Sportkreisvorstand als Beitrag zur Gesundheits- und Fitneßregion vorgenommen hat.
Weiter reicht die regionale Produktpalette vom medizinisch/therapeutischen Angebot über das hier im Landkreis produzierte Bandscheibenfahrrad bis hin zu umweltverträglichen Farben und Lacken. All diese Angebote und die Informationen dazu zu vernetzen, aufzuklären, zu schulen und weiterzubilden, das soll die "Netzwerkzentrale Gesundheit" leisten.
Aus zwei wesentlichen Säulen wird das gesamte Vorhaben "Netzwerk Gesundheit" bestehen.
Kreisweite und lokale Aktivitäten werden koordiniert
Speziell der Umsetzung von Ideen "vor Ort" widmen sich Arbeitsgruppen in den einzelnen Gebietskörperschaften. So treffen sich inzwischen in allen Städten und Verbandsgemeinden engagierte Gruppen etwa alle 2 Monate, um das Profil der "Gesundheits- und Fitneßregion" auch vor Ort durch konkrete Maßnahmen zu realisieren. Über 30 solcher Arbeitsrunden haben im ersten ^ Jahr stattgefunden. Jeder Teilbereich des Landkreises erhält so ein festes Standbein und seine besondere Bedeutung im "Mosaik der Gesundheits- und Fitneßregion".
Zu den überörtlich geplanten Maßnahmen zählt eine kreisweite Produkt- und Freizeitroute mit einer entsprechenden Karte sowie begleitenden Marketingaktivitäten'. Eine Thermen-Straße von Bad Neuenahr über Bad Bodendorf bis Bad Breisig mit unterschiedlichen Erlebnisbereichen könnte ein neues, überregional einmaliges Gemeinschaftsangebot der drei Kurorte werden. In Kooperation mitder deutschen Weinakademie will man ein neuartiges Institut zum Thema "Wein und Gesundheit" aufbauen.
Themenwanderwege wie "Wacholderweg", "Köhlerstraße" oder "Auf den Spuren der Römer" sollen zu einem festen Markenzeichen für Wanderer und Naturfreunde werden. In Hotellerie und Gastronomie werden spezielle Kriterien zur Angebotsgestaltung unter Gesundheits-und Ökologie-Aspekten erarbeitet. Die Ergebnisse werden dann in Seminaren und Erfahrungsgruppen gemeinsam mit den Betrieben umgesetzt. In Schulprojekten in Form von Arbeitsgruppen und Projektwochen sollen sich Kinder und Jugendliche mit den Themen der "Gesundheits- und Fitneßregion" befassen.
Konkrete Projektplanungen laufen auf HochtourenWährend in der Verbandsgemeinde Adenau unter anderem das Thema Holzwirtschaft eine große Rolle spielen kann, geht es beispielsweise im Brohltal um die Weiterentwicklung von Geo-Erlebnisbereichen. Im Rheintal, von Remagen über Sinzig bis Bad Breisig, könnten innovative Sportangebote neue Akzente setzen. Im Bereich der Mittelahr wird über Angebote zu Therapie- und Gesprächswanderungen diskutiert. Bad Neuenahr-Ahrweiler hat seine Projekte im Rahmen der Vision 2010 bereits vorformuliert. Gesundheit und Fitneß sind hier bereits im zukünftigen Leitbild fest verankert.
In der Gemeinde Grafschaft bezog der"Tag des offenen Bauernhofes" am 26./27. Oktober 1996 in Gelsdorf den ganzen Ort und seine Strukturen mit ein. Zur Reihe der Veranstaltungen unter dem Aspekt regionaler Produkte zählen auch zum Beispiel der 3. Umwelt- und Gesundheitsmarkt, die Apfelprobiertage sowie weitere Angebote in der Region. Damit ist zugleich eine werbemäßig interessante und schlagkräftige Außenwirkung zu erzielen.
Blick in die Römer-Thermen Bad Breisig.
Mut und Durchhaltevermögen sind gefragt
Die nächsten Jahre müssen zeigen, ob die Ideen und Projekte nicht nur realisierbar, sondern auch erfolgreich sind. Das wird entscheidend davon abhängen, ob aktive Mitstreiter in den verschiedenen Branchen zu finden sind. Die Anstrengung lohnt, um mit diesem Pilotprojekt wesentliche Meilensteine für den Strukturwandel des Landkreises zu setzen und damit Arbeitsplätze wie Lebensqualität zu erhalten und weiter auszubauen. So unstrittig diese Ziele sind, so schwierig wird der Weg dahin sein. Durchhaltevermögen und Mut sind gefragt, dann kann es gelingen, die Zukunft positiv zu gestalten.