25 Jahre Rotweinwanderweg

Mit Hemden und Handtüchern ins Linienfeststellungsverfahren

Dr. Karl Näkel und Heinz Korbach

34 Kilometer lang schlängelt sich der Rotweinwanderweg hoch über dem Ahrtal durch die Weinlagen des Rotweinparadieses. Rebsorte für Rebsorte liegt dem Wanderer in der herrlichen Landschaft zu Füßen. Hinter jeder Biegung des Weges präsentiert sich das Tal neu. Atemberaubende Ausblicke auf die Orte machen Lust auf eine gemütliche Weinprobe. Überall locken Weinstuben und die Kellereien der berühmten Genossenschaften. Nicht ohne Grund steht in den Prospekten der Fremdenverkehrswerbung geschrieben: "Gäbe es ihn nicht bereitsseit 1972, der Rotweinwanderweg müßte unbedingt neu erfunden werden."

Daß es ihn gibt, ist vor allem zwei Männern zu verdanken. Denn ohne die Initiative von Heinz Korbach, seinerzeit Land rat des Kreises Ahr-weiler, und Dr. Karl Näkel, ehemals Vorsitzender des Demauer Eifelvereins, wäre die Region möglicherweise heute noch ohne jenen Prachtweg, der zu den schönsten Deutschlands zählt. Ihr würde ein unverwechselbares Markenzeichen fehlen, das weithin und mit großem Erfolg für das Ahrtal wirbt. Ein Erfolg, von dem auch die "Geburtshelfer" von, damals nur zu träumen gewagt haben. Wen wundert's: 1997 soll er kräftig gefeiert werden, der 25. Geburtstag des Rotweinwanderweges. Mit von der Partie ist natürlich der Ei feiverein, ohne dessen Zutun der Wanderweg nie entstanden wäre. (Die Red.)

Zugegeben, ein bißchen stolz sind wir schon auf das, was wir vor 25 Jahren von Dernau ausgehend auf den Weg gebracht haben. Wir hatten aber, auch das wollen wir fairerweise sagen, die richtige Mannschaft beisammen. Allesamt Männer, die sich vor keiner Entscheidung scheuten. Und wir handelten in einer Zeit, in der es sicherlich leichter war, solche Ideen in die Tat umzusetzen. Heute ist es wahrscheinlich schwieriger, eine neue Beschilderung am Rotweinwanderweg vorzunehmen, als ihn, wie damals geschehen, völlig neu in den Steillagen auszuweisen und herzurichten. Herrje, wenn wir allein an die Sprengungen denken, die nötig waren, um durch manchen Felsen zu kommen! Was gab' das heute für ein Geschrei und was für einen Papierkrieg mit Ungewissem Ausgang!

Für verrückt haben sie uns damals erklärt, die Leute. Na ja, manchmal hatten sie ja auch Grund dazu. Bei unserem "Linienfeststellungs-verfahren" für das erste Teilstück von Dernau nach Altenahr beispielsweise (die Teile des Weges von Dernau bis Bad Bodendorf kamen ja in den nächsten Jahren erst nach und nach hinzu). Dieses Verfahren war allemal von der besonderen Art und hat manchem Außenstehenden ein unlösbares Rätsel aufgegeben. Wir wissen heute kaum noch, wo wir die alten Lumpen, Hemden und Handtücher hergeholt haben, die wir in die Weinberge gehängt haben, um jene Route zu markieren, die unserer Meinung nach paßte. Will sagen, in einer höhengleichen Linie so verlief, daß man möglichst viel sehen konnte, also jederzeit einen schönen Blick übers Tal und über die Weinlagen des Anbaugebietes hatte.

 

Landrat Heinz Korbach bei der Eröffnung des Rotweinwanderweges am 3. Juni 1972.

 

Dr. Karl Näkel (3. von links) bei einer Wanderung auf dem Rotweinwanderweg.

Fest steht - für jedermann heute noch erkenntlich - unsere Methode hatte Erfolg und wir eine klare Vorstellung, wo's einmal lang gehen sollte. Auch von unten, von der Straße aus, konnte man den geplanten Weg gut erkennen. Wie an einer riesigen Wäscheleine festgeklammert leuchteten unsere "Signale" zwischen den Rebstöcken. Klar, daß das eine oder andere Hemd beim ersten Versuch noch zu tief oder etwas zu hoch hing. Aber damals waren wir selbst ja noch tüchtige Wanderer, kamen mühelos ein paarmal die Berge rauf und runter, um das zu korrigieren. Immer wieder nahmen wir mit den Augen Maß, ehe noch ein anderer loslegen durfte. Denn für die ersten Markierungsarbeiten hatten wir unseren "Stuck" verpachtet. Hermann-Josef Schmitz, genannt "Stuck" und ein in Dernau bekannter und beliebter Alleskönner, setzte für uns die ersten gelben Punkte an die Felsen oder auf große Findlinge am Wegesrand. Gelbe Punkte, mit denen wir die Zukunft des "Roten" sichern wollten. Denn um die Entwicklung neuer Perspektiven ging's uns vor 25 Jahren in erster Linie. Jahrelang hatten wir, der Eifelverein und die Kreisverwaltung, hin und her überlegt, wie wir die Zukunft des Ahrrotweines sichern könnten. Viele Möglichkeiten wurden diskutiert und schließlich wieder verworfen. Bis der Geistesblitz kam. "Der Weg ist das Ziel", jene philosophische Formulierung traf in unserem Falle den Nagel auf den Kopf.

Doch es war nicht leicht, alle vom Sinn eines Rotweinwanderweges zu überzeugen. Der Kritiker gab es nicht wenige. Um so mehr ist den Mitgliedern des Eifelvereins zu danken, ohne die wir das Vorhaben nie hätten umsetzen können. Viele Winzer beispielsweise fürchteten um ihre Trauben, glaubten wohl, daß die Wanderer diese kiloweise in ihre Taschen und Rucksäcke stecken würden. Auch Wirte mochten unsere Begeisterung nicht teilen. Sie dachten, die Wanderer würden hochdroben in den Weinbergen an ihren Häusern vorbeimarschieren und keinen Fuß in ihre Stuben setzen.

Alles Unfug! Ein großer Teil unseres Weines, und das ist auch heute noch so, geht im Kofferraum jener Gäste mit, die nach einer Wanderung irgendwo zufrieden mit dem, was im Glase war, ihren Durst gestillt haben. Es ist immer wieder und überall im Tal der roten Traube zu beobachten: Der Wanderer fühlt sich gut, der Wein mundet und wandert dann in größeren Rationen in die Autos mit Kölner, Düsseldorfer oder Bonner Kennzeichen.

Doch sei's drum. Für uns gab's damals ohnehin kein Zurück mehr. Zu sehr wirkte die Idee schon in unseren Köpfen. Keiner mochte mehr zurücknehmen, was wie ein "Rütli-Schwur" im Jägerstübchen von Mayschoß festgeklopft worden war. Ja, bei einem Treffen in jenem Gasthaus hatten wir den Bau des Weges beschlossen. Als wir uns einig waren, herrschte in Sachen Verwirklichung bereits große Zuversicht. Ein altes Klavier wurde mächtig strapaziert und mußte für manches Wanderlied herhalten, das die fröhliche Runde ohne Rücksicht auf Verluste schmetterte (keiner weiß, wie oft allein die blauen Dragoner durch den Gastraum stürmten). Denn es war wahrlich kein kleiner Kreis, der jenen feucht-fröhlichen Beschluß von großer Tragweite faßte - und am Tage danach noch nüchtern dazu stand. Die Ortsbürgermeister von Dernau, Rech, Mayschoß und Altenahr saßen ja mit uns und dem damaligen Büroleiter der Kreisverwaltung, Jean Linden, am Tisch.

Letztlich ging's dann schnell. Weil alle begriffen hatten, was heute immer mehr in Vergessenheit geraten ist: Alleine sind wir nichts, gemeinsam sind wir stark. Das Miteinander ist besser als das Gegeneinaner. Und nur miteinander ließ sich auch der Rotweinwanderweg schaffen. Schon ein Veto des Kulturamtes hätte das Scheitern bedeutet, ohne die Unterstützung dieser Behörde hätten wir nie und nimmer einen durchgehenden Weg dieser Länge bauen können. Aus der heutigen Sicht wäre das mehr als nur schade gewesen. Denn der Rotweinwanderweg wurde für die Gemeinden der Mittelahr zur Klammer. Er hat ihre Gemeinsamkeit gestärkt, sie im wahren Sinne des Wortes miteinander verbunden. Mehr noch! Er hat deren Selbstwertgefühl gesteigert. Es ist schön, heute ein solches Resümee ziehen zu können. Denn die Geschlossenheit im Gebiet zu erreichen, den Zusammenhalt der Menschen zu fördern, dies war immer ein Grundmotiv, das uns bewegte. Deshalb gab es ja auch lange Zeit den Bezirkswandertag auf dem Rotweinwanderweg. Erführte die Ortsgruppen der Gegend zusammen und lockte viele andere Menschen zur gemeinsamen Feier hinzu. Der Erfolg war, fast möchten wir sagen leider, er war so groß, daß er den Rahmen sprengte. Immerhin schnürten sich rund zehntausend Menschen ihre Wanderschuhe.

Wanderparadies Rotweinwanderweg.

Der Rotweinwanderweg
Eröffnung: 3. Juni 1972
Gesamtlänge: rund 34 km
von Altenahr bis Bad Bodendorf
Weglänge zwischen den Orten:
Altenahr - Mayschoß 4,0km
Mayschoß - Rech 3,0 km
Rech - Dernau 4,0 km
Dernau - Marienthal 4,0km
Marienthal - Walporzheim 4,0 km
Walporzheim - Ahrweiler 4,0 km
Ahrweiler - Bad Neuenahr 6,0 km
Bad Neuenahr - Heppingen 5,0 km
Heppingen - Heimersheim 2,0 km
Heimersheim - Lohrsdorf 2,0 km
Lohrsdorf - Bad Bodendorf 4,0 km

Die heutige Zeit mag daran ihren Anteil haben. Wer den Rotweinwanderweg heute annimmt, in Jahren also, in denen Individualität zur Mode geworden ist, in denen deshalb vielfach Einsamkeit herrscht, der sucht und findet wieder die Geselligkeit, den Spaß in der Wandergruppe. Und er erlebt das Gefühl der Zufriedenheit und des inneren Glücks, das ihm das Wandern als besondere Form des Naturerlebnisses bietet. Dieses Gefühl und ein herrliches Glas Rotwein in gemütlicher Runde in der Hand können dem Menschen über viele Sorgen des Alltags hinweghelfen. So gewinnt der Rotweinwanderweg zusätzlich einen hohen Wert. Die Karibik oder Teneriffa können da nicht mithalten.

Vor diesem Hintergrund ist es von enormer Bedeutung, nach Mitteln und Möglichkeiten zu suchen, die Menschen im Tal zu motivieren, den Weg nicht nur weiterhin anzunehmen, sondern zu pflegen und fortzuentwickeln. Auch wenn es uns freut, daß eine junge Ortsweinkönigin dem Rotweinwanderweg kürzlich ein Alter von 150 Jahren zusprach - so sehr ist er anscheinend bereits in den Köpfen verankert - er darf nicht zur Selbstverständlichkeit werden. Möge er stattdessen als Beispiel wirken für das was machbar ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Überall könnte man Paradiese schaffen...