"Waldgut Schirmau" in der Gemeinde Schalkenbach

Der lange Weg von einer bäuerlichen Siedlung zum Seniorenerholungsheim der Stadt Krefeld

Rudolf Leisen

Der Schirmerhof

Bis zu Anfang dieses Jahrhunderts war der Schirmerhof an der Quelle des alten Schalkenbaches zwischen Weiselstein und Burglei, eine abgelegene und kaum bekannte kleinbäuerliche Siedlung im südlichen Teil des Kreises Ahrweiler. Über die Geschichte und ihre Bewohner sind wir infolge fehlender Archivalien aus früheren Jahrhunderten nur sehr unzureichend unterrichtet.

Anfang unseres Jahrhunderts wurde dort bei Bauarbeiten eine römische Badeanlage angeschnitten, die allerdings nicht wissenschaftlich untersucht und später zugeschüttet wurde. Lediglich die hierbei gefundenen Gefäße und eine Reibschüssel wurden aufbewahrt. Diese Fundstücke konnten später von Fachleuten genauer untersucht und einwandfrei der römischen Zeit zugeordnet werden. Dadurch haben wir zwar den Beweis, daß auf der Schirmau, nahe der uralten Verbindungsstraße, der Kohlstraße, schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten eine Siedlung existierte.1) Es ist aber nicht bekannt, ob die Schirmau auch durchgehend besiedelt war.

In dieser "abgeschirmten", von Wald umgebenen Lage blieben die Bewohner vermutlich oft von kriegerischen Raubzügen verschont. Da kaum befahrbare Zufahrtswege existierten, blieb das Gebiet allerdings wohl stets siedlungsfeindlich.

Der umliegende Wald bot nicht nur dem Wild, sondern auch den Viehherden aus den angrenzenden Gemeinden Nahrung. Dies wiederum führte nicht selten zu Weidestreitigkeiten. Auf der Schirmau wurde im Jahre 1724 ein solcher Streit zwischen den Gemeinden Dedenbach und Schalkenbach geschlichtet.

In diesem Abkommen ist zu lesen:
"woneben ferner verabredet, daß die Schirmauller auch kehren undt wendten sollen undt wollen, wo die Schalkenbacher kehren und wendten, außer daß besagte Schirmauller die mit Dedenbachern vorhin beweideten Wiesen auch fürsthin mit denselben zu gewohnlicher Zeit benutzen sollen, alles ohne Geschehene undt Arglist, in Warheits Urkundt haben neben außer herrschaftlichen Richter undt Kellnern auß jeder Gemeinden zwei Schotten undt die zeitlichen Bürgermeistern diese gütliche Entscheidung unterschrieben undt mit ihrem Haußmerkhen unterzeichnet, also gesehen und abgehandelt in der Schirmaull den 29. März 1724.2) In dem ganzen umliegenden Waldgebiet waren über Jahrhunderte Köhler tätig, die während der gesamten Brennzeit - von März bis Frostbeginn - in ihren Hütten lebten. In dieser Zeit sah man den Rauch von zahlreichen Kohlemeilern emporsteigen. Es wird von einem Köhler berichtet, der sich eine Ziege mitgenommen hatte und diese in seiner Nähe weiden ließ. Ein Waldgeist soll ihm der Sage nach die Ziege gestohlen haben.

Später hat sich der Vorteil dieser Abgeschiedenheit dann ins Gegenteil verwandelt, da die besseren Lebens- und Arbeitsverhältnisse in vielen Dörfern durch den aufkommenden Handel immer deutlicher ins Bewußtsein traten. So setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, den mühsam erhaltenen Wohnplatz "Schirmau" aufzugeben, um bessere Lebensmöglichkeiten zu bekommen. In einer Urkunde vom 16. Februar 1699 war die "Schirmaull" sogar noch als Dorf bezeichnet worden.3) Nach einem Vertrag vom 28. August 1743 ist der Schirmerhof (Schirmaull mit Haus undt Hoffweiden) von Christian Meurer für einen Beitrag von 29 Rthl. 70 Albus 4 Heller an Joh. Engel verkauft worden.4) Später wechselten die Besitzer dann noch mehrfach.

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Max von der Leyen.    

         Emmy von der Leyen.

Der Schirmerhof und Max von der Leyen

Selten jedoch ist eine Siedlung oder Hofanlage so sehr mit dem Namen einer Person in Verbindung gebracht worden, wie die "Schirmau" mit dem Namen "von der Leyen". Durch den am 31. Januar 1881 in Krefeld geborenen Max Matthias von der Leyen, jüngster Sohn von Heinrich Friedrich von der Leyen und Helene geborene Stinnes, rückte der Schirmerhof, wie er früher im Volksmund genannt wurde, erst in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Nach dem Abitur am humanistischen Gymansium seiner Heimatstadt Krefeld und nachfolgenden Studien an der Universität, genügte er zunächst als Einjährig-Freiwilliger seiner militärischen Dienstpflicht. Am 18. August 1903 zum Leutnant befördert, nahm Max von der Leyen an einem Manöver in der Eifel teil und lernte dabei das schöne Gebiet des Kreises Ahrweiler kennen, damals noch nicht ahnend, hier seine spätere Heimat gefunden zu haben.

Max von der Leyen wird Eigentümer der Schirmau

Dem Krefelder Oberlehrer Peter Wreden - einem seiner Freunde - bekannte Max von der Leyen offen seine Sympathie zu diesen zwar abgelegenen, aber idyllischen Waldgebiet. Er beauftragte Wreden, bei dem damaligen Rendanten des Kempenicher Darlehns-Kassenvereins Rudolf Benner, die Möglichkeiten eines Ankaufes vom Schirmerhof zu erkunden. Dem Eigentümer Johann Porz II wurde ein Kaufangebot in Höhe von 30.000 Goldmark unterbreitet, was auch angenommen wurde. Der Kaufvertrag für die Schirmau mit den dazugehörigen Ländereien wurde am 26. September 1905 vor dem Adenauer Notar Dr. Müll in der Gastwirtschaft von Rudolf Benner in Kempenich unterzeichnet. Wreden hatte damit im Auftrag von Max von der Leyen, der inzwischen zum 1. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam gewechselt war, den Schirmerhof, mit etwa 11 ha Ackerland und 21 ha Wald erworben.5) In den nachfolgenden Jahren konnte Wreden noch eine Vielzahl von Parzellen hinzukaufen und vergrößerte so den Grundbesitz ständig. Heute gehören über 217 ha zum Waldgut Schirmau, welche sich über die Gemeinden Schalkenbach, Dedenbach und Oberdürenbach erstrecken.

Die Schirmau wird eigener Jagdbezirk

Bereits im Juli 1913 war der zur Schirmau gehörende Grundbesitz in der Gemeinde Schalkenbach auf  53,3127 ha und in der Gemeinde Dedenbach auf 41.8865 ha angewachsen. Da nun die erforderlichen mindestens 75 ha Gesamtfläche im Zusammenhang lagen und von keinem fremden Grundstück unterbrochen wurden, genehmigte der Landrat des Kreises Ahr-weiler mit Schreiben vom 13. Dezember 1913, gem. § 4 Abs. 2 der Jagdordnung die Bildung eines Eigenjagdbezirkes.6) Max von der Leyen faßte den Entschluß, die alten Fachwerkbauten abzureißen und hiereinen repräsentativen Gutshof zu errichten. Für den Ausbau des Schirmerhofes wurde im Jahre 1909 das Architektenbüro Koch & Wreden in Homberg-Niederrhein zu Rate gezogen und mit der Fertigung von Bauplänen beauftragt. Auf der Schirmau war bald eine rege Bautätigkeit zu beobachten, welche allerdings durch den I.Weltkrieg 1914-18 etwas ins Stocken kam, da Max von der Leyen sich noch bis zum Kriegsende als Offizier an verschiedenen Frontabschnitten befand. Für die Zeit des Krieges war ein Förster mit der Verwaltung beauftragt. Nach Kriegsende kehrte Max von der Leyen auf sein Gut zurück und ließ den Plänen des Architekten W. Maas in Bad Godesberg noch eine Remise mit darüber liegender Försterwohnung errichten. In diesem Gebäude befindet sich heute der Schankraum für die Gäste. Von den alten Gebäuden hat nur ein Fachwerkhaus die Aus- und Umbauzeit bis heute überlebt, alle übrigen sind leider der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Im Jahre 1919 heiratet Max von der Leyen dann gegen alle Widerstände aus dem Kreise seiner Familie Emmy Harten aus Berlin, eine Frau, die er als Soldat kennengelernt hatte. Fortan wohnte das Ehepaar auf Gut Schirmau, wo nun eine rege Betriebsamkeit zu beobachten war. Hier traf man sich mit Freunden aus der ganzen Umgebung zur Jagd und die Schirmau erlebte glanzvolle Zeiten.

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Gut Schirmau im Jahre 1915. Im Hintergrund der von Wacholder bedeckte Weiselstein.

"Max-von-der-Leyen-Stiftung"

Nach dem Tode von Max von der Leyen, er starb am 31. Januar 1967 genau an seinem 86. Geburtstag, siedelte seine Frau Emmy nach Bad Godesberg um, wo sie die letzten Jahre in ihrer Villa wohnte. Sie starb am 9. März 1977 im Alter von 94 Jahren. Da das Paar ohne Nachkommen war, hatte Emmy von der Leyen in ihrem Testament vom 27. Dezember 1973 die Stadt Krefeld als Erbe eingesetzt. Dieses Testament hatte sie dann am 22. August 1976 mit dem Zusatz ergänzt, daß das Gut Schirmau als eine Stätte der Begegnung, Fortbildung und Erholung, insbesondere für alte und bedürftige Leute aus Krefeld eingerichtetwerden solle. Die Stadt Krefeld hat dieses Erbe nach ihrem Tode angenommen.

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Gut Schirmau als Stätte der Erholung, 1995.

Um nun die Auflagen der letztwilligen Verfügung der Erblasserin zu erfüllen, wurde am 20. September 1984 der Verein "Förderkreis Gut Schirmau" gegründet, welcher beim Amtsgericht Krefeld eingetragen ist. Dieser Verein nahm seine Arbeit auf und wacht seither über die Einhaltung des Stifterzwecks. Die Gebäude wurden mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen DM in ein Erholungsheim für Senioren ausgebaut.7) Der Förderkreis und die Stadt Krefeld sahen es zudem als ihre Verpflichtung an, hiermit die geschichtliche Beziehung zur Familie von der Leyen zu erhalten. Zum ständigen Andenken, insbesondere an ihr Wirken in der Stadt Krefeld, trägt das Seniorenerholungsheim darum zu Recht die Bezeichnung "Max-von-der-Leyen-Stiftung". Heute bietet der schöne Gutshof mit dem reizvollen Umfeld den erholungssuchenden Bürgern von Krefeld die Möglichkeit der Entspannung und des Kräftesammeins. Eingebettet vom satten Grün der Wiesen und Wälder, die sich bis über die Höhenzüge erstrecken, ist das Waldgut Schirmau, auf dessen ausgedehnten Weideflächen sich eine große Ziegenherde tummelt, gemäß dem Willen der Stifter, ein viel besuchter Ort der Erholung geworden. Hier sind alle zur Verfügung stehenden Plätze jeweils schon lange vor Saisonbeginn belegt.

Anmerkungen:

  1. Prof. Otto Kleemann. Vor- und Frühgeschichte des Kreises Ahrweiler und Sammlung Prof. Dr. B. Kreutzberg
  2. Landesnauptarchiv Koblenz Abt 53 G 25 Nr. 834 S 1-4
  3. ebenda Bestand Landskrone 2581
  4. ebenda Bestand 40/593
  5. Stadtarchiv Krefeld Bestand 40/32 Nr 120 (Gut Schirmaul
  6. Archiv R. Leisen Ramersbach
  7. Stadtarchiv Krefeld Bestand 40/32 (Gut Schirmau)