Guido Kaspari
Die vulkanische Landschaft des Laacher See-Gebietes mit den umgebenden waldbestandenen Höhen sowie die beeindruckende Wirkung des weiten Kessels des Lacher Sees stellt ein bedeutendes und einmaliges Teilgebiet des Eifelvulkanismus dar. Das quartäre Vulkanfeld der Eifel ist Zeugnis eines jungen, bis in die Gegenwart reichenden Vulkanismus. Neben dieser geologischen Einzigartigkeit kann der Laacher See aber eine weitere, oft unbekannte und im Schatten der Geologie stehende Besonderheit aufweisen, den Fulbert-Stollen. Mit Hilfe dieses Stollens am südlichen Ufer des Laacher Sees konnte der Wasserspiegel des ursprünglich abflußlosen See abgesenkt bzw. reguliert werden.
Der Laacher See bedeckt eine Fläche von 3,3 qkm bei einer Uferlänge von 7,1 km. Er ist somit das größte natürliche Gewässer im Rheinischen Schiefergebirge und darüber hinaus der gesamten nördlichen Mittelgebirgsregion. Die maximale Tiefe beträgt 53 m, die mittlere Tiefe etwa 32,1 m. Einziger, aber unbedeutender Zufluß ist der Bellerbach, der von SW zufließt. Der See wird somit hauptsächlich durch Niederschlagswasser sowie durch im See liegende Quellen gespeist. Insgesamt hat das Einzugsgebiet eine Fläche von über 12 qkm. Etwa zwei Drittel der Landfläche wird von Wald bestanden. Der verbleibende Rest wird meist landwirtschaftlich genutzt.
HochwasserschutzEntsprechend der unregelmäßigen Wasserzufuhr (das Jahresmittel der Niederschläge liegt um 650 mm) hat auch die Höhe des Wasserspiegels geschwankt. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß der abflußlose See jemals vollbzw. übergelaufen ist, denn bei steigender Höhe nimmt auch die Verdunstungsfläche zu. Der Wasserspiegel reichte daher bei hohen Wasserständen max. 15 m über den heutigen Seespiegel bis zur Höhe der Straße am Kloster hinauf. Als Beweis hiertür zählen die Schalen der Schnecke Bithynia teutaculata, die man auf den Flächen zwischen dem heutigen Seeufer und der Straße gefunden hat. Funde menschlicher Siedlungstätigkeit am Ufer des Laacher Sees reichen über die römische bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück.
Die schwankenden Wasserstände verbunden mit den zeitweiligen Überschwemmungen der Klostergebäude (Schäden an der Krypta und Münsterkirche) zeigten den Mönchen des 1093 gegründeten Klosters recht deutlich die Notwendigkeit eines Hochwasserschutzes für die Klostergebäude. Weiterhin konnte durch eine Regulierung des Wasserstandes des Laacher Sees eine nicht unerhebliche Fläche nutzbaren Ackerlandes gewonnen werden. Aus besagten Gründen wurde ein Abflußstollen am südlichen Ufer des Sees durch den Kraterrand getrieben.
Der Laacher See mit Kloster Maria Laach von Südwesten, der pfeil
markiert den Seeabfluß sowie die Lage
des Abflußstollens (1986)
Zum Bau des Stollens
Als Bauzeit für diesen beachtlichen Stollen wird bisher immer die Amtszeit des zweiten Laacher Abtes Fulbert (1152 - 1177) angegeben. Der Fulbert-Stollen besitzt eine Länge von etwa 880 m bei einem mittleren Querschnitt von 1,5 x 3,5 m. Vergleichbar dem Bau antiker Stollen wurde die Achse über Tage abgesteckt. Im Verlauf dieser Linie wurden dann in unterschiedlichen Abständen senkrechte Schächte bis zu einer vorher errechneten Tiefe ausgehoben. Von hier aus wurden jeweils nach beiden Seiten Stollen zu den Anschlußschächten vorgetrieben. Nach dem Durchbruch der gesamten ausgehobenen Strecke wurde dem Kanal das notwendige Gefälle gegeben. Aus der Gesamtlänge und dem mittleren Querschnitt ergibt sich eine Aushubmenge von etwa 5.000 cbm, die möglicherweise östlich des Stollens abgelagert worden ist. Die dadurch erreichte Absenkung des Laacher Sees belief sich auf ca. 10 m, der Seespiegel wurde auf eine maximale Höhe von 279,7 m ü. NN eingepegelt. Diese Absenkung brachte am West- und Südufer einen 50 bis 150 m breiten Geländegewinn ein, der von den Mönchen des Klosters Maria Laach landwirtschaftlich genutzt werden konnte.
Die exakte Vermessung und Aufnahme des Stollens wurde von GREWE (1979) durchgeführt. Bei den Untersuchungen im Stollen konnten aber weder Einzelfunde noch Holzverbau-ungen nachgewiesen werden, die einer exakten dendrochronologischen Datierung (Baum-ring-Datierung) nützlich sein konnten. Diese Datierung beruht auf Schwankungen in der Breite oder Dichte der jährlichen Wachstumsringe von Bäumen. Die Breite der Ringe schwankt vor altem wegen jahreszeitlicher Witterungsunterschiede; diese sind innerhalb begrenzter Gebiete gleichartig, so daß in diesen Gebieten ein : Vergleich des Holzes von Bäumen verschiedener Standorte möglich ist. Im vorliegenden Fall kann man trotzdem die Dendrochronologie nutzen.
In der Amtszeit des Abtes Fulbert fällt eine besonders auffällige Niederschlagsdepression im Jahre 1164 auf, die sich bei allen Proben im Gebiet der westdeutschen Eichenchronologie nachweisen läßt. Da man davon ausgehen kann, daß der Stollen unter Abt Fulbert ohne großen technischen Aufwand gebaut worden ist, kommt eine Abdeichung nur schwerlich in Betracht. Aus diesem Grund mußte ein Jahr mit einem extrem niedrigen Wasserstand abgewartetwerden, bei dem gewährleistet war, daß die gesamten Bauarbeiten über der Wasserlinie stattfinden konten.
Dennoch bleibt die Frage offen, ob aus der Depression der dendrochronologischen Werte mit letzter Sicherheit auf das exakte Baujahr des Stollens geschlossen werden kann.
Westdeutsche Eichenchronologie. Für das Jahr 1164 zeigen sämtliche Holzproben eine auffällige Depression (Grewe 1979)mm Jahrringbreite
Mittelalterliche Ingenieurkunst
Da größere Ingenieurbauten für das frühe und hohe Mittelalter äußerst selten sind, stellt sich zu Recht die Frage, woher das für den Stollenbau angewandte Wissen stammte. In der Regel blieben antike Ingenieurbauten noch weit bis ins Mittelalter hinein in Nutzung. Als Beispiele hierfür sind Brückenbauten, Teile des römischen Straßennetzes und nicht zuletzt Kanalbauten zu nennen. Auffällig ist jedoch, daß das Mittelalter nichts mit den teilweise verfallenen und defekten römischen Bauten anzufangen wußte. Es entsteht somit die Vermutung, daß es nördlich der Alpen an technischem Ingenieurwissen fehlte, während die ingenieurtechnischen Traditionen der Antike in Italien selbst weiterlebten. Nur so läßt sich der Mangel an technischen Großbauten in Mitteleuropa im Mittelalter erklären. Der Fulbert-Stollen des Klosters Maria Laach stellt daher eines der wenigen Bauwerke mittelalterlicher Ingenieurkunst dar, die aus dem Raum nördlich der Alpen überhaupt bekannt sind.
Da sich im Mittelalter weit und breit kein Stollenbauwerk vergleichbar des Fulbert-Stollens findet, müssen die Ingenieure ihrtechnisches Wissen beim Studium von ähnlichen Unternehmungen erworben haben, deren Erbauungszeit aber bereits viele Jahrhunderte zurücklag. Erste Projekte dieser Art sind schon 500 v. Chr. in Italien durchgeführt worden und gehen auf die Etrusker zurück.
Trotz dieser Erklärungsmöglichkeit bleibt es aber auch weiterhin unsicher, ob man beim Bau des Fulbert-Stollens an das Wissen der Antike anknüpfte oder ob es sich hier um eine einmalige eigenständige Leistung des Mittelalters handelt.
Bis in das vorige Jahrhundert erfüllte der Fulbert-Stollen seinen Zweck. Erst im Jahre 1844 ließ der damalige Besitzer Delius (die Abtei wurde 1802 säkularisiert) einen neuen, 1.060 m langen Entwässerungskanal bauen, nachdem der ursprüngliche Stollen durch Einbrüche an seinem Südende bei der Laacher Mühle weitgehend unbrauchbar geworden war.
Der Stollen von 1844 liegt unterhalb des Fulbert-Stollens. Die mit dem Bau erreichte Seespiegelabsenkung beträgt etwa 5 m, das heutige Niveau liegt bei 274,7 m ü. NN. Durch diese zweite Absenkung wurden weitere landwirtschaftlich nutzbare Flächen gewonnen, wobei sich die Wasserfläche um 31 % verringerte. Am Südufer ist der Abzugskanal und sein Mundloch deutlich zu erkennen. Vom ursprünglichen Fulbert-Stollen sind allerdings keine oberirdisch sichbaren Spuren vorhanden. Nur durch den sich heute noch in Betrieb befindlichen Stollen von 1844 kann der ansonsten unzugängliche Fulbert-Stollen betreten werden.
Literatur:
GREWE, K. (1979): Der Fulbert-Stollen am Laacher See. Eine
Ingenieurleistung des hohen Mittelatters. - Zeitschr. f. Archäologie d. Mittelalters. 7:
S. 3 - 38, Köln.
KREMER. B.P. (1986): Der Laacher See - zur Naturgeschichte einer bedeutenden
Vulkanlandschaft l. - Natur u. Museum, 116: S. 329 - 364. Frankfurt a. M.
KREMER, B.P. (1987): Der Laacher See - zur Naturgeschichte einer bedeutenden
Vulkanlandschaft II. - Natur u. Museum, 117: S. 1 - 32, Frankfurt a. M.
MEYER, W. (1988): Geologie der Eifel. - 615 S., Stuttgart. MEYER, W. (1992): Das
Vulkangebiet des Laacher Sees. - Rhein. Landschaften, 9: 32 S., Köln.
MEYER, W. (1994): Vulkanpark Brohltal/Laacher See. -98 S. .Koblenz. SCHARF, B.W. (1987):
Limnologische Beschreibung. Nutzung und Unterhaltung von Eifelmaaren. - Ministerium f.
Umwelt u. Gesundheit Rheinland-Pfalz, 117 S., Mainz.