Gerd P. Jung
Die Lebenshilfe für geistig Behinderte, Kreisvereinigung Ahrweiler e.V., ist eine ehrenamtlich tätige und unabhängige Vereinigung von Menschen mit geistiger Behinderung und deren Eltern, von Freunden und Förderern.
Sie versteht sich als Selbsthilfegruppe und örtliche Interessensvertretung dieser zumeist lebenslang auf Hilfe angewiesenen Menschen und bemüht sich um eine Optimierung deren Betreuung und Förderung.
Bundesweit bildeten sich in den 60er Jahren -und unmittelbar nach der Wiedervereinigung auch in den neuen Bundesländern - nahezu flächendeckend Orts- und Kreisvereinigungen. Diese wurden Träger von ersten Einrichtungen für diesen Personenkreis oder trugen durch Bewußtseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit dazu bei, daß z.B. vor etwa 20 bis 25 Jahren erste öffentliche Schulen für Geistigbehinderte in kommunaler Trägerschaft errichtet wurden. Im Frühjahr 1985 kam es endlich auch im Kreis Ahrweiler zur Gründung der Lebenshilfe - Kreisvereinigung. Als Hauptaufgabe erkannten die Gründungsmitglieder die Bau- und Betriebsträgerschaft einer Wohnstätte für Behinderte im Kreis Ahrweiler.
Im November 1992 konnte in Sinzig das Fest des Ersten Spatenstichs und im Mai 1993 das Richtfest in Anwesenheit von Landrat Weiler, Repräsentanten des öffentlichen Lebens, politischen Vertretern, Nachbarn, Eltern und nicht zuletzt unter Mitwirkung zahlreicher behinderter Menschen als zukünftigen Bewohnern gefeiert werden. Beide Veranstaltungen belegten eindrucksvoll, daß hier eine aktive und lebendige Solidargemeinschaft in gemeinsamer Bauherrenschaft den Planungs- und Baufortschritt feierte.
Mit den Feierlichkeiten zur Errichtung dieses ehrgeizigen Wohnstättenprojekts sind sicherlich besonders unterden aktiven Mitgliedern der Lebenshilfe - Kreisvereinigung Ahrweiler nach mehr als 7 Jahren vielfältiger intensiver Bemühungen eine Vielzahl von Gefühlen und Empfindungen verbunden. Da herrscht zuerst große Freude über diesen bedeutenden Schritt voran, den die ehrenamtlich tätige Selbsthilfegruppe erfolgreich vollzogen hat, gepaart mit Zuversicht hinsichtlich des weiteren Fortschreitens. Erleichterung kommt auf im Blick auf die zukünftigen Bewohner und ihre Eltern, die in einigen Fällen schon im Alter von mehr als 70 Jahren ihre behinderten Kinder im Alter von etwa 40 Jahren nun nach der absehbaren Bauzeit versorgt wissen.
Die zukünftigen Bewohner
Ihre ohne jede persönliche Schuld betroffenen Eltern sind demzufolge ohne eine derartige Einrichtung, wie die zu errichtende Wohnstätte, sprichwörtlich bis zur Stunde ihres Todes zur alltäglich fürsorgerischen, ja vielfach zusätzlich pflegerischen Verantwortung als Eltern oder Witwe/Witwerverpflichtet und allein gelassen.
Auch im Sinne der Normalisierung der Lebensbedingungen wird es für die zukünftigen Bewohner wichtig sein, aus der häufig anzutreffenden symbiotischen Abhängigkeit von ergreisten Eltern herauszukommen. In einem alltäglichen, intensiven und selbstverständlichen Austausch mitFreunden, über gemeinsame Aktivitäten und Erlebnisse in einer eher homogenen Wohngruppe wird es ihnen gelingen, das Ziel der Selbstverwirklichung in sozialer Integration in individuell angemessener Art und Weise zu erreichen.
Daneben soll dieses Haus all denen offen stehen, die aufgrund von ungünstigen Famitiensituationen oder aus Gründen einer altersgemäß zu erwartenden Ablösung vom Elternhaus hier eine Wohnung brauchen.
Die Wohnstätte für Behinderte, die in der Regel den Menschen mit einer geistigen Behinderung eine Heimstatt bieten will, ist eine Paralleleinrichtung zur bereits dort bestehenden St. Elisabeth-Werkstatt für Behinderte in Trägerschaft des Caritasverbands für die Diözese Trier. Außerdem steht sie auch den, wenn auch nur wenigen, behinderten Menschen offen, die auf dem freien Arbeitsmarkt eine Anstellung haben. Also: dort arbeiten, im Elternhaus oder in der Wohnstätte wohnen!
Planung und Bau der WohnstätteZur Freude und Feierlichkeit gesellt sich sicherlich auch das Gefühl von Zufriedenheit, Genugtuung, ja Selbstbewußtsein für all diejenigen, die sich ehrenamtlich und uneigennützig für das große Ziel eingesetzt haben, den Bau einer Wohnstätte für Behinderte mit insgesamt 31 Plätzen und einem geschätzten Kostenvolumen von 4,051 Mio. DM in Trägerschaft einer Selbsthilfegruppe.
Schon bald nach Gründung der Lebenshilfe -Kreisvereinigung Ahrweiler im Februar 1985 war nach einer Bestandsaufnahme der verschiedenen Einrichtungen das für unsere Region nächstliegende wichtigste Ziel klar: die Bau-und Betriebsträgerschaft eines Wohnheims bzw. einer Wohnstätte für Behinderte.
Es gab bereits einen Sonderkindergarten und eine Schule für Geistigbehinderte, die Werkstatt für Behinderte stand kurz vor Baubeginn. So übernahm die Lebenshilfe - Kreisvereinigung, als Gruppe auch betroffener Eltern, die ihr vor allem zugedachte Verantwortung zur Sicherstellung des Wohnens und häuslichen Lebens, kurz des Zuhauses ihrer Schützlinge.
Dabei umfaßt das Gebäude 2 Wohngruppen zu je 12 Plätzen, zwei weitere Kurzzeitplätze, ein Krankenzimmer und eine abgeschlossene Trainingswohnung mit 4 Plätzen bei einer Gesamt-nettogrundfläche von 1566 m2 und einem umbauten Raum von 4918 m3. Jedes der 7 Doppelzimmer und jeweils zwei der insgesamt 17 Einzelzimmer werden ein eigenes Bad mit Dusche haben, 2 Doppelzimmer und 4 Einzelzimmer sind rollstuhlgerecht. Das ganze Gebäude mit mehreren Funktionsräumen, wie 2 Zentralbädern, einem Therapieraum und einem 59 m2 großen Gemeinschaftsraum, ist über einen Aufzug rollstuhlzugänglich.
Das Zutrauen in die kleine, ehrenamtliche und solidarische Selbsthilfegruppe war seitens der Bevölkerung und auch der Kommunalpolitik im Hinblick auf ein derart großes Ziel anfangs verständlicherweise nicht sehr groß. Deswegen galt es in den ersten Jahren, sich als Vereinigung nicht nur bekannt zu machen, sondern durch Hinweise auf die andernorts vielfältigen und sehr erfolgreichen Leistungen ehrenamtlich tätiger Lebenshilfe-Vereine sich um Akzep-tanz hinsichtlich der Trägerschaft für ein derartiges Objekt hier vor Ort zu bemühen. Dies gelang schließlich durch das tatkräftige Eintreten engagierter Frauen und Männer.
Mit dem Kreistagsbeschluß vom 20.06.1990 zur Übertragung des bis dahin kreiseigenen Grundstücks an die Lebenshilfe war diese Hürde genommen. Ein weiteres Problem war der zuerst nur spärliche Eingang von Spenden. Vielfältige Bemühungen und ein enormer Einsatz von sehr vielen Mitgliedern führten zu Benefizkonzerten, Verkaufs- und Informationsständen überall im Kreis, zu eigenen Sach- und Geldspenden, zu Briefaktionen und persönlichen Vorsprachen. So konnte der notwendige Eigenanteil an der Finanzierung bis auf eine aktuelle Fehlsumme von DM 70.000 incl. nicht zuschußfähiger Kostenanteile erbrachtwerden.
Die Finanzierung
Mit den Empfindungen von Freude, Zuversicht, Zufriedenheit über das bisher Erreichte verbindet sich auch das Gefühl von Dankbarkeit gegenüber all denen, die sich für das gemeinsame Anliegen eingesetzt haben. Folgende Zuschußgeber sind an der Gesamtfinanzierung von 4.051 Mio. DM beteiligt:
- das Landesministerium für Arbeit, Soziales. Familie und Gesundheit mit 282.100 DM,
- die Hauptfürsorgestelle des Landesamts für Jugend und Soziales mit 1.410.000 DM,
- der Landkreis Ahrweiler durch kostenlose Überlassung des 3500 m2 großen Grundstücks im Wert von 455.000 DM,
- die Stiftung: Hilfswerkfür behinderte Kinder in Höhe von 450.000 DM, letztere als Ersatzeigenmittel gewertet.
Ein besonderes Dankeschön gilt allen die die Lebenshilfe-Kreisvereinigung bei der Beschaffung Ihrer originären Eigenmittel in Höhe von 400.000, DM tatkräftig unterstützt haben. Hier verdient auch Erwähnung der kreisweite Aufruf von Landrat Weiler und die Errichtung eines eigenen Spendenkontos, auf dem bislang 118.000, DM eingegangen sind. Insgesamt 21 Gründungspaten - für jeden der 31 Wohnstättenplätze wird eine Gründungspatenschaft vergeben - haben bisher in besonderer Weise das Bauvorhaben unterstützt.
Die Wohnstätte für Behinderte im Modell.
Die ZukunftNeben Freude, Feierlichkeit. Zufriedenheit und Dank will eine gewisse Sorge und Nachdenklichkeit nicht weichen. Viele Fragen drängen sich auf. Werden die geschätzten Bau- und Einrichtungskosten ausreichen, wie würde eine Nachfinanzierung aussehen, mit welchen Forderungen an den Träger? Wie kann die Übergangszeit von Bau- in Betriebsträgerschaft wegen der nicht kostendeckenden Anlaufschwierigkeiten schadlos überwunden werden? Wird hier die finanzielle Unterstützung durch die hiesige Bevölkerung anhalten?
Weitere Gedanken macht sich die Lebenshilfe hinsichtlich der Annahme der Wohnstätte und ihrer Bewohner in der Nachbarschaft, in der Stadt Sinzig, ja im ganzen Landkreis Ahrweiler.
So gehen mit Sorgen und Bedenken auch Hoffnungen und Wünsche einher. Ähnlich wie ein Marathonläufer bei km 30 schöpft die ..Lebenshilfe" den Mut und die Hoffnung zur Überwindung der Reststrecke aus dem Blick zurück auf überwundene Schwierigkeiten und mehr oder minder lange Durststrecken".
Mit dem Richtfest am 14. Mai 1993 hatten knapp 6 Monate nach dem ersten Spatenstich 7 Jahre Papierarbeit geradezu überraschend schnell konkrete Formen angenommen, aus Papierund Bleistift wurde Stein und Mauerwerk. Anläßlich des Richtfestes, das auch als Ausrichtung in die Zukunft verstanden wurde, sprach die Lebenshilfe - Kreisvereinigung Ahrweiler den dringenden Wunsch aus:
Nachdem auf einer Wiese eine Baustelle und schließlich ein Rohbau errichtet wurde, möge hieraus ein aus Sicht der Bewohner allseits gelungenes Gebäude und nach und nach eine in der Umgebung fest installierte, integrierte und allseits angenommene Einrichtung werden. Mögen alle in ihrer Fürsprache und ihrem Engagement für dieses Haus und seine späteren Bewohner stark bleiben."
Kontaktadresse:Lebenshilfe für geistig Behinderte Kreisvereingung Ahrweiler e V.,
Frau Lore Berthe, Blenzerweg 33, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler 31,
Telefon 0 2641 / 2 73 66