Wallfahrtskapelle Müllenwirft

Karlheinz Korden

Seit am 29. Oktober 1989 die schmucke Kapelle Müllenwirft im Wirftbachtal von Weihbischof Dr. K. Dick aus Köln im Beisein vieler hundert Gläubigen eingeweiht wurde, ist sie ein Treffpunkt frommer Wanderer, und nie verlöschen dort die Kerzen vor der neugeschaffenen Pieta.

Wie kommt man dorthin? Von Adenau aus folgt man der Landstraße über Honerath in Richtung Kirmutscheid bis zum Tal des Wirftbaches und erreicht die Abzweigung zu der romantischen Barweiler Mühle. Etwa 180 m talaufwärts stand, heute nicht mehr erkennbar, vor langen Zeiten eine Kapelle, die über Jahrhunderte hindurch eine der bekanntesten Wallfahrtsstätten der Hocheifel war.

Wie alte Urkunden ausweisen, hauste hier bereits Ausgangs des Mittelalters ein frommer Einsiedler. Noch heute erhaltene Dokumente beweisen, daß an diesem einsamen Ort, abseits vom Treiben der Welt, bereits vor 1500 eine kleinere Kapelle errichtet war. Urkunden darüber datieren aus den Jahren 1523 und 1529.

Matthias Reuter1) aus Wimbach hat sich mit großer Sachkenntnis in mühevoller Arbeit große Verdienste um die Erforschung der weit über die Grenzen unserer engeren Heimat hinaus bekannten Wallfahrtsstätte Müllenwirft erworben.

Die Entstehung, das Wachsen und Blühen der Gnadenstätte ist unlösbar mit der Geschichte des Johanniterordens zu Adenau verbunden, der 1162 nach einer Schenkung durch Graf Ulrich von Are (1152-1174 als Graf von Are. 1169-1197 als Graf von Nürburg erwähnt) nach Adenau kam. Der Orden übte von seinem Sitz, der heutigen Komturei, großen Einfluß auf alle Bereiche des täglichen Lebens aus. Nach einer Urkunde vom 6. Januar 1523 übergab Arnold von Blankenheim, Prior derJohanniterkommende Adenau, an diesem Dreikönigstag dem Jakob von Rodder alle Ornamente der Kapelle zu Müllenwyrffe, damals bereits genannt „zur Not Gottes", und ermächtigte ihn zum Bau der Kapelle, sowie zur Gestaltung des Gottesdienstes Almosen zu sammeln. Interessant ist die Tatsache, daß der Prior „alle Zyraten der Kapelle" übergab, woraus zweifellos zu entnehmen ist, daß bereits ein solches Bauwerk bestand, zudem ja schon der Name des Gotteshauses überliefert wurde. Man muß entnehmen, daß eine 1523 vorhandene Kapelle entweder erweitert oder durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Außerdem berichtet die Urkunde aus dem Jahre 1572, daß bereits um 1500 eine Kapelle existierte. Weitere Aufzeichungen sagen, daß die Kapelle zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit, des Leidens Christi und seiner gebenedeiten Mutter, sowie zu Ehren des hl. Johannes des Täufers (auch Schutzpatron der Pfarrkirche zu Adenau) und anderer Heiligen errichtet wurde. Interessant ist auch die Tatsache, daß die Kirche mit vielen Ablässen und Gnaden, gerade des Johanniterordens, ausgestattet war. Es bestand eine Bruderschaft zu Ehren des bitteren Leidens. An jedem Samstag wurde eine Messe gelesen. Eine Schilderung der Gottesdienste läßt erkennen, daß der Ausbau der Kapelle, der bereits in der Urkunde von 1523 angekündigt wurde, im Jahre 1529 noch nicht vollendet war. Beide Urkunden nennen den Betreuer der Kapelle „Bruder" oder auch „Klausner".

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Die heutige Kapelle Müllenwirft im Wirftbachtal

Einsiedler, oder auch Eremiten genannt, führten in der Einsamkeit ein beschauliches, religiöses und karges Leben; sie gehörten in der Regel keinem Orden an. Obwohl sie auf sich selbst gestellt waren, bestand häufig eine gewisse Abhängigkeit zum jeweiligen Grundeigentümer, auf dessen Gebiet die jeweilige Klause errichtet war. So war auch hier eine solche Abhängigkeit von der Johanniterkommende in Adenau erkennbar, denn der Vermerk im Lagerbuch der Johanniter von 1657 sagt aus, daß dort „vorher" ein Klausner gewohnt habe und hieraus ist zu schließen, daß in alter Zeit, etwa bis 1500, ein von der Kommende unabhängiger Einsiedler in Müllenwirtt hauste.

Weitere aufschlußreiche Tatsachen enthüllt ein Bericht vom 7. August 1572, aus dem erkennbar ist, daß 2/3 aller Geldbeträge aus dem Opferstock der Kapelle und 1/3 dem Komtur in Adenau gebühren. Was außerhalb des Stocks geopfert wurde, sowie Einkünfte aus den Ländereien stehen nur der Kapelle zu, die ja die Baukosten bestreiten und „die Bruderschaften halten" muß. Zum Bereich der Kapelle gehörten umfangreiche Äcker. Wiesen und Waldungen, Bienenstöcke und Schafe: weiter erzielte sie auch Pachtzinsen in Naturalien. (Anfang des 19. Jahrhunderts übernahm die Pfarrei Kirmut-scheid aus dem Kapellengut 3 Morgen Acker, 148 Ruten Wiese und 2 Morgen Wald).

Die 1989 eingeweihte Kapelle steht an dem bezeichneten Wege, am Waldrand, während sich die alte Wallfahrtskirche im Wiesental befand, wie sich aus Katasterunterlagen von 1820 und 1879 ergibt. Offensichtlich wurde die Kapelle wiederholt erweitert und renoviert. Im Giebel an der Westseite befand sich der Haupteingang und an der Südseite ein Nebeneingang, während sich der Glockenturm über dem steingewölbten Chor erhob. Eine durchgehende Kommunionbank und ein Triumphbogen trennten den Chor vom Schiff. Der steinerne Hochaltar stand im Chor und zu beiden Seiten der Marien-und der Annenaltar und neben diesem der Gnadenaltar. In der Mitte des Schiffes ragte der in Stein aufgemauerte und mit eisernem Aufsatz versehene Brunnen empor, dessen Wasser man Heilkräfte gegen Augenleiden zuschrieb. Die • heute noch, wenn auch etwas mühsam, erkennbaren Grundmauern wurden 1930 durch das Katasteramt Adenau vermessen und ergaben eine Länge des Schiffes von 22 m, des Chores von etwa 10m, Gesamtlänge also etwa 32 m mit einer Breite des Schiffes von 11 m. Somit war die Kapelle Müllenwirft deutlich größer als die Pfarrkirche zu Barweiler vor ihrer Erweiterung. Einen erstaunlich hohen Stand wies die Ausstattung und Ausschmückung im Berichtsjahr 1744 aus. Neben den bereits erwähnten Altären gab es eine Kanzel, vier Beichtstühle, zahlreiche Bildwerke, reichlich Beleuchtung und eine Sakristei.

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Das Gnadenbild der ehemaligen Wallfahrtskapelle Müllenwirft.

Im 17./18. Jahrhundert versahen fast 150 Jahre lang stets 3 - 4 Geistliche des Franziskanerklosters Ölberg zu Adenau an den Muttergottesfesten den Gottesdienst. Ab 1750 waren sie auch an allen Samstagen in der Fastenzeit in Müllenwirft tätig. DasVolk der Hocheifel liebte „seinen" Wallfahrtsort und in tiefer Frömmigkeit kamen Jahr für Jahr die Prozessionen aus den Pfarreien Adenau, Barweiler, Henningen, Kaltenborn, Kelberg, Kirmutscheid, Nürburg, Reifferscheid, Schuld und Vischel.

Anfang des 19. Jahrhunderts brachte die Säkularisation nach drei Jahrhunderten Wallfahrtszeit der Gnadenstätte Ende und Verwüstung. Die Wallfahrtsstätte verlor ihren Rückhalt mit der Enteignung des Hofes sowie der Aufhebung derJohanniterkommende und des Franziskanerklosters in Adenau durch die französischen Behörden; sie war der Ausplünderung und dem Verfall preisgegeben. Die einst schmucke Kapelle wurde im 19. Jahrhundert noch als Stall und Scheune benutzt, die letzten Reste in der ersten Hälfte des 20, Jahrhunderts eingeebnet. Der Hochaltar hat den Verfall der Wallfahrtskapelle anscheinend nicht überstanden. In seinen Aufzeichnungen hat Math. Reuter nachgewiesen, daß der heutige Gnadenaltar von Kirmutscheid mit dem Müllenwirfter Gnadenaltar identisch ist. Der Marienaltar steht jetzt in der Filialkapelle zu Wirft. Der Annaaltar stand bis zum Jahre 1858 in der Pfarrkirche Kirmutscheid und kam dann zur Filialkapelle Müsch, wo er bis zum Umbau 1967/68 verblieb. Die Glocken gelangten nach Hoffeld.

Es war das Lebenswerk von Pfarrer Wilhelm Cornelissen, dessen Vorfahren die letzten Pächter des Hofes Müllenwirft waren, an der alten Wallfahrtsstätte wieder eine Kapelle zu errichten. Zahlreiche Spenden und viele uneigennützige Arbeit ließen eine schmucke Kapelle entstehen, die zur stillen Einkehr einlädt. Jährlich in den ersten Julitagen lebt der alte und fromme Brauch der Wallfahrt zur Kapelle zur „Not Gottes" wieder auf. Ständig wächst der Strom der Pilger und trägt dazu bei, daß die jahrhundertealte Tradition tiefwurzelnder Frömmigkeit nicht stirbt, sondern wieder aufersteht.

Anmerkung:

  1. Matthias Reuter, Die Kapelle Müllenwirft. Aufstieg und Verfall einer Eifeler Wallfahrtsstätte. Wimbach 1980