Der jüdischen Mitbürger gedenken

Zwei verschiedene Veranstaltungen erinnerten an das frühere Leben und Wirken jüdischer Bewohner und an das Ende des jüdischen Gemeindelebens im Kreis Ahrweiler. Gedenkredner versuchten all das in Erinnerung zu rufen, was Deutsche ihren jüdischen Mitbürgern angetan haben. Sie erinnerten an Diffamierung und Ächtung, an Deportation und Flucht, an Konzentrationslager und Gaskammern, an millionenfachen Mord. Im Mai 1992 enthüllten die Sinziger einen Gedenkstein für die Juden in der Barbarossastadt. Im Juli gingen Frauen und Männer jenen Weg durch Ahrweiler, den 50 Jahre zuvor die Juden dieser Stadt nehmen mußten und derfürdie meisten von ihnen in den Vernichtungslagern des Ostens endete.

Richard Meyer war mit Ehefrau und Sohn eigens aus London nach Sinzig gereist. Als eines von drei noch lebenden Mitgliedern der ehemaligen jüdischen Kultusgemeinde hatte er sich dafür eingesetzt, daß die Sinziger Bürger mosaischen Glaubens ein würdiges Denkmal erhalten. Sie erhielten es. Bürgermeister Norbert Hesch übergab den Gedenkstein an der Rheinstraße, dort, wo früher die Synagoge stand. Der Stadt-Chef forderte dazu auf, sich zu „erinnern an die schlimme Zeit, die unsere eigene Geschichte noch immer belastet. Wir wollen daran erinnern, zu welch unfaßbaren Taten Menschen fähig sind." Der Gedenkstein soll nach den Worten Heschs aber auch zur Versöhnung zwischen Juden und Deutschen beitragen. Rudolf Menacher, Lehrer am Rhein-Gymnasium, der mit einer Arbeitsgruppe die Geschichte der Sinziger Juden aufarbeitet, meinte zur schleppenden Vergangenheitsbewältigung in Sinzig wie im gesamten Deutschland: "Der Stein hätte eigentlich schon vor 40 Jahren aufgestellt werden müssen."

Szenenwechsel: Nachdenkliche Stille läßt das ansonsten fröhliche Sonntagstreiben in der Ahrweiler Innenstadt verstummen, als rund 150 Bürger von der ehemaligen Synagoge aus durch die Niederhutstraße zum Bahnhof marschieren. Am Revers tragen sie Davidsterne. Auch diese Leute erinnern; sie erinnern sich und die Öffentlichkeit an das Schicksal der Juden im Kreis Ahrweiler. - Vor genau 50 Jahren, am 27. Juli 1942, wurden die in der Kreisstadt Ahrweiler lebenden Juden über diesen Weg geführt. Ein Zeit- und Augenzeuge, Dr. Paul Krahforst, damals 16 Jahre alt, nannte vor Vertretern aus Kirche und Politik die Namen der Deportierten und später Ermordeten. Die Deportation sei als „Evakuierung" getarnt gewesen, doch die Hetzpropaganda der Nazis habe auf das wirkliche Ziel hingewiesen, sagte Dr. Krahforst.

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Gingen den Weg, den vor 50 Jahren jüdische Mitbürger nehmen mußten:
Teilnehmer des Trauermarsches, hier vor der Ahrweiler Synagoge.