Hans-Georg Klein
Im Prümer Urbar (Güterverzeichnis) werden 893 für Ahrweiler 24 Bauernhufen und ein Herrenhof mit dazugehörigem Herrenland und Weinbergen beschrieben. Diese Grundherrschaft des Klosters Prüm hat neben den Einflüssen der Saffenbergischen (Blankenheimer) Grundherrschaft und der Landesherrschaft des Erzbischofs von Köln (ab 1246) tiefe Spuren in der Stadt- und Gerichtsverfassung Ahrweilers hinterlassen.1) Noch im 18. Jahrhundert ist der Einfluß Prüms sichtbar. Der damalige prümische Kellner Benediktus Lagrange2) hat 1756 und 1757, wie er an den Erzbischof von Trier schreibt, "einen bericht mit Zuziehung der hiesigen abtey Prumischen Schultheißen eingerichtet punctiiche Verzeychnuß ob gebühreter gerechtsame sowohl als anklebender onorum mit der anmerckung, waß darab noch im üblichen herbringen...auch außer observant ist und respective bestritten wird", verfaßt.
Zunächst muß geklärt werden, was der Erzbischof von Trier mit den Ahnweiler Liegenschaften des Klosters Prüm zu schaffen hat. 1546 wurde Christoph von Manderscheid Abt von Prüm. Er regierte die Abtei und die klösterlichen Grundbesitzungen 30 Jahre lang, ohne die höheren Weihen empfangen zu haben. Als im Jahre 1574 Visitatoren einen ungünstigen Eindruck vom Zustand der Abtei Prüm hatten,3) befahl Papst Gregor XIII., daß Prüm nach dem Tode Christophs den Tafelgütern des Erzbischofs von Trier einverleibt werden sollte. Als Christoph am 28. August 1576 starb, wurde Erzbischof Jakob IV. von Trier Administrator (das heißt Verwalter) des Klosters Prüm. So kam es, daß seit dieser Zeit der jeweilige Erzbischof von Trier Grundherr über die prümischen Güter in Ahrweiler, das zum Erzstift Köln gehörte, war. Zur Zeit des Berichtes des Kellners Lagrange herrschte im Erzstift Trier der Kurfürst Franz-Georg (bis 1756). Ab November 1756 war Johann Philipp Kurfürst von Trier. Dieser Wechsel erklärt auch die beiden fast gleichlautenden Berichte des Kellners an den Erzbischof beziehungsweise an die kurfürstliche Regierung in Ehrenbreitstein.
Der prümische Kellner Lagrange war der Gutsverwalter der Prümer Besitzungen in Ahrweiler. Er hatte unter anderem für die Einziehung des trockenen und des nassen Zehnten (Getreide und Wein), die in der Zehntscheuer beziehungsweise im Keller der Kellnerei (heute Alte Post) von den Lehnsträgern und Teilpächtern abzuliefern waren, zu sorgen, während der prümische Schultheiß - meist ein Angehöriger einer angesehenen Ahrweiler Ratsfamilie - als Vertreter des Abtes in Ahrweiler füngierte, zum Beispiel als "Schweigender Schultheiß" beim Schöffengericht. Im 17. und 18. Jahrhundert ist zu beobachten, daß ein prümischer Schultheiß nachmals oft Bürgermeister der Stadt wurde, so daß man geneigt sein kann, das Amt des Hofschultheißen als Einstiegsamt zum Bürgermeisteramt anzusehen. Dennoch fällt bei den Randbemerkungen des Kellners die Rivalität zwischen den Ansprüchen des Grundherrn (Prüm) und der Stadt Ahrweiler auf. Wenn Lagrange von den "Gerechtsamen" Prüms spricht, meint er damit die Rechtsansprüche des Klosters, die aus seiner Grundherrschaft erwachsen sind. Mit "onerosis" sind die Verpflichtungen Prüms aus eben dieser Grundherrschaft gemeint.
Der Bericht - überschrieben mit "Specification deren Gerechtsamen, so Ihro Churfürstliche Gnaden von Trier als Administrator Prumiensis zu Ahrweiler haben, sambt ahnklebender onerosis"4) - wird in der Übersetzung ohne Kürzung wiedergegeben. Auch die Randbemerkung des Kellners werden abgedruckt, da sie uns einen guten Eindruck von den wirklichen Gegebenheiten im Jahre 1756/57 vermitteln.
Die Gerechtsamen
1. An allen Markttagen zieht der Schultheiß der Abtei Prüm von den Krämern das Standgeld auf dem Markt und "dem so genannten hoff" (das war der Bereich des ehemaligen Prümer Herrenhofes, heute auf dem Areal zwischen Volksbank und Stern gelegen) ein. Das macht im ganzen Jahr etwa sechs bis sieben Reichstaler. (Randbemerkung): Das ist immer noch Brauch, aber im Rathaus, das auf Pfeilersteht, wird das im Stadtrat fleißig diskutiert. Und noch neulich 1756 hat der Stadtrat dieses -Recht an sich ziehen wollen, aber der prümische Kellner hat das Standgeld in Fortführung des bisherigen Rechts selbst erhoben, um den Anspruch beizubehalten.
2. Der prümische Schultheiß empfängt einige Zinsheller von den Krämern mit "aufschlagenden fensterladen" (das waren die auf dem Prümer Herrenland gelegenen Läden). Diese belaufen sich im Jahr auf etwa einen Reichstaler. (Randbemerkung): Einst hat der damalige prümische Schultheiß einige Zinsheller vom Rathaus, vom Drillhäusgen, vom Pütz auf dem Markt und der Jungfernschule erhalten.
3. Am 1. Mai wird alle Jahre ein neuer Bürgermeister vom Magistrat gewählt. Sodann wird dieser vom Stadtrat, alle in ihren Mänteln, noch am selben Tage zum Pfarrhof geführt. Dort wird der Bürgermeister dem prümischen Schultheiß im Beisein von zwei prümischen Geschworenen, auch in ihren Mänteln, nach ungefähr dieser Formel präsentiert: Weil der hochweise Magistrat der Mithauptstadt Ahrweiler den wohl-edelen Herrn N.N. zum regierenden Bürgermeister erwählt hat, wird dieser nun dem Herrn prümischen Schultheiß namens Ihrer Kurfürstlichen Eminenz von Trier als Administrator des Klosters Prüm hiermit präsentiert, mit dem Begehren, ihn als Bürgermeister anzuerkennen. Darauf antwortet der prümische Schultheiß in ungefähr folgender Weise: Nachdem der hochweise Magistrat den wohledlen Herrn N.N. zum regierenden Bürgermeister erwählt hat. und selbiger auch - wie bisher üblich - präsentiert wurde, belehne ich ihn namens Ihrer Kurfürstlichen Eminenz von Trier als Administrator der Abtei Prüm mit dem Bürgermeisteramt und erkenne ihn an. Ich wünsche ihm eine glückliche Regierung und der gesamten Stadt Glück und Heil. Worauf die Stadträte in ihren Mänteln abtreten, sich in das Rathaus begeben und dort ohne Zweifel alles protokollieren.
PS Dieser Akt geschieht zwei Jahre nacheinander vor dem prümischen Schultheiß auf dem Pfarrhof. Das dritte Jahr aber wird der Bürgermeister vom Magistrat dem Herrn Grafen von Blankenheim auf seinem Hof in Ahrweiler präsentiert.
(Randbemerkung): Dieser ganze Abschnitt wird noch
eingehalten.
4. Wenn ein neuer Schöffe erwählt wird, muß dieser zuvor in die Hände des prümischen
Schultheißen Ihrer Kurfürstlichen Gnaden von Trier als Administrator der Abtei Prüm den
Lehnsund Treueeid leisten. (Randbemerkung): Das ist noch üblich.
5. Wenn ein Schöffe stirbt, ist dem Abt vom Prüm seit undenklichen Jahren eine Kurmut gezahlt worden. Sie beträgt nun aber nur einen kölnischen Gulden und sechs Albus.
(Randbemerkung): Von den drei letzten abgestorbenen Schöffen ist keine Kurmut gezahlt worden, weil sich die Schöffen widersetzt haben. Jedoch ist man guter Hoffnung, daß die Sache beim nächsten prümischen Geding geregelt werden kann.
6. Wenn prümische Lehensleute, es gibt deren sieben an der Zahl, sterben, gebührt dem Abt eine Kurmut, nämlich das "beste quick" (das heißt das beste Stück Vieh), das der Verstorbene hat. Hat er aber kein Vieh, so zahlt er einen "so genannten silbernen Pflug", nämlich 15 Blaf-fert oder zwei kölnische Gulden und zwölf Albus. Aber seit undenklichen Zeiten ist es Brauch, daß ein kranker Lehnsmann berechtigt ist, vor die Haustür zu gehen oder sich bringen zu lassen, wenn er nicht gehen kann, wo dann der herbeigerufene prümische Schultheiß mit zwei prümischen Geschworenen steht. Ihnen darf dann der Lehnsmann sein Lehen mündlich aufkündigen und es seinem Nachfolger übergeben, ohne daß dann eine Kurmut fällig wird. Folglich ist selten eine Kurmut fällig geworden, es sei denn. ein Lehnsträger wäre eines jähen Todes gestorben.
PS Wenn aber ein kranker Lehnsmann auf die oben beschriebene Weise sein Lehen überträgt, bekommt der prümische Schultheiß nur zwei Maß5) Wein, die zwei Geschworenen bekommen jeder ein Maß Wein.
7. Der Abt von Prüm läßt die sogenannten prümischen Geschworenen, das sind die sieben Schöffen und die übrigen prümischen Lehnsleute, dreimal im Jahr zum gewöhnlichen Geding zusammenkommen unter dem Vorsitz des prümischen Schultheißen und dort den Lehnseid ablegen.
8. Alle acht oder neun Jahre wird der sogenannte "Prümische Gang'' im Beisein des prümischen Schultheiß und aller prümischen Geschworenen gehalten. Er umschreibt einen gewissen Distrikt, teils in der Stadt innerhalb der vier Grindeln und teils außerhalb der Stadt, wo der Prümer Abt Grundherr ist. Wenn aus diesem Distrikt etwas verkauft wird, ziehen die prümischen Geschworenen daraus ihr Empfangsrecht.
(Randbemerkung): Ist noch vor vier bis fünf Jahren begangen worden.
9. Vor 20 Jahren hat der prümische Schultheiß, nämlich der Vorgänger des jetzigen, wie auch die vorherigen prümischen Schultheißen den Rang gleich nach dem kölnischen Vogt gehabt. Dieses wird dem derzeitigen Schultheiß bestritten und nicht zugestanden.
Die onerosa
1. Laut des prümischen Weistums ist der Abt verpflichtet, den Kerker zu erbauen und instand zu halten. Der prümische Schultheiß hat davon den Schlüssel. Sobald aber ein Missetäter ins Gefängnis gesetzt wird, übergibt der Schultheiß dem kölnischen Vogt die Schlüssel, denn Kurköln hat die "ius gladii" (=Recht über Leben und Tod) hier.
(Randbemerkung): Der Kerker ist zwar da, aber in 30 bis 40 Jahren ist kein Missetäter mehr in den prümischen Kerker gesetzt worden, sondern die Übeltäter werden in das Stadtgefängnis (im Ahrtor) gesetzt.
2. Prüm muß laut Weistum den Galgen und das Rad bauen, falls ein Delinquent hingerichtet werden müßte.
(Randbemerkung): Heutzutage wird ein Delinquent, wenn er sein Leben verwirkt hat, auf Bonn geführt und dort hingerichtet. Jedoch sagt man, daß noch kürzlich zu Bonn verordnet worden sein ein Delinquent sei hinfort am Tatort abzustrafen.
3. Prüm muß laut Weistum den Scharfrichter zu zwei Drittel bezahlen. Der Graf von Blankenheim bezahlt ein Drittel.
4. Der Abt von Prüm ist schuldig, einen Gerichtsboten zu Ahrweiler zu bestellen. Er hat ihm alle Jahre drei Malter Korn zu zahlen. (Randbemerkung): Ist noch Brauch.
5. Zu den gewöhnlichen prümischen Gedingen muß der Abt von Prüm den Gschworenen zu jedem Geding vier Sester61 Weizen und 20 Maß Wein zahlen. Das macht jährlich zwei Malter Weizen und 60 Maß Wein. (Randbemerkung): Ist noch Brauch.
6. Wenn der prümische Gang begangen wird, bekommen die Geschworenen ihre Gebühr von etwa einem Louisdor neben dem Wein und dem Weißbrot.
7. Der prümische Schultheiß hat ferner kein Gehalt als allein das Standgeld von den Markttagen, die Zinsheller und die Gebühren bei den drei gewöhnlichen Gedingen.
Anmerkungen: