Ist die Landfrauenarbeit ein alter Hut?
Ingrid Strohe
Diese Frage kann man sich stellen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Landfrauenverband des Kreises Ahrweiler bereits 1960 offiziell gegründet wurde. Wenn nun nachfolgend ein Rückblick gehalten wird, dann ist das ein Versuch, die Unterschiede der Landfrauenarbeit von damals zu den Aufgaben von heute herauszustellen und so eine Antwort auf die vorstehende Frage zu finden. In den vergangenen drei Jahrzehnten des Bestehens hat sich vor allem in der Landwirtschaft so vieles verändert, daß es nicht ohne Auswirkung auf den Verband blieb, denn Landfrauenarbeit und Landwirtschaft waren in den Anfängen der Organisation untrennbar voneinander.
Die Wiege der Landfrauenverbände in Rheinland-Pfalz liegt bei den Landwirtschaftsschulen. Genau genommen waren die Initiativen der Lehrkräfte in den ländlich hauswirtschaftlichen Abteilungen der Landwirtschaftsschulen dafür maßgebend. Sie erkannten, daß die Bedeutung der ländlich-hauswirtschaftlichen Ausbildung der jungen Mädchen über den schulischen Bereich hinaus von Wichtigkeit war und überlegten, wie sie dieser Nachdruck verschaffen konnten. An Schulungen, Weiterbildungen und Informationen für diesen speziellen Personenkreis war dabei gedacht.
Gründung des Landfrauenverbandes
Im Kreis Ahrweiler kam es am 18. Februar 1960 unter der »Ägide« der damaligen Leiterin der Hauswirtschaftsabteilung bei der LLVA, Frau Boor, zur Gründung des Landfrauenvereins mit 180 Mitgliedern. Zuvor hatte Frau Boor bereits den losen Zusammenschluß der Bäuerinnen und Winzerinnen zwecks fachlicher Weiterbildung und Kenntnisvermittlung zur Erleichterung der Arbeiten in bäuerlichen Betrieben gepflegt.Die Geschäftsführung, die bis heute an die Stelle der Leiterin der hauswirtschaftlichen Abteilung der Landwirtschaftsschule gekoppelt ist, übernahm Frau Boor und nach deren Ausscheiden aus dem Dienst Frau Kaasen. Dem persönlichen Engagement von Frau Kaasen ist die enorme Expansion des Landfrauenvereins mit heute über 1 500 Mitgliedern zu verdanken. Ihr ständiger Einsatz für die Belange des Vereins und der persönliche Kontakt zu den Landfrauen haben sich mehr als bewährt. Der Schwerpunkt derArbeit lag damals schon in den Wintermonaten, weil die Bäuerin dann naturgemäß mehr Zeit hat. In den Anfängen organisierte die Geschäftsführerin »Winternachmittage«, die der Erörterung hauswirtschaftlicher, betrieblicher und familiärer Themen dienten. Aber auch im Sommer war man aktiv; man machte zunächst kurze und später auch längere Besichtigungsfahrten (Landwirtschaftsschulen, Betriebe, Kultureinrichtungen).
Neben der Geschäftsführerin brauchte man eine Vereinsvorsitzende, die nach außen hin den Verein vertrat. Über 20 Jahre hat Frau Elfriede Fuchs, Eckendorf, dieses Amt bekleidet. Ihre Nachfolge trat die stellvertretende Vorsitzende, Frau Käthe Kläsgen, Schuld, an.
Nach der Pensionierung von Frau Kaasen wechselte die Geschäftsführung wiederholt, weil an der Landwirtschaftsschule die Stelle der Leiterin der hauswirtschaftlichen Abteilung neu besetzt wurde. Und das war oft der Fall, vielleicht sogar zu oft. Um den Folgen dieses permanenten Wechsels entgegenzuwirken, wird in der Zukunft ein Teil der Arbeit der Geschäftsführerin auf Verbandsmitglieder verlagert werden müssen. Erste Schritte in diese Richtung sind getan. So sind diese schon zu mehr Mitsprache aufgerufen und wirken auch direkt bei Entscheidungen mit. Bestimmte Arbeiten werden bereits in Eigenenergie durchgeführt, z.B. Organisation derein- und mehrtägigen Lehrfahrten sowie des Weiterbildungsprogramms auf Ortsebene. Im wesentlichen wird dabei auf das Angebot der Kursleiterinnen zurückgegriffen, die in den verschiedenen Fachrichtungen ihr Wissen an die Landfrauen vermitteln; stets gut besucht sind die Bastei-, Näh-, Strick- und Kochkurse, um nur einige zu nennen.
Bei der Landfrauenarbeit bestehen die Grundprinzipien aus der Anfangszeit heute noch fort:
allerdings hat sich das Angebot für die Landfrauen vermehrt. Dies ist möglicherweise die notwendige Folge der Erweiterung des Bildungsangebots an den Landwirtschaftsschulen, die durch den Wandel der Bedürfnisse erforderlich geworden ist. Technischer Fortschritt, neue Wirtschafts- und Sozialstrukturen, veränderte Lebensformen erforderten Umstellungen und Anpassungen des ländlichen Familienhaushaltes. In diesem Zusammenhang ist die landwirtschaftlich-hauswirtschaftliche Beratung durch geschulte Lehrkräfte der Hausfrau ein willkommener Gesprächspartner. Zu der speziellen Berufsausbildung zur Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft wurden zusätzlich Weiterbildungsveranstaltungen, Lehrgänge und Seminare für alle Frauen auf dem Lande angeboten; eine ständige Information also, die über aktuelle wirtschaftliche, marktwirtschaftliche, soziale und sozialkulturelle Fragen dem Familienhaushalt zum Fortschritt verhelfen soll. Die Resonanz war so groß, daß man sich veranlaßt sah, die Mitgliedschaft zum Verband nicht nur Bäuerinnen vorzubehalten, sondern, daß man allen Frauen, die auf dem Lande wohnen, den Weg zum Landfrauenverein ebnete. So hat sich inzwischen das Verhältnis Bäuerin/Nichtbäuerin erheblich zugunsten der Nichtbäuerin verschoben. Daraus ergibt sich eine gruppenübergreifende Vereinsarbeit, die aus der Sicht der Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Denn ein nebeneinander von Erzeuger und Verbraucher wird sicherlich dem Verständnis für die gegenseitigen Probleme dienen und natürlich auch helfen, sie zu bewältigen.
Der Verband sieht sich heute als freiwilliger Zusammenschluß von
Frauen auf dem Lande, der parteipolitisch und konfessionell neutral die Interessen der
Mitglieder im öffentlichen Leben wahrnimmt. Er will die Kontakte der Frauen untereinander
fördern und die Lebensqualität auf dem Lande mit verbessern helfen. Deshalb pflegt er
die Verständigung zwischen Stadt und Land und arbeitet auch mit anderen Verbänden und
Organisationen zusammen. Die Landfrauenvereinigung ist im Bauern- und Winzerverband
integriert und auf Landesebene zusammen mit den Verbänden der Regierungsbezirke Koblenz
und Trier zum Landfrauenverband Rheinland-Nassau e.V. zusammengeschlossen:
auf Bundesebene ist sie Mitglied des Deutschen Landfrauenverbandes.
Aufgabenstellung heute
Die Arbeitsprogramme, die heute angeboten werden, erstrecken sich entsprechend ihrer Klientel von gesellschaftspolitischen Fragen bis hin zu frauenspezifischen. Verbraucher- und Umweltfragen. Ein paar Beispiele aus der Arbeit seien aufgeführt: Lehrgang zur Familienbetreuerin, Betreuung von Selbsthilfegruppen (z.B. Abnehmen, gemeinsam geht's leichter), Vorträge (z. B. zu Zivilisationskrankheiten, praktische Kurse, Computer-Schnupper-Kurs. Altersversorgung der Bäuerin, Lehrfahrten). Trotz des erweiterten Aufgabengebietes und rückläufigem Anteil der Bäuerinnen im Verband bleibt aber nach wie vor die Interessenvertretung der Bäuerin ein wichtiges Ziel der Arbeit. Das Schwergewicht derArbeit liegt im Dorf, da, wo die einzelne Frau Mitglied wird und die. die noch abseits steht, interessiert werden soll durch das, was bei den Zusammenkünften geboten wird. Die zentrale Anlaufstelle dort ist die Ortsvorsitzende, die auch im persönlichen Gespräch ein offenes Ohr für die Belange ihrer Mitglieder hat. Vielfach finden die Beratungen und Kurse auch auf Ortsebene statt, so daß interessierte Frauen keine langen Fahrzeiten auf sich nehmen müssen. Die Mitgliederzahl im Verband ist bisher noch immer gewachsen. Dies kann durchaus als Zeichen dafür gewertet werden, daß die Mitglieder mit derArbeit der Organisatoren zufrieden sind. Neue organisatorische Aufgaben erwarten jedoch die Landfrauen. Eingangs wurde die Bedeutung der hauswirtschaftlichen Abteilung der Landwirtschaftsschule für die Landfrauenarbeit geschildert. Es steht in Rheinland-Pfalz eine Reform ins Haus, die einen quantitativen Abbau dieser Abteilungen vorsieht. Selbstverständlich sollen die »Anlaufstellen« für die Beratung und Weiterbildung aller Frauen im ländlichen Raum erhalten bleiben. Aber eins dürfte klar sein: VieleArbeiten, die mit der Organisation des Verbandes in Zusammenhang stehen, wird die Geschäftsstelle des Landfrauenvereins nicht mehr erledigen können; sie müssen von den Landfrauen selbst wahrgenommen werden.
Aktiver Landfrauenverband: Verbraucherberatung beim Heimatfest Adenau 1991
Die eingangs gestellte Frage: »Ist die Landfrauenarbeit ein alter Hut?« verdient sicher als Antwort: "Möglicherweise ist er schon alt - aber er paßt immer noch gut!«