Zum Abtswechsel in Maria Laach
P. Dr. Emmanuel v. Severus OSB
Am 4. November 1990 beendete Dr. Adalbert Franz Kurzeja, der 47. Abt von Maria Laach, kurz vor seinem 70. Geburtstag seinen Dienst als Oberer der großen Abtei am See. Abt Adalbert ist Oberschlesier und erblickte 1920 in Ratiborhammer das Licht der Welt. Er begann 1940 das Studium der Theologie in Breslau. wurde aber zum Kriegsdienst eingezogen. Bei dessen Ende befand ersieh in englischer Kriegsgefangenschaft und meldete sich zu den Aufräumarbeiten in Monte Cassino. Hier vollzog er auch seine entscheidende Hinkehr zum bene-diktinischen Mönchtum. Nachdem ihm die Wiederaufnahme des theologischen Studiums an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom ermöglicht wurde, das er als Alumne imCollegium Germanicum 1951 mit Empfang der Priesterweihe abschloß, trat er 1952 in die Abtei Maria Laach ein. Seine nach Beendigung des Noviziats und einer kurzen Verwendung in klösterlichen Diensten fortgesetzten Studien in Trier brachten ihn in besonders innige Beziehung zu unserer Bischofsstadt. Dort promovierte er 1967 bei Professor Balthasar Fischer mit der Textedition der Gottesdienstordnung des Trierer Domes aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Er weilte noch weitere zehn Jahre in der Domstadt als Assistent des genannten Liturgiewissenschaftlers, war Mentor der jungen Doktoranden und Mitarbeiter am Liturgischen Institut. Als nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils die Ausgaben des römischen Meßbuchs und des Stundenbuches in der Volkssprache hergestellt werden mußten, war er einer der maßgeblichen Mitarbeiter. Ähnliche Aufgaben wurden ihm auch übertragen, nachdem ihm seine Mitbrüder am 15. Februar 1977 zum Abt von Maria Laach gewählt hatten. Als Präsident der Liturgischen Kommission der Benediktiner im gesamten deutschen Sprachgebiet schuf er mit zahlreichen Mitarbeitern das neue Monastische Rituale.
Seiner schlesischen Heimat blieb Abt Adalbert in vieler Hinsicht herzlich verbunden. So bewies er großes Mitgefühl mit den in immer größerer Armut und Not geratenen deutschen und polnischen Familien. Deshalb leitete er umfassende Hilfsaktionen ein, förderte nicht nur Hilfsgütertransporte dorthin, sondern begleitete sie mehrmals persönlich. Das bedeutete oft auch, beschämenden Schikanen der Volkspolizei der DDR ausgesetzt zu sein. Aber es gelang, zwischen 1982 und 1990 nicht weniger als 15 Transporte mit Kleidern, Lebensmitteln, Kinderund Säuglingsnahrung von Maria Laach aus auf den Weg zu bringen, die neben Orten in Oberschlesien auch die Städte Nova Huta und Krakau als Ziel hatten. Für die Sammlertätigkeit und Transportbegleitung durch Laacher Mönche gelang es Abt Adalbert, auch Nachbargemeinden des Klosters wie Bell und Weibern sowie Kölner Freunde zu gewinnen. Daß der Kirche von Nova Huta eines Tages auch ein in den Werkstätten des Klosters geschaffenes Fenster gestiftet werden konnte, bereitete dem Abt besondere Genugtuung. Es zeigte das Laacher Münster und den Kölner Dom und soll in späteren Generationen die Erinnerung an die Hilfe durch das Beten und Arbeiten der Laacher Mönche erinnern. Den gottesdienstlichen Bedürfnissen der deutschen Minderheit in Schlesien fühlte er sich stets verpflichtet. So konnte er in vielen Gesprächen mit Bischöfen und Politikern diesen wertvolle Einsichten in deren Lage und Bedürfnisse vermitteln. Er empfand es daher mit Recht als Auszeichnung, am Sonntagsgottesdienst mit Bischof Nossol von Oppeln in Kreisau als Teilnehmer der deutschen Delegation mit Bundeskanzler Kohl 1989 teilzunehmen. Der schon am 13. November 1990 mit überwältigender Mehrheit im ersten Wahlgang zum Nachfolger Abt Kurzejas gewählte P. Anno Heribert Schoenen stammt aus Essen. Am 1. Juli 1925 geboren, wuchs er in der Ruhrmetropole als jüngstes von vier Kindern eines selbständigen Kaufmannsauf. Nach dem Abitur 1943 zum Kriegsdienst eingezogen, war er bis zu seiner schweren Verwundung in Rußland eingesetzt.
Alt-Abt Dr. Adalbert Kurzeja | Abt Anno Schoenen |
Nachdem es zunächst fraglich schien, ob er der schon früh empfundenen Berufung zum Priestertum würde folgen können, begann er doch am 17. Juni 1945 mit dem Studium der katholischen Theologie in Bonn. Stark geprägt von seinem Essener Religionslehrer und Pastoralli-turgiker R. Tippmann, von E. Nüßlein und der Verehrung für den von Nazis ermordeten Theologen M. J. Metzger (Br. Paulus), trat er noch in den letzten Lebenstagen des Abtes l. Herwegen am 1.April 1946 in Maria Laach ein. Der Schwerpunkt seiner folgenden Studienjahre, die er nach seiner ersten Mönchsprofeß am 24. August 1948 in Maria Laach, Beuron und Würzburg fortsetzte, lag stets auf dem weitgespannten Gebiet der Bibelwissenschaft. F. Nötscher und H. J. Vogels in Bonn, J. Schildenberger OSB in Beuron, J. Ziegler und K. Staab in Würzburg waren hier seine bevorzugten Lehrer. Von Abt Basilius Ebel dem Novizenmeister in derAusbildung der jungen Mitbrüder zur Seite gestellt, erwies er sich gleichzeitig als künstlerisch hochsensibler und intuitiver Hausmeister. Im Herbst 1957 wurde er Spiritual bei den Benediktinerinnen in Herstelle an der Weser und begleitete diese Frauenabtei zuverlässig auf dem Weg der nachkonziliaren Erneuerung. An diesem noch stark vom Geiste 0. Casels geprägten Ort reifte er zu einer geistlichen Persönlichkeit, der nun die Laacher Mönche in einer für Kirche und Mönchtum gewiß nicht leichten Gegenwart ihre Leitung anvertrauen. Am 5. Dezember 1990, dem Gedenktag des heiligen Anno, hat Bischof Hermann Josef Spital im Laacher Münster dem neu Gewählten die Abtsweihe erteilt. Abt Anno steht vor allem im Hinblick auf das Jubiläumsjahr der Abtei 1992/93 vor großen Aufgaben. Seit der Wiederbesiedlung des Klosters sind dann 100 Jahre, seit seiner Gründung 900 Jahre vergangen. Er möchte in diesem Gedanken nicht nur dankbare Erinnerung an die Vergangenheit sehen, sondern auch den Anlaß zur inneren Besinnung der Klostergemeinde auf ein für den Dienst an Kirche, Gesellschaft und Heimat fruchtbares Selbstverständnis klösterlichen Lebens am Laacher See.