Die Entwicklung der Blasmusik am Beispiel der Musikvereinigung "Bad Neuenahr-Ahrweiler" e. V.
Johannes Büchel
Musik, die gehört zu Bad Neuenahr-Ahrweiler wie das Heilwasser zu Bad Neuenahr und der Rotwein und das mittelalterliche Stadtbild zu Ahrweiler. Musik, das bedeutet auch hier ein Stück Kultur, ein Stück Lebensfreude und Lebensqualität. Diese Lebensfreude ist im Ahrtal und in Bad Neuenahr-Ahrweiler schon lange zu Hause, wie dieser kleine Überblick am Beispiel der Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler zeigen soll.
Musikalische Gründerjahre
In Ahrweiler dürfte die Musik eine lange Tradition haben. Schützenfest und andere Festivitäten werden wohl auch in früherer Zeit nicht ohne Musik vonstattengegangen sein. Im Mittelalter durchzogen Musikanten auf der Suche nach Brot und Arbeit auch das Ahrtal. Ein Verein allerdings sollte sich der Blasmusik erst in diesem Jahrhundert widmen. Musik war bis zur Jahrhundertwende eine Sache der Familien. in denen vorwiegend die Streichmusik als Hausmusik gepflegt wurde. Doch der Wunsch nach dem Zusammenspiel ließ nicht auf sich warten und so gründete Josef Keip am 1. Juni 1910 den ersten Musikverein in Ahrweiler. Nach französischem Vorbild gab sich dieser kleine Verein, dem auch Josef Schönberg, Josef Stewe. Mathias Wiemer und Karl Palm angehörten. den Namen "Unite". Der erste Vorgänger der heutigen Musikvereinigung war auf die Bühne getreten.
Bad Neuenahr und Ahrweiler werden von Besuchern und Beobachtern oft scherzhaft die "feindlichen Brüder" genannt, doch das Wort "feindlich" hat keine so ernste Bedeutung. Man "stippelt" aus Tradition gegeneinander und die Musik half über diese Barriere hinweg. So kamen Neuenahrer und Ahrweiler Musikanten zusammen, weil man nur miteinander eine akzeptable Spielstärke erreichte. Man war voneinander abhängig und ergänzte sich prächtig. Von Blasmusik war anfangs noch keine Rede. Cello, Geige und Baß waren die damaligen Instrumente. So benannte sich der Verein im Jahre 1912 um in "Streichorchestervereinigung". Der Erste Weltkrieg riß empfindliche Lücken in die Reihen der Musiker. Nach den traurigen Jahren sammelten sich die Blasmusiker in Bad Neuenahr. Dirigent Gutjahr verstand es, die Musikanten zu begeistern. So manche Komposition dieses Dirigenten ist noch heute im Repertoire der Musikvereinigung zu finden. Als er Bad Neuenahr verließ, zog es die Blasmusiker wieder nach Ahrweiler, denn hier war nun Dirigent Gotzmann tätig. So wechselte anfangs das Vereinsleben zwischen beiden Städten hin und her.
Im Laufe der Jahre gesellten sich die Blasmusiker zur Streichorchestervereinigung und im Jahre 1921 entstand der "Orchester-Verein Ahrweiler". Bis 1935 trug man unter diesem Namen zu zahlreichen Festen und Veranstaltungen mit schwungvoller Musik bei. Die 30er Jahre brachten den Beginn einer schweren Zeit. Der Zweite Weltkrieg bahnte sich an und für fröhliche Blasmusik blieb inmitten des Schreckens kein Raum.
Mit frischem MutLangsam entstand nach den dunklen Jahren wieder ein neues Lebensgefühl. Einige Zeit nach Kriegsende war auch die Musik wieder gefragt. Zaghaft zuerst, doch dann unüberhör-bar meldete sich die Blasmusik wieder zur Stelle. Die organisierte Blasmusik allerdings bestand nicht mehr.
Nach jahrelangen Vorbereitungen wurde schließlich 1952 ein "Bläserchor des städtischen Orchestervereines" gegründet. Peter Eller war der erste Vorsitzende dieser Abteilung, die schon im Martinszug des gleichen Jahres mit drei Kapellen zu je zehn Mann aufwarten konnte. Im Jahre 1955 übernahm Willi Schrägen den Vorsitz, ehe dann 1956 der unermüdliche Dirigent Josef Keip auch Vorsitzender wurde. Am 10. Juli 1958 wurde die bisherige Abteilung des städtischen Orchestervereines selbständig. Man benannte sich um in "Musikvereinigung Ahrweiler-Bad Neuenahr". Vorsitzender und Dirigent blieb Josef Keip. Zahlreiche große Konzerte wurden gehalten, und bald hatte sich die Musikvereinigung einen guten Ruf erarbeitet. Seit 1978 musiziert man als "Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler" und trägt die Wappen beider Stadtteile als Emblem.
Die Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler e. V. im Jubiläumsjahr
Unterstützt wurde Josef Keip auch durch den Nachwuchs-Dirigenten GisbertStenz, der einige Zeit hilfreich einsprang, als man in den 60er Jahren zeitweise sogar ein eigenes Jugendorchester unterhielt.
Von Anfang an war man der Heimat und den Orten Ahrweiler und Bad Neuenahr besonders verbunden. So vermerkt die Chronik mit Stolz. daß im Jahre 1967 feierlich das 100. Konzert für die Kurverwaltung Bad Neuenahr gegeben werden konnte. Im Jahre 1969 übernahm Alfred Mayer den Vorsitz über den Verein, Dirigent blieb weiter Josef Keip. Er gab 1970 beim Jubiläum den Taktstock an seinen Nachfolger Alois Odenkirchen ab. Als stellvertretender Dirigent wirkte lange Jahre der 1989 allzu früh verstorbene Ferdi Patron, der auch als Notenwart tätig war.
Neue Wege
Eine musikalische Wende brachte im Jahre 1974 ein neuer Dirigent. Aus New York zog der Dirigent und Musikpädagoge William Gordon ins Ahrtal und konnte als musikalischer Leiter für die Musikvereinigung gewonnen werden. Seine Ideen, seine Kompetenz und sein pädagogisches Vermögen brachten einen regelrechten Aufschwung mit. Neben der Liebe zur Musik ist Präzision gefragt und gefordert. Den Aufführungen merkt man es an: Ein Profi steht am Pult dieses Orchesters. Auch im Repertoire hat sich im Laufe der Jahre einiges geändert. Es ist umfangreicher geworden. Zur klassischen Blasmusik kam der amerikanische Schwung hinzu, eine Kombination, die bestens ankommt. Ein Blick in die Chronik beweistdies. Im Jahre 1960 wurde das 50jährige Bestehen mit getragener Musik von Wagner, Tschai-kowsky und Flotow begangen. Auch das Jahr 1970 (60jähriges Bestehen) brachte mit Märschen und Ouvertüren noch ein rein festliches Programm. Ganz anders umrahmte man die Feier des 70jährigen Bestehens im Jahre 1980. Bei dieser Feier bekam Richard Wagner die Gesellschaft der Beatles. Im Mai 1990, als das 25. Kreismusikfest in Verbindung mit dem 80jährigen Bestehen der Musikvereinigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler gefeiert wurde, stand denn auch swingende Bigband-Musik neben bewährter Blasmusik. Mehrere tausend Gäste genossen bei herrlichem Wetter die Musik von einigen hundert jungen und älteren Musikanten des gesamten Kreisgebietes. Der begeisterte Beifall unterstrich, wie beliebt auch heute noch Blasmusik ist. Alt und jung vertragen sich halt nicht nur bei den Musikern, sondern auch bei den Werken.
Eine Kapelle hat sich angepaßt, ist mit der Zeit gegangen, ohne dabei allerdings Bewährtes fallen zu lassen. Altes bewahren, dabei aber auch dem Neuen aufgeschlossen sein. Das ist nach den Worten von Vorsitzendem Arnold Siegert, seit 1985 Vorsitzender, das Rezept der Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler, die auch in Zukunft musikalischer Botschafter ihrer Stadt sein wird.