Helmut Holze
Schon unseren Vorfahren war das Obst ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung. Ohne die Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen auf den menschlichen Organismus zu kennen, haben die Menschen mit dem Verzehr der Früchte der einheimischen Obstgehölze bereits ihrer Gesundheit gelebt. Der Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen, Fruchtsäuren, Aroma- und Ballaststoffen läßt die Früchte unserer Obstarten mehr sein als nur ein reines Genußmittel.
Wenn man in alten Büchern liest, begegnen einem immer wieder Aufzeichnungen und Hinweise auf den Obstbau. Wir erfahren so eine Geschichte des Obstbaues in unserer Heimat. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet schon von Menschen in der Eifel, denen Früchte von Gehölzen als Speise dienten. Die römischen Soldaten brachten auf ihren Kriegszügen dann den eigentlichen Obstbau mit. Die einheimische Bevölkerung hat sich die Erfahrungen und Kenntnisse der Besatzungstruppen schnell zu eigen gemacht.
Unter Karl dem Großen erfuhr der Obstbau eine deutliche Fortentwicklung. In Erkenntnis des Wertes des Obstes und des Obstbaues für die Bevölkerung und das Land erließ er bereits Verordnungen, mit denen entsprechend den Klima- und Bodenverhältnissen der Anbau der verschiedenen Obstarten empfohlen und gefördert wurde.
Aus Urkunden und Berichten ist ersichtlich, daß der Obstbau Ende des 18. Jahrhunderts in unserer Heimat bereits einen beachtlichen Stand erreicht hatte. In der napoleonischen Zeit war man bemüht, diesen Stand zu halten. Die Behörden schenkten dem Obstbau, auch wenn er nur der Eigenversorgung diente, doch einige Beachtung. Die Präfektur des Rhein-Mosel-Departements unterhielt eine Baumschule, von der die Gemeinden Bäume beziehen konnten.
Alter Feldobstbau
Am 2. Oktober 1817 richtet der Bürgermeister von Ahrweiler an den königlichen Landrat die Bitte, »bei der königlich hochwohllöblichen Regierung geneigtest antragen zu wollen, daß der Bürgermeisterei aus der Departementsbaumschule in Koblenz 300 - 400 veredelte Obstbäume verabreicht werden mögen.«Die Bestellung konnte nicht erledigt werden, da die Baumschule sicher nicht über genügend Material verfügte.
Aus dieser Tatsache ist wohl der Vorschlag des königlichen Schulinspektors Reichelstein an den Landrat im Jahre isiszuerklären. In jeder Gemeinde soll dem Lehrer ein Stück Land zur Einrichtung einer Obstbaumschule zur Verfügung gestellt werden. Es werden auch gleich Empfehlungen für den Absatz der Bäume unterbreitet: »Bei der ersten Annahme zum Heiligen Abendmahl würde jedes Kind einen von seiner Hand veredelten Jungbaum auswählen und pflanzen. Jedes Brautpaar, das sich im Dorf verheiratet, soll zwei Bäume aus der Baumschule kaufen und verpflanzen. Auf diesem Wege würde nicht nur jede Gemeinde bald mit nützlichen Obstbäumen versehen werden, sondern jeder Knabe und jedes Mädchen würde von Jugend auf für einen Baum, für seine Fortdauer und Nutzbarkeit Achtung erhalten.« Den Anstoß zu diesem Schreiben bekam der Schulinspektor aus Niederbreisig, wo unter der Obhut der Lehrer bereits seit Jahren eine Baumschule bestand.
Die Stadt Ahrweiler ist auf den abschlägigen Bescheid aus Koblenz hin aber auch nicht untätig geblieben. Bereits im Frühjahr 1818 richtete die Bürgermeisterei eine eigene Baumschule ein, die nach den Anlaufjahren in der Lage ist, die Gemeinden der Umgebung mit veredelten Obstbäumen zu versorgen. Der Landrat von Ahrweiler spricht der Baumschule für ihre Leistungen wiederholt höchste Anerkennung aus.
Diese Initiativen einzelner Lehrer und Gemeinden haben dem Obstbau im Kreis Ahrweiler einen bedeutenden Auftrieb gegeben, das war für die Kreisverwaltung Ahrweiler sicherlich Veranlassung, auch eine Baumschule aufzubauen, die ihren Standort oberhalb Walporz-heim nahe dem Altenwegshof hatte. Ältere Bürger erinnern sich noch an die Parzelle. Mit der Entstehung von privaten Baumschulen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ging die Zahl der gemeindlichen Baumschulen zurück. Die Privatbaumschulen befaßten sich auch schon mit der Auswahl von besonders reichtragenden und wohlschmeckenden Typen der bekannten Sorten und führten Neuheiten ein.
Die Entwicklung des Obstbaues hat aber noch weitere Ursachen. Sie wurde gefördert durch verschiedene wirtschaftliche Gegebenheiten. Mit der Industrialisierung und dem schnellen Wachstum der Städte bildeten sich Verbraucherzentren, die nicht mehr über eine ausreichende Eigenversorgung verfügten. Es erschlossen sich Absatzmöglichkeiten und damit zusätzliche Einnahmequellen für die ländliche Bevölkerung. Das war der Schritt vom Selbstversorger zum Erwerbsobstbau.
In verkehrsgünstig gelegenen Gemeinden mit den geeigneten Boden- und Klimaverhältnissen wurden Obstplantagen angelegt. Damit änderte sich das Bild der Landschaft: Standen früher die Bäume vereinzelt in der Gemarkung, so wurden jetzt geschlossene Anlagen aufgepflanzt; man setzte aber Hochstämme, da das Land ja gleichzeitig auch noch landwirtschaftlicher Nutzung dienen mußte. Reste dieser Pflanzungen finden wir heute noch in verschiedenen Gemeinden des Kreisgebietes.
Einen weiteren Auftrieb bekam der Obstbau im Kreis Ahrweiler, als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in den Weinbergen des unteren Ahrtales, des Vinxt- und Brohlbaches die Reblaus auftrat. Auf vielen Weinbergsflächen wurden nach dem Aushauen der Weinberge Obstbäume gepflanzt (Bodendorf, Westum, Löhndorf, Waldorf).
Mit der Einführung des Obstbaues in den Betrieben als vollwertigen Betriebszweig bemühten sich die Landwirte aber auch um wirtschaftlichere Anbaumethoden. Die Baumschulen boten die Äpfel auf niedrigeren Baumformen an. Um 1910 entstand in Remagen und Kripp ein sehr intensiver Obstbau, der sein Ende zum Ende des 2. Weltkrieges fand.
Die guten Erfolge mit dem Obstbau im Rheintal waren für die Bauern auf der Grafschaft Veranlassung, sich auch mit dem Obstbau zu befassen, zumal der bestens geeignete Lößboden ideale Voraussetzung war. 1923 stellte in Gelsdorf der erste Betrieb von Landwirtschaft auf Obstbau um; seinem Beispiel folgten bald weitere Betriebe.
Dabei werden in diesem Erwerbsanbau auch andere Obstarten (Birnen und Zwetschen) einbezogen. Die Zwetsche wurde wegen ihrer Standfestigkeit als Windschutz um die auf der schwachwachsenden Veredlungsunterlage Typ 9 stehenden Äpfel gepflanzt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten - der Wechsel von den Flächenkulturen zu den sehr viel Beobachten erfordernden Obstkulturen verlangte von den Landwirten ein Umdenken - war bald ein blühender Obstbau entstanden. Am Ende dieser Entwicklung standen die reinen Obstbaubetriebe. Da der Windschutz um die Apfelplantagen sich als nicht notwendig erwies, wurden keine weiteren Zwetschgen gepflanzt; stellenweise wurden die vorhandenen Bestände sogar gerodet, da sich bei der Bewirtschaftung solcher Mischpflanzungen Schwierigkeiten ergaben. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem letzten Krieg wurde der Obstbau weiter intensiviert. Es wurden Anlagen mit Sauerkirschen und Pfirsichen aufgepflanzt, einige Betriebe nahmen auch die Kultur von Beerenobst (Johannisbeeren, Himbeeren und Erdbeeren) auf. Ein Schwerpunkt des Erdbeeranbaues entstand in dieser Zeit in dem Gebiet zwischen Remagen, Sinzig und Bodendori. Allerdings wurde der Anbau hier im Nebenerwerb betrieben und wurde gegen Ende der sechziger Jahre eingestellt.
Moderner Obstbau bedeutet: niedrige Baumformen und enge Pflanzabstände
Die staatlichen Stellen erkannten sehr bald die wirtschaftliche Bedeutung des Obstbaues und förderten sie auch. Vor über 100 Jahren wurde interessierten Lehrern von der Regierung die Möglichkeit geboten, an in der damaligen Zeit gegründeten Obstbauinstituten Lehrgänge zu besuchen, in denen Kenntnisse und Fertigkeiten, besonders auch in der Pflege der Obstbäume, vermittelt wurden. 1869 gewährte die Regierung in Koblenz dem Lehrer Arnold aus Löhndorf eine Beihilfe von 120 Mark zum Besuch eines Kurses in Reutlingen. 1873 verfaßte Arnold eine Denkschrift, mit der er die Errichtung einer Wein- und Obstbauschule in Ahrweiler empfahl. Die Stadt Ahrweiler wurde als Träger dieser Institution vorgeschlagen, das Projekt scheiterte aber an der Kostenfrage.Der Gedanke, eine Schule zu gründen, wurde später von der Provinzialverwaltung in Düsseldorf wieder aufgenommen, und 1899 beschloß der Provinziallandtag die Errichtung der »Pro-vinzial-Wein- und Obstbauschule«. Die Gründung erfolgte dann 1902 mit der Eröffnung des ersten Semesters am 3. Oktober. Neben dem theoretischen Unterricht wurde auch praktisch gearbeitet. Bei den Gebäuden lagen 2 ha Fläche zu Demonstrations- und Versuchszwekken. Zudem hatte die Stadt Ahrweiler der Schule die Oberaufsicht über das städtische Obstgut »Godenelter« übertragen. Neben der Unterweisung der Schüler in den Kultur- und Pflegearbeiten wurden hier auch Düngungsversuche durchgeführt. Seit 1904 unterstand der Schule auch die Kreisobstbaumschule am Altenwegshof oberhalb von Walporzheim.
Eine weitere Musterobstanlage entstand in Westum. 1906 beschloß eine Kommission unter Vorsitz von Landrat Heising Maßnahmen zur Förderung des Obstbaues. In der besonders stark von der Reblaus befallenen Gemeinde Westum wurden Ländereien aufgekauft, um dort eine staatliche Obstanlage aufzubauen. Die fachliche Betreuung der Anlage lag in den Händen des Obstbaulehrers der Schule. Nach gründlicher Bodenverarbeitung wurde 1907 schon mit der Aufpflanzung begonnen. In einem Bericht von 1911 wurde die inzwischen 3,5 ha große Anlage als »Obstmusteranlage in Westum« und Besichtigungsobjekt besonderer Art herausgestellt. Heute besteht diese Beispielsanlage nicht mehr.
Durch das Wirken der Schule hat der Obstbau einen deutlichen Aufschwung genommen. Allein im kommunalen Bereich wurde zehn Jahre nach Gründung der Schule eine Verdreifachung der Zahl der Obstbäume registriert, im privaten Bereich dürfte die Zahl noch wesentlich höher liegen. Mit dem Anwachsen der Obstmenge interessierte man sich auch für eine verbesserte Verwertung des Obstes, das nicht über den Frischmarkt abgesetzt wurde. So beschloß der Provinziallandtag 1914 bereits die Einrichtung einer Obstverwertungsstation, die ein Jahr später mit dem Bau des Hauses III in der Lehranstalt geschaffen wurde. Es wurden Versuche zur Verwertung und Haltbarmachung der verschiedenen Obstarten und für Interessenten Kurse durchgeführt. Dieses Arbeitsgebiet wurde nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings nicht wieder aufgenommen.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete überhaupt ein Einschnitt in der Entwicklung des Obstbaues im Kreis Ahrweiler. Neben den Plantagen in der Goldenen Meile fielen auch die Versuchsanlagen der Lehr- und Versuchsanstalt sowie viele Pflanzungen im Kreisgebiet den Nachkriegswirren zum Opfer. Ein neuer Beginn setzte in den fünfziger Jahren ein, es wurden die Grundlagen für den modernen Obstbau von heute gelegt. Für manchen landwirtschaftlichen Betrieb ist es die Hauptoder sogar einzige Einnahmequelle, für viele Kleingärtner ein liebenswertes Hobby, das außerdem noch von Nutzen für den eigenen Haushalt ist.