Eingebunden in die Geschichte -offen für die Zukunft
Rückblick auf die Feierlichkeiten zum 125jährigen Jubiläum des Peter-Joerres-Gymnasiums Ahrweiler
Horst Müller
»125 Jahre Peter-Joerres-Gymnasium Ahrweiler, wenn das kein Grund zum Feiern ist!«, so hieß es im Programm zum »Tag der offenen Tür« der ältesten Höheren Schule des Ahrkreises am 2. März 1985. Mit diesem Tag begannen die Feiern, die allen, die sie erlebten, unvergeßlich sein werden. Der »Tag der offenen Tür« stand unter dem doppelten Motto »Geschichte der Schule« und »Freunde in Europa«. Großes Interesse fand die Ausstellung zur Geschichte des Gymnasiums mit zahlreichen Dokumenten und Fotos bei sehr vielen ehemaligen Schülern und Lehrern, vor allem aber auch bei den jetzigen Schülern und ihren Eltern. Die Ausstellung zeigte von der Niederschrift des ersten Gründungsbeschlusses 1858 bis zu den jüngsten pädagogischen Reformbestrebungen die große und stolze Tradition der Schule mit allen Höhen und Tiefen, mit Aufbau, Zerstörung und neuer Entfaltung eines reichen schulischen Lebens in den letzten vierzig Jahren. An bedeutende Lehrerpersönlichkeiten wurde erinnert: von Dr. Peter Joerres bis zu Günther Steines. Aufgeschlagen war hier, wie es eine Tageszeitung formulierte, das »Lebensbuch eines Gymnasiums«. Für viele war es die Begegnung mit einem Stück ihres eigenen Lebens. Als Gegenpol zum Rückblick auf die Tradition und zur Belebung des Europagedankens war der zweite Teil des Mottos gedacht. In zahlreichen Aktivitäten von Schülern und Lehrern wurden Bräuche und Spezialitäten der Länder vorgestellt, deren Sprachen am Peter-Joerres-Gymnasium gelehrt werden. Bewußt wurden
dabei auch das vorrevolutionäre Rußland und die heutige DDR einbezogen, um klarzumachen, daß Europa nicht an der Elbe endet. Der »Tag der offenen Tür« wurde zu einem Tag der Begegnung und gab vielen Gelegenheit, die herzliche Verbundenheit mit ihrer alten Schule zu bezeugen. Der älteste Gast an diesem Tag war 81 Jahre, hatte vor sechzig Jahren hier sein Abitur gemacht und war wie zu seiner Schulzeit zu Fuß von der Grafschaft herabgekommen.Drei musische Veranstaltungen dieses Tages wurden wegen ihres großen Erfolges noch einmal aufgeführt.
Das von Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe entzückend aufgeführte Tanzspiel »Tabaluga - oder die Reise zur Vernunft«, von zwei Schülerinnen choreographiert, ferner ein Konzert des Chores und der Holzbläsergruppe des Gymnasiums sowie das Abenteuerstück »Am Abgrund des Todes«, vom Unterprimaner Wolfgang Kiel selbst geschrieben und in Szene gesetzt. Herzlicher Beifall dankte jedesmal den Mitwirkenden. Der Reinerlös floß der Afrika-Hungerhilfe zu, auch dies wieder ein Beweis für das Engagement der Schüler und Lehrer des Gymnasiums.
Am »Tag der offenen Tür« erschien eine Festschrift mit vielen interessanten Artikeln und Fotos aller Klassen, Kurse und Lehrer der Schule im Jubiläumsjahr.
Rechtzeitig waren einige Renovierungsarbeiten an den Gebäuden der Schule fertig geworden. So fanden nach langem Kelleraufenthalt die noch erhaltenen Relief-Platten von Erna
Deisel-Jennes, die ehedem das Eingangsportal geschmückt hatten, eine neue würdige Bleibe in der Pausenhalle. Im Verwaltungstrakt wurde eine von einer Schülermutter als Geschenk gestiftete, geschmackvoll gestaltete Zeittafel zur Geschichte des Peter-Joerres-Gymnasiums Ahrweiler aufgehängt. Die Wappen der Stadt und des Landkreises Ahrweiler weisen auf die wechselnden Träger der Schule hin. Großformatige Fotos aller Gebäude, in denen die Schule seit ihrer Gründung untergebracht war, laden Besucher und Schüler zum Betrachten ein, ebenso wie die »Ahnengalerie« mit Fotos aller verstorbenen Schulleiter seit Peter Joerres. Leider fehlen hier noch immer die Porträts seiner beiden Nachfolger Dr. Stern und Dr. Eschbach.Höhepunkt der Jubiläumsfeiern war der 23. März. Am Morgen legte das Kollegium einen Kranz nieder am Grab des ersten Schulleiters Dr. Peter Joerres. Oberstudiendirektor Rudolf Jakobs sprach Worte des Gedenkens an ihn und alle Toten des Gymnasiums. Auch die Eucharistiefeier in der St. Pius-Kirche war dem Gedenken aller Toten der Schule gewidmet. Sie wurde zelebriert von Dechant Hammes und gestaltet von den Religionslehrern Edith Klaes und Horst Drach, sowie Schülerinnen und Schülern. In den Ansprachen dieses Gottesdienstes, wie auch später im Festakt, wurde hervorgehoben, daß Aufgabe der modernen Schule nicht nur die Vermittlung von Wissen sein kann, sondern auch vor allem die an Wertvorstellung gebundene Erziehung und »Herzensbildung« der jungen Menschen. Der offizielle Festakt fand in der Sporthalle des Gymnasiums statt. Sie war geschmückt mit leuchtenden Forsythien und Frühlingsgrün, mit den Fahnen von Stadt, Land und Kreis. In der Mitte über dem Podium prangte das Traditionsbanner der Höheren Stadtschule zu Ahrweiler. Mit »Coro« und »Bourree« aus Handels »Wassermusik« gaben Chor und Holzbläsergruppe des Gymnasiums unter Leitung von Jochen Lotz einen heiteren musikalischen Auftakt. Sodann begrüßte Oberstudiendirektor Jakobs die zahlreichen Gäste aus Kultur, Politik und Wirtschaft, viele ehemalige und gegenwärtige Schüler, Eltern und Lehrer. In seiner von Beifall begleiteten Ansprache stellte Rudolf Jakobs den Wert der Tradition für das Leben in der Gegenwart und Zukunft heraus. Er legte dar,
daß gerade ein schulisches Jubiläum verdeutlicht, »wie sehr der Mensch eingebunden ist in Geschichte, wie er im Gefüge und Zusammenspiel der Generationen seinen eigenen Platz, seinen Wert und seine Verantwortung findet oder auch verspielt«. Geschichtsloses Denken und Handeln, so stellte er fest, führe unweigerlich in die Barbarei. Nur aus der Vergangenheit heraus sei unsere Gegenwart und unsere Zukunft zu gestalten. Gerade ein Jubiläum wie dieses beinhalte die Einsicht, daß Schule nie etwas Fertiges, Abgeschlossenes sei, daß sie sich immer unterwegs befinde auf der Suche nach dem rechten Weg. Wenn das Gymnasium Orientierungshilfe suche, brauche es sich nur an Persönlichkeiten seiner eigenen Geschichte zu wenden. Als Beispiele nannte Rudolf Jakobs das Ahrweiler Bürgerkomitee, das diese Schule im jahrelangen Ringen der Regierung abgetrotzt hat, den begnadeten Pädagogen Dr. Peter Joerres und den Priester Dr. Peter Lak-kas, der unter der Verfolgung der Nationalsozialisten litt, weil er die Wahrheit und Liebe zu seinen Schülern höher einschätzte als politische Opportunität. Mit dem Vorbild solcher Männer im Blick, so endete der Schulleiter seine Rede, dürfe das Gymnasium trotz allem, was es bedrücke, mit Zuversicht in die Zukunft schauen.
Staatssekretär Dr. Konrad Mohr, der den rheinland-pfälzischen Kultusminister vertrat, lobte die Art und Weise, wie das Peter-Joerres-Gymnasium sein Jubiläum feierte. Anerkennung zollte er besonders dem Tag der offenen Tür. In seinen weiteren Ausführungen stellte er dann mehr die Zukunft der gymnasialen Bildung in den Mittelpunkt. Zwar dürfe die Schule nicht allen modischen Trends hinterherlaufen, andererseits könne sie sich aber auch nicht der Computertechnologie mit ihren Auswirkungen auf das Berufsleben des Einzelnen und die Wirtschaft der ganzen Nation verschließen. Landrat Dr. Plümer und Bürgermeister Weltken überbrachten die Glückwünsche des Kreises und der Kreisstadt sowie aller Gemeinden des Kreises. Beide unterstrichen ihre Verbundenheit mit dem Peter-Joerres-Gymnasium Ahrweiler. Dr. Plümer überreichte einen Scheck für die Aufbesserung der Schulbibliothek im geisteswissenschaftlichen Bereich, Rudolf Weltken brachte als Erinnerungsgabe ein Exemplar der in lateinischer Sprache abgefaßten mathematischen Dissertation von Dr. Peter Joerres. Glückwünsche und kritische Reflexionen zur Zukunft der Schule bestimmten auch die weiteren Ansprachen zum Festakt. Musik von Christoph Willibald Gluck, Giovanni Gabrieli und Benjamin Britten, dargeboten vom Chor und von der Holzbläsergruppe der Schule sowie von einem aus Lehrern, Eltern und Schülern gebildeten Orchester unter Horst Raschke, gab der Feier einen festlich heiteren Rahmen. Der von Mitgliedern des Elternbeirates und des Lehrerkollegiums gemeinsam veranstaltete Schulball beschloß den großen Tag. Wohl noch nie zuvor hatte das Kurhaus einen derartigen Ansturm fröhlicher Jugend zu bewältigen, die gemeinsam mit vielen reiferen Jahrgängen den Geburtstag ihrer Schule feiern wollte. Eine Tanzkapelle mit flotten Rythmen, präzise vorgeführte Balletteinlagen von Schülerinnen der Klassen 9 und 10 sowie eine burleske Parodie ehemaliger Schüler auf Ereignisse der jüngsten Schulvergangenheit sorgten bis in die frühen Morgenstunden für eine begeisternde Atmosphäre. Dazwischen gab es immer wieder Gelegenheiten zu freudigen Begegnungen zwischen Ehemaligen, Lehrern und Schülern. Hier präsentierte sich Schule, wie sie am schönsten ist: frei von allen Arbeitszwängen von ihrer ganz menschlichen Seite in einer beglückenden Heiterkeit. Hier trafen sich alt und jung, Vergangenes und Gegenwärtiges. Und mancher der Lehrenden hat sicher mit Freude festgestellt, daß seine in der Vergangenheit sorgsam gelegte Saat aufgegangen ist und Frucht zu tragen beginnt, die Hoffnung für die Zukunft verspricht.