Herrschaftlich präsentiert sich die Gartenseite von Schloß Ernich
Schloß Ernich und seine Botschafter
Matthias Röcke
Termin auf Schloß Ernich: in der Residenz des französischen Botschafters ist eine hohe Ehrung angesagt. Ein Bürger der Stadt Remagen erhält aus der Hand von Botschafter Jacques Morizet den Ordre National du Merite, die höchste französische Auszeichnung. Im Mittelpunkt des feierlichen Empfangs steht Fernand van den Bulcke, langjähriger Chauffeur der Botschafter und Hochkommissare auf Schloß Ernich.
Eigentlich eine interne Sache, könnte man sagen und diesen Termin im April 1984 abhaken, wenn die Angelegenheit nicht noch eine andere Seite hätte: Fernand van den Bulcke ist in Remagen einfach der »schnelle Fredy«, jeder kennt ihn, jeder mag ihn und seitdem er mit Frau, Tochter und Hund eine Wohnung am Rhein bezogen hat, ist er auch ganz offiziell Remagener Bürger.
Franzose ist er selbverständlich geblieben. Die einzelnen Botschafter von Ernich waren und sind in Remagen nicht unbedingt alle von Angesicht bekannt, Fredy aber «vertrat« die Botschaft auf der Rheinhöhe unten in der Stadt. Er wurde in den 36 Jahren, die er auf Ernich Dienst tat, zum Symbol der Verständigung und des von beiden Seiten geschätzten Miteinander von Stadt und Botschaft. Zwar ließen die 2,7 Millionen Dienstkilometer seiner Laufbahn Fredy oft nur wenig Zeit, sich in Remagen umzusehen, er und seine Familie hatten jedoch schnell Kontakt, nicht nur zu den Freunden der Jägerei.
Ehrungen und Erinnerungen: Fernand van den Bulcke und seine
»Chefs«
Fotos: Kreisbildstelle
Fredy hat alle kennengelernt, die auf Schloß Ernich residierten. Es begann mit Pierre Koe-nig und Andre Francois-Poncet, beides Männer, die in der Nachkriegsphase für Deutschland sehr wichtig waren. Die Reihe geht weiter mit Louis Joxe, Couve de Murville, später französischer Außenminister, Francois Seydoux de Clausonne, Jean Sauvagnargues, ebenfalls später Minister, Olivier Wormser, Jean-Pierre Brunet bis zu Henri Froment-Meurice und dem heutigen Botschafter Jacques Morizet. Botschafter waren Frankreichs Repräsentaten in der Bundesrepublik Deutschland seit 1955, bevor der Deutschlandvertrag in Kraft trat, waren sie Hochkommissare.
Manche kamen nur für kurze Zeit, viele blieben aber auch lange und sind den Remagenern heute noch in Erinnerung. Andre Francois-Poncet wird durch den von ihm gestifteten und nach ihm benannten Hilfsfonds für in Not geratene Menschen in Remagen ohnehin einen festen Platz in der Geschichte der Stadt einnehmen. Die Familien Francois-Poncet, Sauvagnargues und Froment-Meurice waren geachtete und gern gesehene Besucher in der Remagener Pfarrkirche. Als Froment-Meurice ging, wurde er sogar offiziell im Pfarrbrief verabschiedet.
In der Karnevalszeit ist ein Prinzenbesuch aus der Stadt auf Ernich obligatorisch. Viele Veranstaltungen in der Residenz brachten internationales Publikum nach Remagen. Brunet ist in seiner Remagener Zeit Mitglied des Eifelvereins geworden.
Die französische Residenz ist einfach die Botschaft schlechthin für Remagen, obwohl es auch eine Dienststelle der chinesischen Botschaft, die jemenitische und die jordanische Vertretung in der Stadt gibt und die der Sowjet-Union bis zum Februar 1976 auf Remagener Gebiet lag. Es gibt viele Bindungen zu Remagen und »seiner« Botschaft. Keine davon ist tiefgreifender als die Partnerschaft zwischen Remagen und der französischen Reiterstadt Maisons-Laffitte. Stilgerecht wurde sie als 1 000. Partnerschaft zwischen beiden Staaten gefeiert. Es blieb nicht beim offiziellen Akt, viele Besuche auf allen gesellschaftlichen Ebenen haben die Beziehung längst vertieft. Es ist, als wäre Fredy, übrigens auch Träger der bundesdeutschen Verdienstmedaille, der Vorreiter dieser Verständigung gewesen. Wer die Gelegenheit hatte, Schloß Ernich zu besuchen, versteht sofort, warum die Franzosen hier bleiben wollten. Die beinahe unwirkliche Ruhe über dem betriebsamen Tal, der Blick über Remagen, Unkel und das Siebengebirge, der Wald, der Park, der Garten, das Schloß selbst, das alles erinnert an Sommerfrische und Erholung, aber auch an großzügige Repräsentation und kommt dem Besucher wie ein Traum vor.
Als eine Art Traum hatte es tatsächlich einmal begonnen. Als das junge Ehepaar Arnold und Ella von Guilleaume aus der bekannten, 1904 geadelten Kölner Industriellenfamilie einen Platz für einen Sommersitz suchte und sich so einen Traum erfüllen wollte, entschied es sich für den Berg in der Gemarkung »Auf der Er-nichslay« zwischen Oberwinter und Remagen. Das Gelände gehörte ihrem Onkel Max von Guilleaume. Den herrlichen Ausblick konnte das Paar bei einer ersten Besichtigung nicht erkennen, zu hoch standen die Bäume. Für Abhilfe, so wird berichtet, sorgte ein schnell erstellter Hochsitz. Damit war die Entscheidung gefallen, der Blick war überwältigend, es wurde gebaut (Geld spielte keine Rolle). Geheimrat Ihne aus Berlin, dort bekannt geworden durch seinen Entwurf für das Kaiser-Friedrich-Museum, verwirklichte von 1906 bis 1908 seinen Plan für Ernich, angelehnt an den Stil der Renaissanceschlösser.
Die Auffahrt auf den Berg mündet in eine großzügig angelegte Umfahrt vor der Portalseite. Der Rechteckbau mit seinen kurzen Seitenflügeln und der risalitartig gestalteten Portalachse beeindruckt durch seine harmonischen Proportionen. Die beiden Seitenfassaden sind unterschiedlich gestaltet, die westliche ist in zwei pavillonartige Elemente mit großzügig bemessenen Baikonen unterteilt, die östliche zeigt sich als einziger, großer Balkon. Die Gartenseite ist die Glanzseite des Schlosses. Das vorspringende, prächtige Portal, der Balkon und die drei Achsen des zweiten Stockwerkes mit dem kleinen, klassizistisch orientierten Giebel darüber verleihen dem Gebäude in der Mitte der Fassade seinen herrschaftlichen Charakter. Rechts und links neben dem Portal hat das Schloß je vier Achsen. Das Mansarddach schmückt ein Dachreiter. Man spürt, dies ist ein besonderer Ort. Er ist der Bedeutung unseres Nachbarstaates angemessen. Er steht auch für die Veränderung der Beziehungen zwischen den Franzosen und den Deutschen seit 1945: als die Franzosen nach Ernich kamen, beschlagnahmten sie kurzerhand das Schloß. Später schlössen sie mit der Familie von Guilleaume einen Mietvertrag und dann auch einen Kaufvertrag ab, man wurde eben sehr schnell gut Freund mit seiner Umgebung. Fernand van den Bulcke kehrte nach seiner Pensionierung nicht nach Frankreich zurück. Er blieb da, wo er hingehört, in Remagen.