Ausländer im Kreis Ahrweiler

Günter Schnurpel

Mit über 4,5 Mio. Ausländern hat die Bundesrepublik den größten Anteil an Ausländern innerhalb der europäischen Staaten. Damit verbunden ergeben sich mannigfaltige Probleme in der deutschen Gesellschaft. Fragen nach Integration, Einräumung des aktiven und passiven Wahlrechts, Änderung des bestehenden Ausländerrechts und vieles mehr stehen bei der in den letzten Jahren wieder verstärkt in den Vordergrund gerückten Diskussion der Ausländer-Problematik im Blickpunkt. Besonders betroffen von diesen Problemen sind die Verdichtungsräume und Großstädte. Köln z. B. hatte 1979 mit einem Anteil von 12,7 Prozent Ausländer an der Wohnbevölkerung den drittgrößten Anteil an Ausländern hinter Berlin und Frankfurt.

Dagegen nimmt sich der Anteil des Kreises Ahrweiler mit 4,4 Prozent (1980) — dieser Wert liegt knapp unter dem Landesdurchschnitt von Rheinland-Pfalz — recht bescheiden aus. Trotz des vordergründig gering erscheinenden Anteils sollte man nicht verkennen, daß sich auch hier im Zusammenleben der verschiedenen Gruppen Probleme ergeben. Die den Verdichtungsraum u. a. kennzeichnende Anonymität ist durch die kleinräumliche Siedlungsstruktur des Kreises nicht von vornherein gegeben. Durch die »Übersichtlichkeit« der Straße, des Dorfes, der Gemeinde, in der man wohnt, sind die Kontaktmöglichkeiten weitaus größer.

Und trotzdem ist eine Integration der Ausländer auch im ländlichen Raum, und hierzu muß der größte Teil des Kreises gerechnet werden, nicht die Regel. Zwar versucht die Kirche das Verhältnis zu den Ausländern zu fördern und haben sich eine Reihe von Initiativen und Vereinen gebildet, doch sind diese Bestrebungen eher die Ausnahme. Inwieweit solche Bestrebungen, angesichts der Grundeinstellung der öffentlichen Meinung, Erfolge haben werden, muß die Zukunft zeigen.

Entwicklung der Ausländerzahlen im Kreis Ahrweiler seit 1961

Versucht man einen Überblick über die Entwicklung der Ausländer im Kreis zu geben, muß man davon ausgehen, daß der eigentliche Beginn der Zuwanderung der Ausländer im Kreis Ahrweiler Mitte der 60er Jahre war. Die Entwicklung der Ausländerzahlen im Kreis Ahrweiler seit 1961

Gründe für die rasche Zunahme der Ausländerzahlen seit Mitte der 60er Jahre sind:

Das Fehlen von Arbeitskräften hat die Bundesregierung veranlaßt, Ausländer anzuwerben. Die Entwicklung der Ausländerzahlen bis heute verläuft jedoch nicht gradlinig, sondern ist durch mehrere Einschnitte gekennzeichnet. Die steigenden Ausländerzahlen seit 1978 sind überwiegend durch den Nachzug von Familienangehörigen begründet. So waren z. B. 1970

 

1961  1970 

1975

 1976

1977

1978

1979

1980

Veränderung 1976- 1980

Ausländer
insgesamt

611  2334 4568

4335 

4227 

4356 

4515 

4869

+ 12,3% 

in v.H. der Wohnbevölk

-

-

4,2 

4,0

3,9

4,0

4,1

4,4

+ 0,4 %

Darunter:

 

 

 

 

 

Italien

-

-

-

482

463

489

519

550

+ 14,1 %

Türkei

-

-

-

1 013

1 070

1 159

1 279

1 469

+ 45,0 %

Griechenland

-

-

-

221

172

164

154

158

- 28,5 %

Jugoslawien

-

-

-

489

465

490

483

479

- 2,0 %

Spanien

-

-

-

346

313

295

280

270

- 22,0 %

Quelle: Statistische Monatshefte Rhld.-Pfalz 1977-1981 und Statistische Jahrbücher Rhld.-Pfalz 1977 und 1980/81. In v.H.Zahlen eigene Berechnungen.

noch 66,2 Prozent der Ausländer in Nordrhein-Westfalen sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer, 1979 waren sie nur noch mit 41,4 Prozent vertreten. Dafür ist der Anteil der Nicht-Erwerbstätigen unter den Ausländern — Mütter, Kinder, Jugendliche, Arbeitslose — von 33,8 Prozent auf 58,6 Prozent (1979) angestiegen2.

Welche Gründe sind es, die die Ausländer dazu bewegen ihr Heimatland zu verlassen und in einem fremden Land zu leben und zu arbeiten? Zwei Faktoren der Entscheidung können zur Erklärung herangezogen werden:

  1. Die »abweisenden« Kräfte des Heimatlandes wie politische Verhältnisse, Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, niedriges Einkommen. »Gastarbeiter emigrieren aus den Agrarregionen Europas oder aus Europa angrenzenden Ländern. Ein Drittel der Auswanderungsnationen zählt zu den Entwicklungsländern. Doch auch die Migrationsregionen der anderen Abgabeländer, für Italien gilt dies beispielsweise für Sizilien und Kala-brien, sind katastrophal unterentwickelt3.

  2. Hinzu treten die »anziehenden« Faktoren des Ziellandes wie Möglichkeiten der Sicherung der eigenen Existenz, höheres Einkommen, berufl. Entfaltungsmöglichkeit, soziale Anerkennung (im Heimatland). Ist die Entscheidung zur Wanderung gefallen, beinhaltet dies oftmals, daß nach einer gewissen Zeit wieder ins Herkunftsland zurückgekehrt werden soll. Doch diese Absicht wandelt sich mit zunehmender Aufenthaltsdauer in den Wunsch, für immer im Ausland zu bleiben. Die Folge ist ein vermehrter Nachzug der Familienangehörigen.

Die Entwicklung der Nationalitätenzusammensetzung der Ausländer im Kreis Ahrweiler

Die Tabelle zeigt, daß 1980 der stärkste Anteil unter den Ausländern der Türkei mit 1 469 Angehörigen zukommt. Italien mit 550 Angehörigen, ein schon recht beachtlicher Abstand zur Türkei, Jugoslawien (479 Angehörige) und Spanien (270 Angehörige) folgen auf den nächsten Plätzen. Griechenland mit 158 Angehörigen spielt keine wesentliche Rolle mehr. Die in der Tabelle dargestellten 5 Nationen hatten 1980 einen Anteil von 60 Prozent (1976: 58,9 Prozent) an allen Ausländern im Kreisgebiet; die Türkei stellte dabei allein einen Anteil von 30 Prozent (1976:23,4 Prozent). Vergleicht man die Zahlen von 1980 mit den Zahlen aus 1976, so zeigt sich, daß die einzelnen Nationalitäten unterschiedliche Entwicklungen genommen haben. Während die Türken um 45 Prozent und Italiener um 15 Prozent gestiegen sind, verzeichneten die Griechen (- 28,5 Prozent), Jugoslawen (- 2,0 Prozent) und Spanier (- 22,0 Prozent) negative Salden, wobei die Entwicklung der Türken, Griechen und Spanier dem bundesdeutschen Trend entspricht. Entwicklung der Anteile ausgewählter Nationen 1976-1980

Entwicklung der Anteile ausgewählter Nationen 1976 -1980

Auffällig ist die überproportionale Zunahme der Türken um 6,4 Prozent von 1976 auf 1980 an allen Ausländern, gleichzeitig aber auch die negative Entwicklung der Griechen, Jugoslawen und Spanier um - 2,5 bis - 3,0 Prozent. Welche Erklärungsmöglichkeiten bieten sich für diese unterschiedliche Entwicklung? Die Entwicklung der Italiener, Italien war eines der ersten Anwerbeländer überhaupt, ist durch folgende Faktoren zu begründen:

Die Abnahme der Griechen und Jugoslawen ist nur schwer zu erklären. Bei Griechenland könnten ähnliche Gründe wie bei Italien eine Rolle spielen (Verbesserung der wirtschaftlichen, aber auch der politischen Lage). Unter Umständen ist ein vermehrter Zuzug aus Griechenland durch den EG-Beitritt zu erwarten. Für Jugoslawien ist eine Abschätzung der weiteren Entwicklung nur schwer möglich, da nicht zuletzt auch politische Faktoren auf die Wanderungsbereitschaft und -möglichkeit einen Einfluß ausüben. Die hier nicht gesondert dargestellten Nationen - sie rekrutieren sich aus allen Erdteilen - stellen zwar 40 Prozent der Ausländer, jedoch sind die einzelnen Anteile der Nationen gering.

Schlußbemerkung

Es hat sich gezeigt, daß auch im Kreis Ahrweiler seit 1978 der Ausländeranteil steigt. Deutlich haben sich Italien und die Türkei auf die beiden ersten Rangplätze gesetzt. Mit einem Anteil von 4,4 Prozent Ausländern an der Wohnbevölkerung gehört der Kreis zwar nicht zu den mit »Ausländerproblemen« konfrontierten Räume, doch sollte die Planung mehr als bisher auf die Anwesenheit der Ausländer eingehen. Daher erscheint es sinnvoll weitere Fragen zu klären:

Die Beantwortung dieser Fragen kann nicht nur den verantwortlichen Planern und Politikern eine Entscheidungshilfe geben, sondern kann zum Abbau von Vorurteilen und damit zur besseren Verständigung zwischen der deutschen und ausländischen Bevölkerung beitragen. Die Integration der Ausländer, was auch immer unter diesem Ausdruck verstanden werden soll, ist nicht nur eine humanitäre Frage, sondern eine Notwendigkeit, wenn die zunehmende Polarisierung der Bevölkerung in Einheimische und ausländische Minderheiten vermieden werden soll.

1 Schäfers, B.: Sozialstruktur und Wandel der Bundesrepublik Deutschland. 2. Aufl. Stuttgart 1979, S, 106.
2 Vgl.: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1980.
3 Klee, E.: Gastarbeiter. 3. Aufl, Frankfurt/M. 1975, S. 25.