Konsekrator der Pfarrkirche St. Peter in Sinzig Bischof Heinrich von Ösel

Dr. Peter Paul Pauly

Der Zerfall der alten Sinziger Petruskapelle steht als Symbol für den Verfall der röm.-kath. Kirche im 12. Jh. Sowie unsere kleine Petruskapelle, in ihrem Gemäuer morsch geworden, durch Menschenhand niedergelegt wurde, war auch die kath. Kirche durch die altersschwache Gestalt Cöllestins III. gezeichnet und ließ Spuren unaufhaltsamen Niedergangs erkennen. An der Schwelle eines neuen Aufstiegs der Kirche steht die mächtige Persönlichkeit Lothars von Segni, der als 37jähriger Kardinaldiakon einstimmig zum Papst gewählt wurde. Er bestieg 1198 als Papst Innozenz III. den Stuhl Pe-tri. Seine Herrschergaben, die Gunst der Zeit und die sich aus den geschichtlichen Verhältnissen entwickelnden Bettelorden mit ihren mönchischen Heroen Dominikus de Guzman (geb. 1170 in Calaruega/Spanien) und Franz Bernadone (geb. 1182 in Assisi/ltalien) an der Spitze, führten ihn auf den Höhepunkt päpstlicher Machtentfaltung des Mittelalters. Nach 18jähri-gem Pontifikat zeigte die Kirche das geistige Profil dieses Papstes, das durch seine Genialität sowohl das innere Leben der Kirche festigte, als auch die äußere Macht des Kirchenstaates in einer Weise steigerte, daß alle anderen Lebensbereiche, sogar die kirchliche Bautätigkeit des Rheinlandes, mit beeinflußt wurden.

Es war die Zeit des Ausbaues der kirchlichen Rechtsstrukturen, des verhängnisvollen Zusammengehens kirchlicher und weltlicher Macht mit der unvorstellbaren Folge des Feuertodes für Ungläubige im Namen der Kirche; es war die Zeit der Weiterentwicklung der philosophisch-theologischen Weltanschauung im Sinne einer harmonischen Verbindung von Vernunft und Offenbarung; es war die Zeit der Entfaltung mystischer Ergriffenheit und vor allem war es die Zeit der Realisierung der zentralen Aufgabe der Kirche: Allen Völkern das Heil zu künden!

Ins 12. Jahrhundert fällt denn auch der Neuaufbruch christlicher Missionstätigkeit, insbesondere derjenigen Nord-Ost-Europas; Livland sollte der »Brückenkopf« für die Christianisierung Rußlands werden. Zwar waren bei den Eibslawen (Wenden) bereits im 10. und 11. Jh. n. Chr. Versuche der Glaubensverbreitung blutig gescheitert; so mußte der hl. Adalbert, Bischof von Prag, 997 unter den Preußen sein Leben lassen. Im Jahre 1009 erlitt auch der Missionsbischof Bruno von Querfurt, ein sächsischer Grafensohn, Freund und Schüler des hl. Romuald, mit 18 Gefährten den Märtyrertod. Nicht sehr erfolgreich war auch der Augustinerchorherr aus dem Kloster Segeberg bei Holstein, Bischof Meinhard, der 1184 in Üxkül an der Oüna eine Kirche baute und dort das Missionswerk begründete. Nach seinem Tod wurde der Zisterzienser Berthold Bischof an der Düna.

Er fiel im Kampf gegen die Letten im Jahre 1196.

Die Missionsversuche gingen mit dem Domherrn Albert von Buxhoeveden weiter. Mit ihm betritt ein Mann die Missionslandschaft, der konsequent sowohl geistliche als auch weltliche Ziele verfolgte. Er gründete 1201 die Stadt Riga an der Dünamündung und wählte sie zu seinem Bischofssitz. Er war der große Wort- und Schwertmissionar der baltischen Länder, dem es in seinem 30jährigen Wirken gelang, die Herrschaft über Livland hinaus auf Teile von Estland, Semgallen, Kurland und die Insel Ösel auszudehnen.

Auf dem Hoftage in Sinzig 1207 erhielt Bischof Albert von König Philipp von Schwaben Livland als aufgetragenes Reichslehen. Einige Jahre später erreichte er von König Heinrich sogar die Anerkennung Livlands als Mark des Reiches und durch die Verleihung der Regalien eine Gleichstellung mit den anderen Reichsfürsten. Diese erstaunlichen, auch familienpolitischen Erfolge erregten das Mißtrauen der Kurie. Papst Honorius III. schickte deshalb den Geisteshelden Wilhelm von Piemont, der als Zögling in der großen Kartause erzogen und im gerade kanonischen Alter im päpstlichen Palast Notar geworden war, als Legat nach Riga. Kardinal Wilhelm, resignierter Bischof von Modena, war der kuriale Staatsmann, den fünf Päpste hintereinander zu ihrem Ratgeber ernannten, weil er die Fähigkeiten eines brillierenden politischen Genies besaß. Bei seiner zweiten Legation nach Livland (1234 -1236 n. Chr.) begleitete ihn der Dominikanermönch Heinrich. Wilhelm von Modena ernannte diesen kraft seiner außergewöhnlichen Vollmacht am 28. 2. 1234 zum Bischof von Ösel. Der Legat konfirmierte ihn nach kurzer Zeit und weihte ihn am 10. 9. 1234 unter Assistenz der beiden Bischöfe Nikolaus von Riga und Hermann von Dorpat zum Bischof von Ösel und bestimmte die Limitation der Diözese. Sie umfaßte Ösel, Dagden, Mone, die umliegenden Inseln und die Wieck; im Norden sollte der Fluß Wichterpalsche, im Süden der Embach und sein Nebenfluß Pala die Grenze bilden.

Die baltischen Lande im Mittelalter

In der Reihenfolge der Öseler Bischöfe steht Heinrich nach dem Landsknecht in Zisterzienserkutte, Gottfried von Pforte, an zweiter Stelle. Mit Feuereifer widmete sich Bischof Heinrich dem Aufbau seiner Diözese und dem Ausbau seines Glaubenswerkes. Immer wieder wurde er schuldlos in Zwistigkeiten der Inselbewohner verwickelt, die seine Kräfte verzehrten. Um sein Bistum zu befrieden, reichte seine Autorität allerdings nicht aus. Er begab sich daher auf die mühselige Reise nach Rom, um der Kurie die schwierige Situation seiner Diözese darzustellen. Als er seine Bistumsinsel verließ, befanden sich die kampferprobten Öseler wieder in kriegerischen Auseinandersetzungen, die dazu führten, daß alle Christen während seiner Abwesenheit vom Glauben abfielen. Auf der gefährlichen Reise nach Rom begab sich Bischof Heinrich unter den Schutz des Erzbischofs Theodorich von Trier.

Während noch im 13. Jh. die Bischöfe verpflichtet waren, episcopale Tätigkeiten wie Konsekration und Benediktion persönlich zu vollziehen, übernahm Heinrich von Ösel bischöfliche Amtshandlungen für den schwererkrankten Erzbischof Theodorich von Trier. Durch diese Amtshilfe wurde das Institut des Weihbischofs begründet ( . . . »vices gerentes episcopi. ..«). So weihte er am 28. Juli 1241 die St. Annenkapelle bei Boppard/Rhein. Am 16. August 1241 urkundete er in Koblenz über eine Ablaßerteilung zugunsten der Klosterkirche auf dem Beatusberg (Karthause). Gegen Ende des Jahres 1242 kehrte Bischof Heinrich ohne greifbare Ergebnisse bei der Kurie auf die Insel Ösel zurück. In den folgenden Jahren bereiste er seinen Bistumsbezirk, dabei hielt er sich in den verschiedensten Teilen Livlands auf, seine Besuche galten auch der Stadt Riga. Im Jahre 1251 baute er seine Bischofskirche, die Kathedrale von Pernau und begründete zur gleichen Zeit sein Domkapitel mit 12 Domherren. 1254 verließ er wieder sein Missionsbistum, um sich auf seine zweite Romreise zu begeben. Sein Weg führte ihn wieder durch Deutschland. Er urkundete am 17.9.1254 in Worms und traf sich mit dem Erzbischof von Riga und Heinrich von Lützelburg, der seit dem 3. März 1251 Bischof von Kurland war, in Sens in Frankreich. Heinrich von Ösel hielt sich 1255 in Wetzlar auf, im Juni 1256 in Lübeck. Von Lübeck begab er sich in seine Diözese nach Ösel, die er aber 1260 wieder verließ. Er versah wieder die bischöflichen Amtshandlungen, und zwar diesmal in den Diözesen Köln und Minden. Am Dreikönigstag 1260 konse-krierte er im Auftrag des Erzbischofs von Köln, Conrad von Ahre-Hochstaden, einen Altar auf dem Kalvarienberg in Kreuzweingarten bei Münstereifel und weihte 1260 mit großer Feierlichkeit das Pauluskloster in Minden/Westfalen unter Assistenz der Bischöfe von Minden und Verden.

Es handelt sich hierbei um eine der bedeutendsten Klosterneugründungen der Dominikaner des Mittelalters. Von hier verliert sich seine Spur im Dunkel der Geschichte. Es ist nicht überliefert, wo und wann er gestorben ist. Aus seinem teilweise erhaltenen Testament sind Ort und Tag der Ausstellung auch nicht bekannt. Heinrich von Ösel entstammte einem niedersächsischen Grafengeschlecht, das der Kirche 12 Bischöfe, 3 Äbtissinnen, mehrere Dompröpste und Dechanten schenkte. Diese Familie ist im Jahre 1582 ausgestorben, nachdem in 36 Jahren sieben Brüder ohne Nachkommen geblieben sind. Heinrich, Bruder des hl. Ordens der Prediger, Bischof von Ösel, verkörperte jene demütige, hochsensible Priestergestalt des Mittelalters, deren aureolenhaftes Charisma über 750 Jahre hinweg bis in unsere Zeit leuchtet! 

Er hat die Kreuzbasilika St. Peter in Sinzig geweiht!

Siegel des Bischof Heinrich von Ösel

Das kostbare, stark fragmentierte, einseitig geprägte, parabolische Hängesiegel, zeigt als Standporträtsiegel Bischof Heinrich von Ösel (estnisch: Saaremaa) mit ganzer Figur in seinem Pontifikalgewand mit Mitra, wobei die linke Hand den Hirtenstab mit der Krumme einwärts gekehrt hält und die rechte zum Segen erhoben ist. Das Siegel ist dem sogenannten Bischofssiegel des Albertus Magnus (Bischof von Regensburg 1260 bis 1262) sehr ähnlich, in Schrift und einigen Einzelelementen (Faltenbildung und Podest) aber altertümlicher als das des Albertus. Bei einer Größe von 4,1 x 2,6 cm trägt das aus Wachs, Harz, Weißpech und Terpentin oder Leinöl legierte, hellbraun-beige gefärbte, aufgrund der entzogenen Fettanteile spröde wirkende Siegel, folgende abbrevierte Legende: 

FR HENRIC D ORD PDIC EPC* OSILIEN 
F R (A T E R) 
H E N R l C (V S) 
D (E)
O R D (l N E)
P (R E) D l C (A T O R V M) 
E P (l S C O P V) C* 
O S l L l E N (S l S)

* EPC ist eine oft gebrauchte, aus dem Griechischen herrührende Abkürzung für EPISCOPUS Wenn die alten Theologen eine von den Anschauungen der großen Lehrer ihrer Schule abweichende Meinung vertraten, so pflegten sie in ihrer Bescheidenheit niemals ein »salva reve-rentia« zu vergessen. Auch große Gelehrte können ja irren, können eine Ansicht für ausreichend begründet halten, deren Grundlage anderen weniger fest und unerschütterlich erscheint. Es sei dem Verfasser am Ende der Betrachtung die Feststellung erlaubt:

Die These, Heinrich von Molenark, Erzbischof von Köln (1226 bis 1238), habe die Pfarrkirche St. Peter, Sinzig, konsekriert, ist falsch! Hier die Erklärung:

Nachdem der Sohn des Grafen Engelbert von der Mark und der Gräfin Margarete von Geldern, Erzbischof Engelbert l., der Heilige, von Köln, von seinem Verwandten Friedrich von Isenburg am 7. 11. 1225 erschlagen worden war, wurde in großer Eile am 15. 11. 1225 der Sohn des Grafen Hermann von Molenark-Saffenberg zum Erzbischof von Köln gewählt. Er ging als Heinrich l. in die Geschichte der Erzbischöfe von Köln ein. Für unser Thema ist allein die Tatsache von Bedeutung, daß Heinrich von Molenark während seiner Regierungszeit 4 Siegelstempel verwendet hat:

  1. Für die Zeit zwischen der Wahl und der Weihe bediente er sich eines sogenannten Elektensiegels. Dieses Porträtsiegel zeigt den Elekten auf einem Faltstuhl sitzend im einfachen Klerikerhabit. In der rechten Hand hält er einen Zweig (»virga correktionis«) und in der linken Hand ein geschlossenes Buch. Dieses Elektensiegel wurde am 2. 8. 1226 zum letzten Mal gebraucht. Die Legende lautet:
    HENRICVS DEI GRatiA SanCtE COLO-NIENsis ECCLeslE ELECTVS

  2. Der Erzbischof sitzt auf einem Faltstuhl und hält in der linken Hand den Hirtenstab und in der rechten ein Buch mit den Worten »Pax Vobis«.
    Dieses Archiepiscopussiegel hängt nur an drei Urkunden aus dem Jahre 1226. Der Stempel scheint deshalb schnell durch einen neuen ersetzt worden zu sein, weil der Stempelschneider den Fehler begangen hat, dem Erzbischof den Stab in die linke und das Buch in die rechte Hand zu geben. Die Legende lautet:
    HENRICVS DEI GRATIA SANCTE COLO-NIENSIS ECCLESIE ARCHIEPISCO (PVS)

  3. Der Erzbischof sitzt auf einem Faltstuhl und hält in der Rechten den Bischofsstab und in der Linken ein geöffnetes Buch: »Pax vobis!«
    Es kommt vor von Dezember 1226 bis 1228. Die Legende lautet:
    HENRICVS DEI GRATIA SANCTE COLO-NIENSIS ECCLeslE ARCHIEPISCOPVS

  4. Der Erzbischof sitzt auf einem Faltstuhl und hält in der Rechten den Hirtenstab, in der Linken ein offenes Buch: »Pax vobis!« Dieses Siegel benutzte Erzbischof Heinrich von Mai 1229 bis zu seinem Tode am 26. 3. 1238. Die Legende lautet:
    HEINRICus DEI GRatiA COLONIENSIS EC-CLesiE ARCHIEPiscopuS

Thesen haben ihr Schicksal!