Wilhelm Knippler
Vor fünfundfünfzig Jahren machte ich meine erste Eifelwanderung. Sie führte von Antweiler nach Aremberg. Dorthin hatte mich eine weise Koblenzer Regierung berufen.
Wie kam ein Junglehrer damals 1925 von Frankfurt nach Aremberg? Nun, der höchste Volksschulbeamte in Koblenz mag so überlegt haben:
Der Frankfurter kommt beim gegenwärtigen großen Lehrerüberfluß mit seinen 24 Lebensjahren viel zu früh in den Schuldienst und das auch nur, weil in Aremberg ein Orgelspieler gebraucht wird und die älteren Bewerber keine Orgelbefähigung haben. Aber es trifft sich gut! Aremberg ist die von Frankfurt aus am weitesten entfernte freie Stelle des Regierungsbezirks. Außerdem kommt er unter die Fittiche eines strengen Pastors. Dort, so weit entfernt von Frankfurt, werden ihm seine Großstadtflausen am sichersten ausgetrieben werden. Seine Lackhalbschuhe werden dort so mag der hohe Beamte auch vielleicht gedacht haben wohl schnell verschlissen sein, und der junge Mann wird sich feste Stiefel mit Nagelsohlen besorgen.
Ich hatte meine erste Stelle als Lehrer in der Eifel, anders ausgedrückt: ich wurde als Anfänger ins große Schulbecken hineingeworfen und hatte mehr als 60 Kinder in acht Jahrgängen zu betreuen, das hieß: Schwimme und lehre schwimmen! Gib Deutschunterricht in vier Abteilungen, rechne mit sechs Leistungsstufen, unterrichte ohne besondere Lehrmittel, erweitere das Wissen der Kinder ohne nennenswerte Lehrbücher, lehre Erdkunde mit lange überholten Landkarten, turne ohne geeigneten Platz oder Raum, musiziere ohne Instrumente! Klage nicht über primitive hygienische und mangelhafte sanitäre Verhältnisse! Schaffe Abhilfe ohne Geld, schwimme ohne fremde Hilfe, hilf dir selbst! Und es ging! Man fand ratgebende Freunde, erfahrene Kollegen, sogar helfende Menschen im Dorf. Mein Gott, wie hätte ich sonst beispielsweise in der ländlichen Berufsschule fertig werden sollen? Ich, aus der Stadt, sollte Bauernsöhnen neuzeitliche Düngerlehre nahebringen, die Notwendigkeit des Tuberkulosetilgungsverfahrens oder die Vorteile des Kartoffelsaatbaus!
Es kam auch Hilfe von oben. Hilfslehrer wurden mir geschickt, und die haben geholfen trotz miserabeler Bezahlung.
Leider durchlebte das ganze Volk damals harte Notzeit, Geldknappheit, Notverordnungen und Arbeitslosigkeit. Man mußte lernen mit wenigem zufrieden zu sein.
Zwölf Jahre habe ich im Eifeldorf verbracht, Lern- und Lehrjahre, aber auch Jahre jungen Glücks für mich und meine Familie. Aremberg wurde zum Paradies für unsere Kinder. So wurde die Berufung ins weit entfernte Dorf für den Großstädter zwar zu einer harten Probe, aber letztlich führte sie zum eigenen Besten.