Hans Habermann
In der ersten Hälfte des Jahres 1979 hat der Kreistag des Kreises Ahrweiler Richtlinien für die Wirtschaftsförderung verabschiedet. Gleichzeitig wurde bei der Kreisverwaltung ein Amt für Wirtschaftsförderung gebildet. Mit diesen verstärkten Anstrengungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung verfolgen die politischen Gremien und die Verwaltung des Kreises die Absicht, zur Sicherung der Erwerbsgrundlagen der Kreisbevölkerung einen deutlichen Akzent zu setzen.
Im folgenden Beitrag soll auf die Gründe, die zu diesem Engagement geführt haben, eingegangen sowie das neu geschaffene Instrumentarium kurz dargestellt werden.
Wählt man die Beschäftigungslage im Kreis Ahrweiler als Ausgangspunkt, läßt sich zunächst keine Notwendigkeit erkennen, zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage besondere Anstrengungen zu unternehmen. Zwar führte die Rezession auch im Kreisgebiet zu erschreckend hohen Arbeitslosenzahlen, die im Januar 1976 mit 2348 oder einer Quote von 6,6 % ihren Höhepunkt erreichten, doch war dies ein globales Konjunkturtief und kein spezielles Problem unseres Raumes. Im Gegenteil: Wenn man von saisonalen Arbeitslosenspitzen einmal absieht, ist die Entwicklung im Kreis Ahrweiler noch vergleichsweise günstig verlaufen. Im Jahresdurchschnitt lagen die Arbeitslosenquoten stets unter Bundesund Landesdurchschnitt.
Weshalb also, so kann man sich fragen, diese Bemühungen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen?
Nun, aktuelle Arbeitsmarktdaten geben ein hinlänglich gutes Bild über die bestehende Situation, sie reichen jedoch nicht aus, Anhaltspunkte über die zukünftige Entwicklung zu gewinnen.
Hier sind eingehende Analysen und Prognosen des Arbeitsmarktes, der Branchenstruktur und der Entwicklung von Bevölkerung und Erwerbstätigkeit notwendig. Es ist Aufgabe der Kreisentwicklungsplan u n g, entsprechende Angaben zur Verfügung zu stellen und damit den politischen Gremien fachliche Entscheidungshilfen an die Hand zu geben. Im folgenden werden einige wichtige Ergebnisse und die daraus resultierenden Schlußfolgerungen kurz dargelegt.
Ein Strukturvergleich läßt den Schluß zu, daß unter Status-quo-Bedingungen bei dem Arbeitsplatzangebot von Industrie und Gewerbe im Kreisgebiet aufgrund der vorherrschend wenig wachstumsintensiven Bereiche mit Schrumpfungen zu rechnen ist. Die Industriestatistik scheint dies zu bestätigen. Bezogen auf den Jahresdurchschnitt ist allein bei den Industriebetrieben mit 10 und mehr Beschäftigten die Zahl der Arbeitsplätze von 1974 bis 1978 um knapp 13 % auf rd. 6800 zurückgegangen. Daß sich die Arbeitslosenzahlen dennoch in einem vergleichsweise engen Rahmen hielten, ist vor allem auf die zahlreichen Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst zurückzuführen, der sich wegen seiner geringen Konjunkturkrisenanfälligkeit als stabilisierender Beschäftigungsfaktor auswirkte. Von den im Jahre 1970 im Kreisgebiet beschäftigten rd. 26 000 Arbeitnehmer standen mehr als 25 % auf der Lohn- und Gehaltsliste öffentlicher Arbeitgeber.
Auch die Verflechtungen mit den benachbarten Gebieten spielten eine Rolle. Allein in Bonn fanden 1970 rd. 4500 Einwohner unseres Kreises Arbeit. Ein erheblicher Anteil dürfte dabei ebenfalls auf den in der Bundeshauptstadt naturgemäß stark ausgeprägten Sektor des öffentlichen Dienstes entfallen.
Zwar weisen die Prognosen beim öffentlichen Dienst wie im gesamten tertiären Sektor auch weiterhin auf ein Wachstum hin, jedoch nicht in einer solchen Größenordnung, um den im sekundären Sektor zu erwartenden Rückgang auszugleichen.
Auf der anderen Seite des Arbeitsmarktes kommt eine gegenläufige Entwicklung zum Tragen. Trotz ,,Pillenknick" und Bevölkerungsrückgang wird in den nächsten Jahren die Zahl der Erwerbstätigen bzw. Arbeitsuchenden erheblich ansteigen. Dies ist auf das Hineinwachsen der geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre in das erwerbsfähige Alter zurückzuführen.
Die für 1985 prognostizierte Arbeitsmarktbilanz weist unter diesem Gesichtspunkt ein Arbeitsplatzdefizit von über 18 000 aus.
Nun wird bei dieser Perspektive mancher erschrecken. Zur Panik besteht jedoch kein Grund. Zum einen ist davon auszugehen, daß in den wirtschaftsstärkeren Nachbarregionen noch mehr als in der Vergangenheit Berufspendler aus dem Kreisgebiet Arbeit finden werden, zum anderen darf man annehmen, daß die prognostizierte Entwicklung so nicht eintrifft.
Um das zu verdeutlichen, soll ganz kurz auf den Charakter der sogenannten Status-quo-Prognosen" eingegangen werden. Bei diesen Vorausschätzungen wird unterstellt, daß die gegenwärtig geltenden Rahmenbedingungen und Bestimmungsgründe auch für den Prognosezeitraum Gültigkeit besitzen. Bleiben wir bei unserem Beispiel des Arbeitsmarktes, so geht die Status-quo-Prognose davon aus, daß Wirtschaftsstruktur, Branchenzusammensetzung, Innovationsverhalten, Erwerbsquote und andere wirtschaftliche Daten usw. entweder gleich bleiben oder sich nach bereits erkennbaren Tendenzen entwickeln.
In der Realität kann davon jedoch kaum ausgegangen werden. Gerade im sozio-öko-nomischen Bereich ändern sich die Rahmenbedingungen laufend und oft unvorhergesehen. Der Einwand, daß deshalb diese Prognosen überflüssig seien, läßt sich damit jedoch nicht begründen. Schließlich weisen diese Vorausschätzungen darauf hin, in welche Richtung eine Entwicklung tendiert, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert und geben damit wertvolle Hinweise für notwendige Einflußnahme und politisches Handeln.
Die verstärkten Bemühungen des Kreises Ahrweiler im Bereich der Wirtschaftsförderung sind eine solche Konsequenz gegenüber der prognostizierten Entwicklung und stellen eine Veränderung der Rahmenbedingungen dar, mit dem Ziel, den notwendigen Einfluß auszuüben, um die prognostizierte Entwicklung zu verhindern.
Ansatzpunkt im Bereich der Wirtschaftsförderung ist die Verbesserung der gewerblichen Standortbedingungen. Das anzuwendende Instrumentarium muß dabei sowohl den allgemeinen Erkenntnissen regionaler Strukturförderung entsprechen, als auch die spezielle Situation im Kreis Ahrweiler berücksichtigen.
So geht es zunächst darum, ein konkurrenzfähiges Angebot an Gewerbegelände zu schaffen. Es hat sich gezeigt, daß hier im Kreisgebiet ein gewisser Engpaß besteht.
Diesem Bereich ist der erste Teil der Wirt-schaftsförderungsrichtlinien gewidmet. Um die gewerblichen Entwicklungsorte in die Lage zu versetzen, möglichst schnell ein entsprechendes Angebot an Gewerbegelände zu schaffen, können sie für diese Aufgabe zusätzlich zu den Landesmitteln erhebliche Kreismittel in Anspruch nehmen.
Im zweiten Teil der Richtlinien wird die Gewährung von Zinszuschüssen für private Investitionen geregelt, um für Unternehmen einen Anreiz zu bieten, Investitionen zu tätigen, um langfristig Arbeitsplätze im Kreis Ahrweiler zu schaffen oder zu erhalten.
Die Zinszuschüsse, die für Darlehen bis zu 2 Mio. DM gewährt werden können, haben eine Laufzeit von 6 Jahren bei baulichen Investitionen und von 3 Jahren bei Einrichtungsinvestitionen. Der Zuschuß beträgt in den ersten beiden Jahren 5 %, in den nachfolgenden beiden Jahren 4 % und im 5. und 6, Jahr 3 % des förderungsfähigen Darlehens.
Mit dieser kombinierten Erschließungs- und Investitionshilfe stellt der Kreis Ahrweiler ganz erhebliche Mittel für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung.
Neben den finanziellen Anreizen ist mit dem Amt für Wirtschaftsförderung noch ein weiteres Hilfsmittel geschaffen worden, das die Bildung und Erhaltung von Arbeitsplätzen im Kreis unterstützt.
Die Aufgabe dieses Amtes besteht neben der Abwicklung der finanziellen Förderung in der Ansiedlungswerbung, der Beratung von Gemeinden und Investoren. Gerade der letzte Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung.
So hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß die im Laufe der Zeit geradezu beängstigend angeschwollene Flut von gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen auf potentielle Investoren eine abschreckende Wirkung ausübt. Hier bietet sich dem Amt für Wirtschaftsförderung ein lohnendes Betätigungsfeld. In Zusammenarbeit mit den berufsständischen Organisationen wie Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer soll nicht nur der Paragraphen- und Vorschriftendschungel durchschaubar gemacht, sondern auch ein Service-Programm angeboten werden, das bis hin zum Genehmigungsverfahren Beratung und Hilfe umfaßt.