Von Kirche und Klause in Birgel blieb nichts mehr stehen
Hermann Bauer
Birgel, heute ein Stadtteil von Remagen, davor zur Bürgermeisterei Oberwinter gehörig und vor der französischen Zeit in der „Herrlichkeit Oberwinter" gelegen, war damals ein Teil der Herrschaft Landskrone und damit Jüliches Land.
Vom Birgeler Kopf, dem Hausberg des einstmals winzig kleinen Dorfes, hat der Wandersmann einen Weitblick bis ins Neuwieer mann einen Weitblick bis ins Neuwieder Becken das ganze Panorama des Siebengebirges, die Herrlichkeit des Rheinstromes mit seinen weißen und schwarzen Schiffen, spürt die beiden Fernstrecken zu beiden Seiten des Rheins und das fließende Leben auf den Autostraßen diesseits und jenseits des Rheins. Hier oben aber herrscht Geborgenheit in den neu erstandenen gepflegten Häusern, Entspannung der Gestreßten, und eine wohltuende Ruhe nach harter Lebensarbeit mit gedämpfter Teilnahme an dem immer stärker werdenden Verkehr. Doch mit der Entwicklung des Dorfes zu einem bevorzugten Wohngebiet sind die Erinnerungsmerkmale einer bewegten Vergangenheit ganz verschwunden.
Vor einigen Jahren konnte man noch das Grundgemäuer der ehemaligen Pfarrkirche von Birgel sehen, standen noch die Grabsteine mit den Namen derer, die einst hier auf dem Kirchhof zur letzten Ruhe gebettet wurden, stand noch ein eisernes Kreuz an jener Stelle, wo der Altar der alten Kirche war, heute erinnert nur noch eine kleine Fichtenanpflanzung an den Ort, den edle, weitblickende Menschen zu einer Gedenkstätte für die Gefallenen der beiden Weltkriege ausgestalten wollten. Doch auch dieser Plan, zu leise und schüchtern vorgetragen, mußte der kühlen Berechnung der Planer weichen. Vorbei sind die nächtlichen Bußgänge der Männer und Jungmänner der Pfarrei Oberwinter, und ein Gottesdienst in Birgel am Patronatsfest der Kreuzkirche in Birgel, die erste Messe nach 250 Jahren, konnte nicht mehr an der Stelle der alten Kirche gefeiert werden.
Erfreulich ist, daß gerade viele Neubürger nach der Wurzel ihrer neuen Heimat suchen, die teilweise noch in der Tradition alter Menschen schlummert. Doch wie Kirche und Klause ausgesehen haben, ist nicht mehr im Bewußtsein der Gegenwart.
„Clemen, Kunstdenkmäler der Rheinprovinz", hat nur wenige Angaben und die Landesstelle für Denkmalpflege und Heimatschutz in Mainz bewahrt den maßgerechten Grundriß auf. Als ich in Mainz auf diesem Amt vorsprach, war das Erstaunen des Sachbearbeiters groß, daß auch von dem Grundgemäuer „kein Stein mehr auf dem anderen stehe". (Wir haben beide das Gleiche gedacht!) So will ich versuchen, aus dem wenigen Greifbaren ein Bild von der Kirche zu geben, und aus alten Urkunden das Leben in Kirche und Gemeinde zu schildern.
Ein mir bekannter Ingenieur las aus der Grundrißzeichnung folgendes heraus: Die Kirche sei klein und ohne besonderen künstlerischen Ausdruck gewesen, sie war aus lerischen Ausdruck gewesen, sie war aus dicken Basaltsteinen erbaut und hatte zwei ungleich große Schiffe. Da sie nach Clemen ähnlich der alten Oberwinterer Kirche ausgesehen habe, und wir einige Stiche dieser alten Kirche besitzen, u. a. auch den von Wenzes aus Hollar (Vgl. Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1974 S. 62), so könnte ein wirklichkeitsnahes Bild der Birgeler Kirche entstehen: Auf einem einzigen viereckigen Pfeiler tragen zwei Rundbögen in - gerader Richtung das Gewölbe —, so erkennbar in Oberwinter. Jedenfalls maß das Schiff in der Längsachse ca. 11 m, war am westlichen Ende ca. 12 m breit und verjüngte sich nach Osten zum Chor auf ca. 11,5 m. An das Kirchenschiff nach Osten anschließend setzte sich der Grundriß stark verengt und einseitig versetzt um ca. 9 m fort.
Birgel und Nachbarorte Anfang des 19. Jahrhunderts Ausschnitt aus der Tranchot-Karte Repro: Kreisbildstelle
Ob dieses Reste einer älteren Kirche waren, die später in den Kirchenbau mit einbezogen wurden, ob es die Stelle der alten Klause von Birgel ist, die urkundlich nahe bei der Kirche stand, ob es beides war, weil der Landesherr gerade hier eine Klause gründete, alles Vermutungen, die viel für sich haben, nur die letzte Beweiskraft nicht. Den Turm vermute ich ähnlich wie bei der alten Oberwinterer Kirche als Dachreiter am Ausgang zur Westseite. Meine Vermutung stützt sich auf eine kirchliche Anordnung, daß für das Chor der Pfarrer, für Turm und Kirchenschiff die Bürger zu sorgen hätten. So waren die Aufgabenbereiche streng und auch räumlich voneinander geschieden und es gab keine Überschneidungen der Kompetenzen. Schug meint, daß die Kirche zwischen 1730 und 1740 eingestürzt sei.
Doch mehr als die kläglichen Funde sagt die Geschichte der Pfarrei über das religiöse Leben aus. 1316 wird die Kirche im „über valoris", dem „Verzeichnis der Erzdiözese über den Standort der Kirchen" erstmalig erwähnt. Seit 1335 hat BJrgel einen eigenen Pfarrer.
Wie Remagen und Sinzig waren auch Oberwinter, Birgel und Bandorf Reichsbesitz, sie gehörten nur kirchlich, nie aber politisch zum Kurfürstentum Köln. (Die irrtümliche Ansicht erklärt sich daraus, daß der Kurfürst von Köln Ländereien und Güter in Oberwinter und Birgel aus dem Besitz der Kirche dem Herrn v. Landskrone zu seiner Hochzeit schenkte). Wohl haben sich schon früh aus bis jetzt noch nicht erklärbaren Gründen die Orte Oberwinter, Birgen, Bandorf und das untergegangene Einsfeld zu einer politischen Einheit zusammengetan. In dieser „Herrlichkeit Oberwinter" übte als königlicher Beamter der Pfalzgraf bei Rhein die Gerichtsbarkeit aus.
Das Reich übertrug später das Wintere Ländchen zur Stärkung der Macht es staufertreuen Herrn von Landskrone 1318 an ihn. Damit war auch Birgel aus dem Fiskus entlassen.
Die Besitzer der Landskrone waren auch die Herren der Kirchen und, was noch gefährlicher war, die Herren über Glauben und Gewissen der Bürger.« Noch war alles fest und gesichert. Das Einkommen der Pfarrer von Birgel betrug: 11/2 Morgen Weingarten, ein Morgen Land, ein Fuder Zehntwein, 16 Malter Roggen und Gerste und 2 Ohm Wein vom Zehnten der Oberwinterer Kirche, wenn diese verwaist war und von Birgel aus verwaltet wurde. Diese Dotation des Pfarrers erhielt durch das Testament des Gerhard v. d. Landskrone mit Zustimmung der Ehefrau Beatrix von Hammerstein eine Aufbesserung. Unter den 15 Priestern der Herrschaft Landskrone befanden sich auch die Pfarrer von Birgel und Oberwinter. Von diesen bekam jeder aus dem Testament 1 Mark. Von den Zinsen erhielt der Pfarrer am Jahrestag des Todes einen Schilling für verrichtete Gebete.
Noch erreichten die Wellen der religiösen Erneuerungsbewegungen nicht das Rheinland. 1528 hatte die Veste Landskrone zwei Herren: Johann Quadt, Herr zu Tomburg und Landskrone (daher auch das Tomburger Wappen im Ortswappen von Oberwinter) und Dietrich Graf zu Manderscheid und Blankenheim. Beide Herren präsentierten dem Probst des Cassiusstiftes als neuen Pfarrer Wilhelm Boder.
Nachdem die Jülicher in der direkten Linie ausgestorben waren, hatten die Landskroner einen neuen Lehensherrn und die Birgeier einen neuen Herrscher: Friedrich III. von der Pfalz. Dieser war zur reformierten Kirche übergetreten. Das war die Stunde der Sophia Pallandt, der Gattin des Lutter Quadt v. d. Landskrone. Sie war eine überzeugte Protestantin und überredete ihren Mann als Landesherrn der Herrschaft Oberwinter, in der Herrlichkeit die Reformation durchzuführen. Daher wurde der katholische Pfarrer von Birgel vertrieben und 1559 durch einen Prediger „von der Religion" ersetzt. Am 2. Juli 1565 bittet Lutter Quadt v. d. Landskrone seinen Mitregenten, den Grafen Dietrich von Manderscheid, in der Herrschaft Oberwinter einen Prädikanten der Augsburger Konfession anstellen dürfen, damit den Untertanen das Gotteswort rein und unverfälscht verkündet werde. Er selbst aber wolle darob bei dem Propst des Cassiusstiftes nicht, vorsprechen. Da übernahm der Graf Dietrich die Verhand-
lung, und der Propst Dr. Cropper hat die Genehmigung für den Prediger Jakob Postel erteilt, „mit dessen Lehre", so Manderscheid, „die Untertanen zufrieden seien."
Da stirbt der Graf, und der manderscheidsche Anteil des Landskroner Besitzes, Wintere und Birgel, fällt 1597 an den Herzog von Jülich zurück, der katholisch war. Da zog Vogt Engelbrecht von Orsbeck mit seinen Schützen von Sinzig gen Birgel, erbrach die Kirche, und unter dem Läuten der Glocken nahm ein katholischer Priester wieder von der Kirche Besitz. Doch der reformierte Prediger hatte die Herzen der Birgeler gewonnen, und es spricht sehr für die Birgeler, daß sie ihre Gesinnung nicht fortwährend nach dem Winde drehten.
Nun hatte Birgel einen katholischen Pfarrer aber kein katholisches Volk. Da verfügte der neue Landesherr Wilhelm von der Pfalz-Neuburg, der inzwischen zur reformierten Kirche übergetreten war, daß die Kirchen, die jetzt in katholischer Hand seien, für beide christliche Bekenntnisse offen sein sollten. Die katholische Gemeinde in Birgel aber war so klein, daß sie ihren Pfarrer nicht mehr unterhalten konnte. Jetzt wandte sich der Pfarrer Marx, der Birgel und Oberwinter verwaltete, an das erzbischöflische Ordinariat in Köln und bat, ihm auch die Pfarrei Kirchdaun übertragen zu wollen, da die Anzahl der Katholiken in Birgel zu gering sei. Durch einen peinlichen Familienzwist kam Bewegung in unser Land.
Der Graf Wolfgang Wilhelm erhielt von seinem angehenden Schwiegervater, dem Kurfürsten Johann Sigismund, wegen seines unbotmäßigen Benehmens eine schallende Ohrfeige, wodurch seine Rückkehr zum katholischen Glauben eingeleitet wurde. Der Graf verzichtete sofort auf den kurfürstlichen Schwiegervater und die Hohenzollernprinzessin und fand in Magdalena, der Tochter des Herzogs von Bayern und Nichte des Erzbischofs von Köln, Ernst von Wittelsbach, seine zukünftige Frau. Im Jahre 1614 kehrte der Graf zur katholischen Kirche zurück; die Mitbenutzung von katholischen Gotteshäusern wurde den Protestanten wieder untersagt. Doch ganz ohne Widerspruch nahmen die Reformierten diese Anordnung nicht hin, und sie gingen in den Untergrund.
In dieser Zeit erhielt die katholische Kirche von Birgel in dem Pfarrer Johann Werner Schallenberg einen streitbaren Seelenhirten. Bis auf derr heutigen Tag schwankt sein Charakterbild in der Geschichte. Schallenberg erreichte, daß von 1641 ab jede öffentliche Ausübung der Religion untersagt wurde. Beim Kirchenvolk wirkte sich die Politik d&r „Gro-Kirchenvolk wirkte sich die Politik der „Großen" so aus, daß schließlich keiner mehr wußte, ob er bei „der wahren Kirche" oder bei der „unverfälschten Verkündigung des Glaubens" stand. Wegen dieser wirren Lage verfiel auch der Tempel Gottes. Wiederholt wurden in Birgel Pfarrer und Gemeinde aufgefordert, Kirche und Pfarrhaus instandzusetzen. Doch der letzte Pfarrer Rinkelrath von Birgel wurde zum Mietling, verließ die Pfarrei, vertrieb den Pfarrer Wiedmeier von Oberwinter und starb 1701. Das Kreuz an dem Oberwinterer Rathaus ist zwar gut gemeint, täuscht aber nicht über die Motive hinweg. Am 31. Oktober des gleichen Jahres bekam Oberwinter in Pfarrer Blankenheim eien neuen Seelsorger, dem 1704 auch die Pfarrei irgel übertragen wurde; denn noch ist Birgel eine selbständige Pfarrei. Da schaltet sich das erzbischöfliche Ordinariat in Köln ein und befiehlt unter Ankündigung der Strafe der Exkommunikation, mit dem Wiederaufbau der Kirche zu beginnen. Der nachfolgende Pfarrverwalter von Birgel, Pfarrer Bartholo-mäus Vogels bittet, die Exkommunikation auszusprechen, da die Gemeinde auf die Strafandrohung nicht reagiert, doch vergebens. Seit dieser Zeit liegt der schwarze Schleier des Vergessens über der Kirche, die einst auf den verpflichtenden Namen der Kreuzerhöhung geweiht war und lange fälschlich Hele-nenkirche hieß.
Noch dichter aber ist der Schleier über die verschwundene Klause. Bei ihr ahnen wir nicht einmal, wo sie gewesen ist. Hier ist der Prozeß des Vergessens schon abgeschlossen, der bei der Kirche jetzt in sein letztes Stadium getreten ist.
Um 1500 hat der Herr von der Landskrone die Klause gegründet. In ihr lebte als eine der ersten Nonnen Katharina, die illegale Tochter des Landskroners Friedrich von Tomburg.
Doch sie war für das Klosterleben nicht geschaffen, denn in der Birgeler Klause lebten die Klosterfrauen nach der strengen Regel der Cisterzienser. Lieber bewirtschaftete sie in ödingen ihren Hof. 1614 wurde die Klausur in Mehlen aufgehoben, und alle Insassen mit allen Renten nach Birgel versetzt. Die Aufsicht über das erweiterte Kloster wurde dem Frauenkloster Syon bei St. Severin in Köln übertragen. Bereits 1522 hatte die Klause so viele Ländereien, daß Syon einen großen Teil davon in Pacht gab.
Das klösterliche Leben der Cisterzienserinnen überwachte die Abtei Heisterbach. Sie führte mit 18 weiteren Klausen in Sichtweite des Siebengebirges auch in Birgel das Visitationsrecht durch. Das Gelübde der Cisterzienser als der strengeren Observanz des Benediktinerordens beinhaltet neben den üblichen Ordensgelübden auch die Beständigkeit im Kloster des Eintritts. Um so befremdeter wirkt die Übersiedlung einer Nonne von Bonn nach Birgel.
Nach einer Akte des Klosters Heisterbach berichtete die Mutter der Klause St. Gertrud bei Bonn, daß sie der Schwester Fychen Hillesheim, welche auf Befehl des Abtes v. d. Leyen in die Klause Birgel versetzt worden ist, die Erbrente im jährlichen Betrag von 8 Radermark, die jene der Klause St. Gertrud eingebracht hat, jährlich, Martini nach Birgel folgen lassen wolle. Nach dem Tode verpflichten sich die Schwestern der Bonner Klause, den gebührenden Anteil nach Birgel weiterzuzahlen. Desgleichen verpflichten sie sich, der versetzten Schwester Fychen jährlich Martini „seven den flessen smaldoich" (sieben Ellen Leinen) von den Gärten am Zollhaus zu liefern, desgleichen auch 8 albus an den St. Barbaraaltar im Bonner Münster zu zahlen.
Wieviele Insassen die Klause Birgel hatte, läßt sich bis jetzt noch nicht feststellen. Inzwischen ist sie ein Priorat geworden, und eine energische Frau verteidigte das Kloster, dem durch Brand und Hagelschlag, durch die Niedertracht der Menschen und die Übergriffe mächtiger Herren schwerer Schaden zugefügt worden war. Die Priorin Maria von Reiffer-scheid, selbst einem Eifeler Adelsgeschlecht entsprossen, beschwert sich heftig bei dem Junker v. Landskrone über den Pächter des Klosterhofs Custgeis von Bachendorf (Bandorf). Ob das Unglück, das Birgel getroffen, auch den Pächter außerstandgesetzt hatte, seine Pachten dem Kloster zu zahlen, oder ob er sich von seinen Verpflichtungen drücken wollte? Auf jeden Fall fehlte den Schwestern das Nötige zum Unterhalt. Der Freiherr Quadt v. d. Landskrone und Rheindorf war dem reformierten Bekenntnis zugetan und so kamen zu den leiblichen Nöten auch noch die seelischen. Den Konventsschwestern wurde verboten, Gottesdienst zu halten, Sakramente zu empfangen und spenden zu lassen. In dieser Not wandte sich der Pfarrer von Oberwinter fürbittend für die Schwestern von Birgel an die Frau von der Landskrone. Ob der reformierte Pfarrer bei der begeisterten Protestantin Gehör fand, ist nicht festzustellen.
Die Schwestern selbst suchten Zuflucht bei dem Abt von Heisterbach. Dieser ließ durch einen Konventsmönch seines Klosters die Nonnen betreuen. Das Kloster Heisterbach versorgte die Klause in Birgel jahrelang mit Getreide und Brot, und der Einfluß von Heisterbach scheint so groß gewesen zu sein, daß die Klause nicht geschlossen wurde. Zwar blieben sie nicht von Belästigungen frei, doch sie haben durchgehalten. Ob während der evangelischen Zeit im Kloster katholischer Gottesdienst durch den Mönch gehalten wurde, ist nirgends vermerkt. Am 20. Januar 1571 überreicht die Priorin von Birgel Sophia in ihrem und des gesamten Convents Namen dem Abt von Heisterbach als Dank für die freundliche Hilfe in der Zeit der Not eine Schenkung als Entschädigung für die aufgewendeten Hilfsmittel, kleine Besitzungen, Pachte und Zinsen in Königswinter.
„Wir, Sophia Zons, Sophia Hillesheim von Andernach als. Kellnerin und Guitgen Theus (Thimoteus) von Konigshofen und wir Con-ventsschwestern der Klause Birgel tun kund und bekennen vor denen, die unseren versiegelten Brief sehen und erhalten, daß in den verflossenen Jahren, was wir ernstlich jetzt erst melden, unsere Klause großes Elend unwiederbringliche Unfälle und Beschädigungen durch Feuer und Brand am Gebäude und unlängst danach durch Unwetter und ganz schädlichen Hagelschlag an allen Gewächsen, Früchten und Weingärten, erlitten hat. Auch sind in letzter Zeit leider in diesen Ort allerlei Sekten, Irrtum »und Neuerung (nicht zu geringen Beschwernissen unseres Gewissens) eingedrungen und in der Religion
eingerissen, sie nehmen täglich mehr zu. und sie werden derart gefördert, daß wir uns ohne den tröstlichen Beistand guter Freunde ganz schwerlich allhier behelfen können. Auch wurde uns durch den Landesherrn verboten. nach der alten Satzung und Ordnung der katholischen Kirche und unserer eigenen Berufung den Gottesdienst zu halten und die heiligen Sakramente zu empfangen. So haben wir nicht nur an zeitlichen Gütern sondern auch an geistlichem Zuspruch Mangel gelitten und sind in unserem Gewissen allzusehr bedrängt worden. Aus solchen notdringlichen und erheblichen Ursachen haben wir bei unseren verordneten Visitatoren, dem Abt und dem Convent von Heisterbach, Zuflucht genommen und haben Trost, Hilfe und gebührlichen Beistand in geistlichen und weltlichen Dingen gesucht und gefunden. Darauf haben Seine Ehrwürden und der ganze Convent uns arme verlassene Kinder auf- und angenommen und uns nicht allein die heiligen Sakramente vermöge unseres angenommenen Ordens gespendet, sondern auch daneben eine geraume Zeit an zeitlicher und täglicher Notdurft wie Korn, Geld und das zum Leben Notwendigste zugewendet. Hätten wir von Abt und Convent eine solche Beisteuer und den nötigen Beistand nicht erhalten, wären wir (derweil die Klause an Gütern und Einkünften gar geringschätzig versehen ist) in große Not geraten und hätten uns nicht erhalten können, denn es wäre nicht in unserer Macht gewesen, dem Abt und dem Convent wegen des vorgestreckten Korn, Geldes und des übrigen Unterhalts, sollte man alle Zuwendungen zusammenrechnen, was eine nicht geringe. Summe ergäbe, der Gebühr nach zu entrichten.
Damit aber wir, Priorin und sämtliche Conventsschwestern und die nach uns kommen, von künftigen Forderungen gänzlich enthoben und erledigt bleiben möchten und dem Abt und Convent auch gebührlich Erstattung möchte geschehen, haben wir auf wohlbedachten Rat uns entschlossen, in einer unwiderruflichen, erblichen und immerwährenden (mit)Gift, zu Latein genannt: Donatio inter vivos, dem Abt und Convent Heisterbach erblich und ewiglich zu übergeben etliche geringe Platzger und Weinpachten zu Königswinter gelegen, wie sie hernach in specie geschrieben folgen: als nämlich erstlich ein Pint Weingarten zu beiden Seiten Endtgen Wirtz gelegen und ein Viertel Weingarten am Kreuz gelegen zwischen Johann Hertz und Kirsten Wirdtz...
(Hier folgen die einzelnen Parzellen an Weingarten, Wäldern und die Namen der Pächter und die Höhe ihrer Pachten).
Damit diese Gabe desto beständiger und gewisser sei und weiter bleiben soll, geben wir aufgestellte Gaben des Klosters, abgeschritten durch den üblichen Schritt (obgemeldet anstund unverwande foesz) dieselben Güter zu Händen der neuen Besitzer des Eigentums. Wir aber, dadurch zu Fremdlingen gemacht, tun dies auch kraft dieses versiegelten Briefes. Uns obwohl wir Priorin, Conventjungfern und Schwestern wie gesagt von wegen erzeigter Wohltaten und Unterhaltung, so uns, wie bereits erwähnt, geschehen sind, sind wir dem Gotteshaus Heisterbach schuldig, viel Größeres und mehr zu tun, daß wir, also mit guter Wissenschaft hiermit ausdrücklich bekennen müssen, so haben doch genannter Herr Abt und Convent Heisterbach in Ansehen unsres Elends und Bedürftigkeit, diese unsere getane Gabe, wie einzeln aufgeführt, mit allem schwierigen Dank angenommen."
Es folgen noch einige Sicherungsklauseln, weil die Schenkungen an Birgel — in bestimmter Meinung getan — nicht übertragen werden durften. Dem Schenkungsakt ist das Siegel beigefügt, das in der Mitte das Bild eines hl. Abtes trägt. Daß es nicht ein Bischof ist, geht daraus hervor, daß die Krümmung des Hirtenstabes nach Innengerichtet ist, weil sich im Gegensatz zum Bischof die Jurisdiktion lediglich auf den Convent bezieht. Der Heilige aber könnte Bernhard von Clairveaux sein, der berühmteste des Cisterzienserordens, der Gründer von Kloster Heisterbach.
Umschrift Siegel Clause Birgelen
Danach trat das absolute Schweigen im Kloster ein.
Quellen: