Paul Mania — ein schlesischer Komponist im Rheinland
Gedenkblatt an den Komponisten des Brohltalliedes
Friedhelm Schnitker
Der Name Paul Mania begegnete mir zum ersten Mal als Komponist unter dem Text des Brohltalliedes „Dich grüß ich und preis ich, du herrliches Land", dessen Textdichter der unvergessene Brohler Lehrer, Geologe und Heimatdichter Johann Jacob ist.
Wer war Paul Mania? Einen ersten Hinweis gab mir eine große alte Dame der Oper, Frau Henny Süß, die unter ihrem Mädchennamen Henny Schumacher zwischen 1910 und 1920 im Kölner Raum als Opern- und Konzertsängerin Triumphe feierte. Sie, die mit Paul Mania als Liedbegleiter häufig zusammen auftrat, erzählte mir, daß Mania vor allem als Lieder-Komponist ruhmvoll hervorgetreten sei. Dabei summte sie Jörg Ritzels Verse „Ich kam von Fern gezogen zum Rhein, zum Rhein, beim Wirt zum Rolandsbogen da kehrt ich ein". Sie stellte mir Paul Mania aus der Erinnerung vor: „Er war klein, hatte einen Lockenkopf, aber nicht ganz so wild wie Beethoven."
So stieg ich zum Rolandsbogen hinauf und dort oben im Schankzimmer des weltberühmten Ausflugslokals erkannte ich auf einer Fotografie den Lockenkopf Paul Manias. Doch hoffte ich vergebens auf weiterführende Lebensdaten. Mit liebenswertem Bedauern zeigte mir der Wirt seine Gästebücher. In ihnen führten mich zwei Eintragungen näher zu Paul Mania hin. Die Kölner Konzertsängerin Clara Liertz erinnerte sich an einen Liederabend mit dem Rolandsbogenlied unter Paul Mania und der bekannte Kölner Schriftsteller, Lyriker und Komponist Kurt Janssen erinnerte in seinem Eintragen eine ihm von Mania gewidmete Paraphrase des Rolandsbogenliedes.
Erst in einem Gespräch mit Kurt Janssen, dem bedeutenden Künstler und großen Menschen voller Weisheit und Güte, einem Schüler Paul Manias und Freund Robert Stolz', erwuchsen, zunächst kräftigen Pinselstrichen vergleichbar die gründenden Lebenslinien, dann in liebevoller Ausmalung das volle Lebensporträt Paul Manias.
Paul Mania wurde 1883 als Kind einer Bauernfamilie in Tschepolowicz, Kreis Brieg geboren. Den Sohn, der schon als achtjähriger Junge meisterhaft die Orgel der heimatlichen Dorfkirche spielt, gibt der Vater, der musikalischen Neigung seines Sohnes ablehnend gegenüberstehend, in eine kaufmännische Lehre nach Breslau. Dort nimmt Paul Mania neben seiner Lehre heimlich Musikunterricht am Konservatorium. Als der Vater dies erfährt, schickt er Paul in den Westen. So kommt der Junge an den Rhein und findet zunächst Anstellung in einem Bonner Lebensmittelgeschäft. Doch schon bald verläßt Mania Bonn und tritt bei dem Kölner Musikhaus Ibach, dessen Leiter Manias musikalisches Talent erkannt hatte, ein. Hier bot sich dem Künstler die Gelegenheit, seine glänzenden musikalischen Anlagen auszubauen und zu fördern. In kürzester Zeit wurde eine breite Öffentlichkeit in Köln, dem Rheinland und darüber hinaus auf den jungen Künstler aufmerksam.
Der Höhepunkt des musikalischen Schaffens Paul Manias lag in den Jahren 1910 bis 1920.
Besonders seine volkstümlichen Kompositionen rheinischer Dichtung und Liedtexte machten ihn weithin bekannt. So erklang 1914 zum ersten Mal Manias weltberühmte Liedkomposition ,lm Rolandsbogen', zu dem Jörg Ritzel den Text gab. Unter seinen weiteren Kompositionen ragen hervor ,Zu Rüdesheim in der Drosselgass' und die Vertonung des Gedichtes .Rheintreue' von Josef Schlegel als Chor.
In diese Epoche blühender Liedkomposition muß auch die Vertonung des Brohltalliedes von Johann Jacobs fallen. Auf welche Weise Mania den Text erhielt, ob aus der Hand des Dichters oder aus Freundeskreisen, bleibt im Dunkel. Doch zeugt es von der volkstümlichen Kompositionskunst Manias, daß sich die dichterische Textvorlage von Johann Jacobs als beinahe Volkslied heute noch im Munde der Bewohner des Brohltales so großer Beliebtheit erfreut.
Doch ist Paul Mania nicht nur als Schöpfer vieler Rhein- und Weinlieder hervorgetreten, sondern auch als Autor ansprechender Chöre.
Auf allen musikalischen Gebieten betätigte sich Mania als Künstler mit großem Geschick und Erfolg: als Pianist, als bekannter Liedbegleiter, als Komponist und als Dirigent namhafter Chöre (u. a. Kölner Männerchor, Solin-ger Männergesahgverein, Kölner Mania Frauenchor, besonders Kölner Männergesangverein). Sein Schüler Kurt Janssen schildert ihn als Meister in der Kunst der Liedbegleitung. Im Gürzenich begleitete Mania oft berühmte Sänger bei schwierigen Liedern. Ganz besonders kultivierte er das Spiel auf dem von ihm geliebten Harmonium.
Im 1. Weltkrieg wurde Paul Mania wegen seines Gesundheitszustandes vom Wehrdienst zurückgestellt. Er veranstaltete während dieser Zeit über 400 Konzerte für wohltätige Zwecke. Im Jahre 1924 wurde Mania vom Westdeutschen Rundfunk als Chordirektor, Solistenbegleiter, Komponist und stellvertretender Kapellmeister verpflichtet. Im Jahre 1927 folgte Mania mit dem Ruhme eines Meisters auf dem Harmonium einem Ruf des Lindström-Konzerns nach Berlin und später nach Wien und fand eine glänzende Anstellung in der noch jungen Schallplattenindustrie.
Den Kölner Freundeskreis mit Kurt Janssen erreicht 1934 die Nachricht von einer schweren Erkrankung Paul Manias, an der der Künstler am 11. August 1935 im Alter von 52 Jahren in seiner schlesischen Heimat in Obernigk starb.
Was von dem bedeutenden künstlerischen Schaffen Paul Manias für uns geblieben ist, sind seine Rheinlieder, unter ihnen ,Zu Rüdesheim in der Drosselgass', das Brohltallied' und vor allem ,lm Rolandsbogen', jene zum Volkslied gewordene Mania-Komposition, die auch große Liederinterpreten unserer Zeit wie Hermann Prey gerne singen.
Dann seine Chorkompositionen. 1975 veranstaltete der Mühlheimer Männergesangverein, dessen Dirigent Mania einst war, zur Erinnerung an den 40. Todestag des Künstlers eine Festveranstaltung, in deren Verlauf 8 Chöre zu seinem Andenken vorgetragen wurden.
Dann seine .Heiteren Lieder', Kompositionen zu Texten von Löns, Wilhelm Busch, Steguweit, Ludwig Fulda, Otto Julius Bierbaum sowie seine immer wieder aufklingenden , Kinderlieder'.
Seinem Schüler Kurt Janssen verdanke ich den Hinweis, daß Paul Mania auch den .Marsch der Kölner Prinzengarde' nach dem Text von Barthel Schmilz komponierte, der heute noch im Kölner Karneval offiziell als Prinzen-Gardemarsch gespielt wird.
Bemerkenswert scheint mir, daß Paul Mania als gebürtiger Schlesier die besondere Eigenart in seinem künstlerischen Schaffen zeigte, rheinische Lebensart und rheinisches Lebensgefühl musikalisch festzuhalten. In diesen seinen rheinisch - volkstümlichen Kompositionen wird Paul Mania uns vor allem unvergeßlich weiterleben.
Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich dem bekannten Kölner Komponisten, Lyriker und Liederbegleiter berühmter Sänger und Sängerinnen, Kurt Janssen. Unter seinen Werken fand ich ein im Oktober 1961 in Niederbreisig geschaffenes „Kleines Herbstlied am Rhein". Besonders beeindruckte mich wie viele seiner Freunde das 1965 entstandene „Der Zeiger rückt voran":
Der Zeiger rückt voran,
und keiner hält in an,
keine König und kein kleiner Mann,
der Zeiger rückt voran, —
die Sonn' läuft ihre Bahn,
und keiner hält sie an,
sie scheint für alle gleich,
ob arm wir sind, ob reich, —
nun unser Werk getan,
komm zünd' die Lichter an,
glücklich, wer danken kann,
der Zeiger rückt voran, —
noch schenkt Gott Brot und Wein,
drum laßt uns fröhlich sein
bevor die Nacht anbricht, —
der Zeiger rückt voran! -'