165 Jahre Aloisiusjugend Ahrweiler

Josef Müller

Es ist alljährlich im alten Städtchen Ahrweiler immer dasselbe Bild: sobald die „Bürger" und die „Junggesellen" zum Schützenfest aufziehen, ist alt und jung auf den Beinen: Dann läßt sich kein echter Ahrweiler Bürger mehr zu Hause halten, manche sonst kranke Menschen sind um Dreifaltigkeitssonntag und Fronleichnam herum wieder einigermaßen auf dem Posten. Gar viele Ahrweiler Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, kommen an diesen Tagen von auswärts nach hier auf Urlaub, um die Schützenfestwoche mitzufeiern und zu erleben. Allen ist eines gemeinsam: das heimatliche Schützenfest schließt alle Ahrweiler Bürger in nah und fern fest zusammen zu einer Bürgergemeinschaft. Es zeigt sich allen alljährlich als ein wahres Heimat- und Familienfest und nicht als ein Schießsportfest, wie die Schützenfeste vielerorts in den rheinischen Landen gefeiert werden. Und das ist gut so! Gerade die besondere Eigenart des Ahrweiler Schützenfestes, die im Ablauf der Festtage, im gesamten Zeremoniell, in den farbenfrohen Uniformen, in der religiösen Verankerung und in der geschlossenen und begeisterten Teilnahme der Bevölkerung sich zeigt und die auf einer mehr als 575jährigen Tradition beruht, macht den Bürgern dieser Stadt dieses Fest so wertvoll und liebenswert.

Ältestes Königsschild von 1813

Beim Vogelschießen anläßlich des Schützenfestes geht es in Ahrweiler nicht so sehr darum; wer nun dieses oder jenes Teil des Vogels abschießt und dafür einen Preis oder gar einen Orden erhält. Gewiß kann jeder Schütze hier froh und stolz sein, wenn er ein Teil des Vogels abgeschossen hat. Aber im Mittelpunkt des Interesses am Dreifaltigkeitssonntag steht doch immer die Fragen Wer wird König der St. Sebastianus-Bürgerschützengesellschaft oder der Junggesellen-Schützengesellschaft? Die gesamte Bevölkerung dieser Stadt ist dann immer sehr froh, wenn sie in dem neuen König eine Persönlichkeit kennt, die in sich wahren Schützengeist verkörpert. Der den Vogel abschoß, ist der König! Ihm erweisen die Gesellschaft und die Bürgerschaft die Ehre!

Die Ahrweiler Bürger können stolz auf ihr Schützenfest sein, denn es trägt echte Tradition in sich, die über die Stürme der Jahrhunderte hinweg bis zum heutigen Tage lebendig erhalten blieb. Das gilt auch für das Aloisiusfest, das man nach den vorhandenen Insignien wenigstens schon seit dem Jahre 1813 feiert und somit im Jahre 1978 auf ein 165jähriges Bestehen zurückblicken kann. Es ist aber anzunehmen, daß die Ahrweiler Jugend das Fest schon früher gefeiert hat. So sollen die Jesuiten im Hofe des jetzigen Hotels „Drei Kronen" in der Niederhutstraße in ihrem Klosterhof die Jugend religiös betreut und mit ihr in Nachahmung des.Schützenfestes der Großen ein Jungen-Schützenfest veranstaltet haben. Sie machten auch ihren jüngsten Heiligen, den Heiligen Aloisius, zum Schutzpatron der Ahrweiler Jugend, wie der hl. Sebastianus der Patron der Bürgerschützen und der hl. Laurentius der Patron der Junggesellenschützen ist.

Das älteste Königsschild stammt also aus dem Jahre 1813, das älteste Zepter aus dem Jahre 1816. Das Schild trägt die Inschrift „Tilmanus Josephus Veiten, Arapolitanus qui 21 Juni 1813 avem sagitta dejecit". Das heißt: „Tilman Josef Veiten aus Ahrweiler, der am 21. Juni 1813 den Vogel mit der Armbrust herunterschoß". Auf dem Königszepter steht zu lesen „Heinrich Thelen schoß den Vogel von der Stang — 1816 — und war ein König ohne Rang".

Szepterinschrift von 1816
Fotos: Kreisbildstelle

Sorgsam pflegte die Lehrerschaft der Ahrweiler Volksschule stets das Brauchtum am Aloisiustage. Als die Photographie aufkam, wurde von jedem Aloisiusjungen-Jahrgang eine Aufnahme gemacht. Diese teils schon fast 100 Jahre alten Bilder hängen in der Aloisiusschule in der Altenbaustraße aus. Die Namen der einzelnen Teilnehmer der Jahrgänge sind von "dem früheren Chronisten der Aloisiusjugend, Oberlehrer i. R. Gustav Nischalke, mit viel Liebe und Fleiß gesammelt und schriftlich in der Aloisius-Chronik festgehalten worden.

Es war nicht immer leicht, das Aloisiusfest durchzuführen. Besonders in der Zejt der französischen Besatzung nach dem ersten Weltkrieg mußte die Genehmigung bei der Besatzungsbehörde eingeholt werden. Auch nach dem zweiten Weltkrieg mußte nachgewiesen werden, daß das Aloisiusfest nichts mit einem militärischen Fest zu tun hat. und hatte und lediglich ein im Religiösen verankertes Fest der Schuljugend war, das sich in seinem Schützenbrauchtum an die Feste der beiden großen Schützengesellschaften anlehnte.

1961, zwei Jahre vor dem 150jährigen Jubelfest der Aloisiusjungen, fertigte der damalige Künstler Hanns Matschulla eine.Aloisiusstatue aus Holz an, die am Festtage immer in der ehrwürdigen St. Laurentius-Pfarrkirche aufgestellt wird. 1963 feierte dann die Aloisiusschule das 150jährige Jubiläum. Eine Festschrift wurde herausgegeben, im Kolpingssaale fand eine große Festveranstaltung statt, auf der der frühere Leiter der Aloisiusschule, Rektor i. R. Jakob Rausch, der stets mit heißem Herzen und jugendlicher Begeisterung für das Aloisiusfest eingetreten war, die Festansprache hielt. Die Aloisiusjugend erhielt eine neue Fahne, die der Malermeister Franz Ulrich entworfen hatte und nun alljährlich beim Feste von der Jugend getragen wird. Erhebend war der Gottesdienst in der überfüllten Pfarrkirche, bei dem alle Männer und

Aloisius-Statue
Foto: Kreisbildstelle

Frauen, Jungen und Mädchen, das schöne Aloisiuslied sangen:

Sei gegrüßt an Gottes Throne,
sei gegrüßt mit frommem Gruß.
Träger einer Himmelskrone,
hl. Aloisius.
Innig wollen wir dich lieben,
der so innig Gott umfing,
der so engelrein geblieben,
bis er heim zum Vater ging.
Wer als Christ dich lernte kennen,
o,
dem schwebt dein reines Bild,
hört er deinen Namen nennen,
lieblich vor und engelmild.
Lieblich zu dem Herzen dringet,
ein an dich gesandter Gruß,
wie ein reines Glöcklein klinget,
hl. Aloisius!
Eine stolze Grafenkrone,
gabst du freud'gen Herzens hin.
Nur ein Platz an Gottes Throne,
schien dir würdiger Gewinn.
Die Juwelen, die du liebtest,
prangten nicht am Fürstenkleid.
fugend war es, die du übtest,
Demut und'Bescheidenheit."

Mag sein, daß hier und da einer dieses Lied vor allem im Text nicht mehr für zeitgemäß hä|t. Aber das Aloisiusfest kann man auch nur mit dem Herzen und im Bewußtsein einer alten Tradition feiern!

Die von Franz Ulrich entworfene Fahne war die dritte in der Geschichte der Ahrweiler Aloisiusjugend. Die erste Fahne wurde 1873 geweiht, sie ist auf dem ältesten Bild der Aloisiusjungen von 1882 zu sehen und zeigt das Bild des hl. Aloisius. Die zweite Fahne wurde von Rektor Christoph Strauck, dem eifrigen Förderer der Aloisiustradition, am 23. Mal 1921 für 2800,— Mark angeschafft. Es war sehr mühsam damals, diesen hohen Betrag durch Spenden aufzubringen. Auf einer Seite trägt diese Fahne, die heute als Traditionsfahne am Feste mitgeführt wird, die Inschrift „Kath. Volksschule Ahrweiler — hl. Aloisius schütze die Jugend".

Ferner sei an dieser Stelle erwähnt, daß der Aloisiuskönig von 1903, Jean Kohlhaas, im Jahre 1928 eine Hauptmannskette stiftete. 1952 übergab der König Manfred Winkler dem damaligen Rektor der Schule ein neues Zepter und der König Josef Löhr im Jahre 1955 ein Interimsschild, das nun der Aloisiuskönig bei bestimmten Anlässen anstelle der Kette trägt.

In den 60er Jahren hat sich nun eine Form des Festes herausgebildet, die sich würdig an die Festlichkeit der beiden großen Schützengesellschaften anreiht. Da die Erwachsenen vielfach samstags frei haben, wird das Fest jetzt immer um den 21. Juni herum auf einen Samstag gefeiert. Am Freitagnachmittag ziehen die Aloisiusjungen in ihrer schmucken grünen Uniform zum Zapfenstreich auf. Sie verabschieden dann ihren vorjährigen König, der ein neues Schild für die Königskette stiftet und dafür ein Aloisiusbild erhält. Samstagmorgens ist Wecken. Dann nehmen die Aloisiusjungen und alle Jungen und Mädchen der Aloisiusschule am Festhochamt in der Pfarrkirche teil. Sie tragen dabei wie seit Jahrzehnten eine Rose auf dem Anzug oder auf dem Kleid. Ebenso die Jubilare wohnen dem Amt bei. Während des Hochamtes ist der Opfergang der Aloisiusjungen. Nach dem Gottedienst beginnt auf dem geschmückten Schulhof der Aloisiusschule an der Altenbaustraße das Königsvogelschießen mit der Armbrust auf einen hölzernen Vogel, das durch ein Ehrenschießen der Gäste und Jubilare eröffnet wird. Sobald der Königsschuß gefallen ist, übergibt der Rektor dem neuen König Zepter und Königskette. Nun stellen die Aloisiusjungen altem Brauch folgend ihre neue Majestät dem Pfarrherrn im Pfarrhaus, dem Bürgermeister im Saal des Rathauses und den Hauptleuten und Königen beider Schützengesellschaften vor. Nach einem Besuch bei den Eltern des Königs ziehen am Nachmittage die Aloisiusjungen zum Kalvarienberge, um dort ihren neuen König den Ursulinenschwestern und Rektor Alois Schneider vorzustellen und dabei eine Brezel zu empfangen. Mit einem Dankmarsch gegen . Abend endet das schöne Schulfest für die Jungen.

Nun treffen sich nach dem Feste die Jubilare, die vor 25, 40, 50, 60 und mehr Jahren einmal zu den Aloisius-Jungen zählten, in einem Hotel. Der Rektor überreicht ihnen die Aloisiusmedaille, und dann beginnt ein reger Austausch von lieben Erinnerungen über die früher gemeinsam durchlebte Schulzeit und die alten Aloisiusfeste. Auch die Könige und Hauptleute der Schützengesellschatten nehmen teil. Gerade dieser Jubila-renabend ist eine besondere Bereicherung des Aloisiusfestes geworden. Er ist das Band, das die ehemaligen Schüler der Aloisiusschule Ahrweiler mit ihrer alten Schule verbindet. Und wer eben kann, nimmt von den eingeladenen Jubilaren am Feste teil, da für alle das Wiedersehen viele Freude bereitet.

Beim Vogelschießen

Vorstellung des neuen Königs
Fotos: Kreisbildstelle

Im Jahre 1974 kam es zu einer neuen Entwicklung in der Schule. Im Stadtteil Bachem wurde das große Gebäude der Hauptschule Ahrweiler fertiggestellt, die Klassen 5—9 der Aloisiusschule zogen am 1. 8. 1974'in die neue Schule um, im Schulgebäude an der Altenbaustraße verblieben die Klassen 1 —4 als „Grundschule Ahrweiler — Aloisiusschule". Bislang war der Rektor der jeweiligen Ahrweiler Volksschule für die Durchführung des Aloisiusfestes verantwortlich. Jetzt aber waren die Jahrgänge, die hauptsächlich den Nachwuchs für die Aloisiusjungen stellen, im neuen Hauptschulgebäude. Daher mußte eine andere Form der Verantwortlichkeit gesucht und gefunden werden. Unter der tatkräftigen Leitung des Oberlehrers a. D. Nischalke und der Rektoren Neukirchen (Hauptschule) und Jonas (Grundschule) und mit Hilfe zahlreicher ehemaliger traditionsbewußter Aloisiusjungen und der Vertreter der beiden Schützengesellschaften wurde der Verein „Aloisiusjugend Ahrweiler von 1813" gebildet, der in das Vereinsregister eingetragen wurde und alljährlich nun das Aloisiusfest organisiert und durchführt. Ihm gehören heute viele Förderer an.

Natürlich besteht jetzt immer die Schwierigkeit, jeweils den Aloisiusjungen-Jahrgang aufzustellen. Denn es müssen Jungen der Grund- und der Hauptschule, ja sogar der Realschule und des Gymnasiums hierzu gewonnen werden. Dank der Traditionsfreudigkeit zahlreicher Ahrweiler Familien besteht die Hoffnung, daß dies auch in Zukunft gelingen wird.

Seit dem Jahre 1976 führt der Verein „Aloisiusjugend" im Kaiser-Wilhelm-Park hinter dem Calvarienberg wieder ein Waldfest der Aloisiusjugend durch, wie das schon vor dem zweiten Weltkrieg geschah. Das erste Fest war ein voller Erfolg, auch hier halfen viele Männer —ehemalige Aloisius-Jungen — bei der Durchführung mit, so daß dieses Waldfest nun in jedem Jahre im Juli veranstaltet werden wird. Zusätzlich unternimmt der Betreuer, der Aloisiusjungen, Lehrer Hans Schmitt, alljährlich mit den Aloisiusjungen eine Busfahrt gleichsam als Dank für ihren Einsatz beim Feste.

Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß die Aloisiusjugend im Stadtteil Ahrweiler der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Schulfest feiert, wie es wohl einmalig in einer deutschen Schule ist. Deshalb sollte dem das Fest tragenden Verein jetzt zum 165jährigen Bestehen auch viel Erfolg für die weiteren Jahrzehnte gewünscht werden.

Das traditionelle Gruppenbild: Aloisiusjugend 1977
Foto: Kreisbildstelle

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