Ein Grabstein in der Pfarrkirche zu Heimersheim
Gerhard Knoll
Grabplatte des Hermann Quadt von Landskron
Foto: Knoll
Wer in der Heimersheimer Pfarrkirche den Altar betrachtet, den der Erzbischof von Trier, Lothar von Metternich, zum Gedächtnis seiner Eltern, des Johann von Metternich zu Vettelhoven und der Katharina von der Leyen zu Adendorf, um das Jahr 1600 gestiftet hat, der bemerkt zu seiner Rechten an der Südwand des Chores den Grabstein eines Ritters.
Der geschichtlich interessierte -Betrachter wird vergeblich nach einer Inschrift, einer Jahreszahl oder nach einem Steinmetzzeichen suchen, welche ihm Aufschluß geben könnten darüber, wer hier dargestellt ist oder aus welcher Zeit der Grabstein stammt. Auch die vier Wappen in den Ecken des Grabmals werden ihm nicht viel sagen.
Noch weniger wird er ahnen, daß beide, Altar und Grabstein in einem ganz engen Zusammenhang stehen und nicht zufällig sich in der gleichen Kirche befinden.
Der Betrachter besorgt sich vielleicht entsprechende Nachschlagewerke, wie das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz und Saarland", oder die leider nur noch antiquarisch erhältlichen „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Kreis Ahrweiler".
Im ersten Buch wird er finden: „Grabstein D. E. H. (?) Quadt von Landskron, um 1500, ganzfigurig in Ritterrüstung".
Im zweiten Werk steht: „An der Südwand des südlichen Querschiffes eine Grabplatte aus Trachyt, 2,08 m hoch und 0,91 m breit, des Daem Elias Hermann(?) Quadt von Landskron, der Tote als Ritter mit gefalteten Händen, in den Ecken die Wappen Quadt, Merode, Scheiffart von Merode, Beissel von Gymnich; an den Rändern Verzierungen in Ringwerk, um 1550".
Beide Angaben sind sich einig, daß der hier dargestellte Tote ein Angehöriger der Familie Quadt von Landskron ist. Die Zeitangabe „um 1550" stützt sich auf stilistische Merkmale in der Arbeit des unbekannten Steinmetzen. Hinter den Vornamen jedoch steht ein Fragezeichen, um klarzumachen, daß es sich hier um eine Vermutung handelt. Daß dieses Fragezeichen zu Recht besteht, werden wir weiter unten sehen.
Gerade dieses Fragezeichen war es, das mich veranlaßte, der Sache auf den Grund zu gehen. Des Rätsels Lösung liegt zum Teil im.Staatsarchiv Koblenz, in den Urkunden des Bestandes „Landskron".
Um gleich ein Ergebnis meiner Untersuchung vorwegzunehmen — einen „Daem Elias Hermann" Quadt hat es nie gegeben. Es ist leicht nachzuprüfen, woher dieser Name kommt, nämlich aus dem „Rheinischen Antiquarius". Obwohl dieses umfangreiche Werk eine Fundgrube für jeden Historiker und geschichtlich Interessierten darstellt, ist doch einigen Angaben, besonders solchen genealogischer Art, mit Vorsicht zu begegnen. Da sind die Angaben des Referendars am Wetzlarer Reichskammergericht, des Freiherrn von Gudenus in seinem „Codex Diplomaticus" aus dem Jahre 1747 schon wesentlich genauer. Auch er kennt in seiner Stammtafel der Quadt von Landkron, die er vorsichtshalber „Fragmentum" nennt, keinen Daem Elias Hermann Quadt. Auch in der „Landskroner Chronik" des Tobias Stiffel aus den Jahren 1598/1600 und der Fortsetzung dieser Chronik kommt ein solcher Name nicht vor.
Wenn wir den Zeitansatz „um 1550" nehmen, so kommen für den dargestellten Toten nur zwei Personen in Frage: Johann Quadt, Herr zu Landskron und Tomberg, der in der
Mitte des Jahres 1541 gestorben ist, oder
sein Sohn Hermann Quadt, der vor seinem Vater im Jahre 1539 vor Dezember 26 gestorben ist (vergl. die genealogische Übersicht). Einer von diesen beiden muß es gewesen sein, die Frage ist nur: Welcher?
Heraldisch rechts vom Kopf des Toten (für den Betrachter links) ist das Quadt von Landskronsche Wappen. Es wurde Lutter Quadt, dem Ahnherrn dieser Linie, im Jahre 1450 vom damaligen Kaiser Friedrich III verliehen, und wie folgt beschrieben:
Ein goldfarbener viergeteilter Schild, in jedem Feld zwei rot und weiß geschachte Balken.
Heraldisch links vom Kopf des Toten das Wappen der Familie von Merode — ein goldfarbener Schild mit vier roten Pfählen. Auf dem Helm eine Krone, aus der ein Drachenkopf aufsteigt.
Unten rechts das Wappen der Scheiffart von Merode, einer jüngeren Linie der eben genannten. Auch hier im goldenen Schild vier rote Pfähle, zur Unterscheidung jedoch von den von Merode wiederholt sich das Wappen in der Helmzier. Dieses Wappen kann man in schöner Ausführung an der Decke und am Altar der Pützfelder Kapelle sehen. Links unten das Wappen der Beissel von Gymnich — im silbernen Feld ein rotes gekerbtes Kreuz. Als Helmzier ein Turnierhut mit einer Ente vor einem Schilfgewächs. Bis auf die letzte Familie sind heute alle anderen ausgestorben.
Die Wappen sind keinesfalls nur als künstlerischer Zierrat aufzufassen. Sie sind vielmehr Zeichen einer sozialen und rechtlichen Stellung des Wappenträgers, und sind daher dinglich aufzufassen als ererbter oder erworbener Besitz. Das Wappen beweist die Ritterbürtigkeit, den Adel schlechthin. Ohne den Nachweis einer bestimmten Anzahl von adligen Ahnen, repräsentiert durch deren Wappen, war z. B. die Teilnahme an einem Turnier unmöglich. Genügten hierzu schon acht Ahnen in einer Linie, d. h. vier Urgroßmütter und vier Urgroßväter, so mußten bei anderen Gelegenheiten schon 16 oder gar 32 Ahnen vorgewiesen werden. So verlangte z. B. das adlige Damenstift in Schwarzrheindorf die Vorlage von 16 adligen Ahnen. Auch bei Belehnungen, Antreten eines Erbes, Teilnahme an Landtagen etc. mußten zumeist 8 Ahnen in einer „Aufschwörung" genannten Zeremonie nachgewiesen werden.
Auf dem Grabstein sind 4 Ahnen durch deren Wappen dargestellt. Wir wissen, daß Johann Quadt mit Katharina Scheiffart von Merode verheiratet war, ebenso wissen wir, daß Hermann Quadt, sein Sohn, mit Katharina von der Leyen zu Adendorf verheiratet war.
Gerhard Quadt, der Vater Johanns und Großvater Hermanns, heiratet im Jahr 1476 Gertrud von Merode zu Schloßberg. Damit haben wir schon zwei der restlichen Wappen identifiziert. Man sieht jetzt schon, daß der Verstorbene nicht Johann Quadt gewesen sein kann, denn dann dürfte das Wappen seiner Frau, das der Scheiffart von Merode, nicht vorhanden sein. Denn die Ehefrau ist erst Ahne in der nächsten Generation. Außerdem müßte das Saffenberger Wappen erscheinen, das der Großmutter väterlicherseits von Johann Quadt.
Es kann sich demnach nur um Hermann Quadt handeln. Bliebe nur noch das vierte Wappen, das der Großmutter mütterlicherseits. Die Mutter Hermanns, Katharina Scheiffart von Merode zu Bornheim, war eine Tochter Gerhard Scheiffart von Merode, der im Jahre 1462 Elisabeth Beissel von Gymnich, Erbtochter zu Bornheim geheiratet hatte. Diese etwas verwirrten Familienverhältnisse lassen sich leicht am Wappenschema ablesen.
Wir haben also oben heraldisch rechts (für den Beschauer links) das Wappen des Vaters Johann Quadt, darunter das der Mutter Katharina Scheiffart von Merode. Auf der anderen Seite oben die Großmutter väterlicherseits Gertrud von Merode zu Schloßberg und darunter die Großmutter mütterlicherseits Elisabeth Beissel von Gymnich zu Bornheim.
Von Hermann Quadt, dem Verstorbenen, wissen wir eigentlich nur, daß er gegen Ende des Jahres 1539 gestorben ist, daß er mit Katharina von der Leyen zu Adendorf verheiratet war, und daß er mindestens drei
unmündige Kinder hinterließ, für die zunächst sein Vater Johann, danach sein Schwager Michael von der Leyen die Vormundschaft übernahm. Seine Eltern haben für ihn am 20. 2. 1531 einen Ehevertrag abgeschlossen, und anläßlich seiner Hochzeit ließ er sich wohl einen Teil seines väterlichen Erbes übertragen, nämlich Anteile an den Dörfern Ersdorf, Groß Altendorf, Holzweiler und Esch in der Grafschaft Neuenahr, die seinem Urgroßvater Luter Quadt 1450 verpfändet worden waren.
Da er nie die Nachfolge seines Vaters angetreten hat, wird er auch nur in wenigen Urkunden erwähnt.
Von seinem Vater Johann, der seinen Sohn um fast zwei Jahre überlebte, wissen wir einiges mehr. Er war Herr zu Landskron und Tomberg. In der Landskroner Chronik heißt es von ihm: „er war Churfürstlicher Cöllni-scher Raht, undt Landtrost in Westphalen, auch amptmann zu Syntzich undt Remagen" (Fortsetzung Landskroner Chronik, „Bl. 23). Die Amtmannsstelle zu Sinzig und Remagen erbte Johann über seinen Vater Gerhard Quadt von seinem Großvater Lutter Quadt. Der Erzbischof Dietrich von Köln hatte Lutter im Jahre 1431 die Hälfte des Amtes Sinzig mit den Dörfern und Kirchspielen Heimers-heim, Löhndorf, Westum, Koisdorf und Unkelbach für 3000 Rheinische Gulden verpfändet und ihn dafür zum Amtmann eingesetzt. Bis zum Jahre 1540 war die Pfandschaft noch nicht eingelöst. Ob die Quadt je ihr Geld wiedergesehen haben, ist bei der schlechten Zahlungsmoral der Kölner Erzbischöfe jener Zeit fraglich.
In einer anderen Quelle wird Johann als „Amtmann zu Heimersheim" genannt. Damit ist wohl gemeint, daß er von Heimersheim seinen Amtsgeschäften nachging, wohl wegen der Nähe zu seiner Burg Landskron und weil er in Heimersheim einen stattlichen Hof besaß.
Man darf annehmen, und damit kehren wir wieder zu Hermann Quadt, seinem Sohn, zurück, daß der Vater den Sohn mit der Wahrnehmung der Amtmannspflichten beauftragt hat, weil er, wie die Chronik berichtet, „seiner selbst Sachen wegen der grossen Herren geschefften, nicht woll achtungk nehmen können" (Bl. 23).
Hermann wird mit seiner jungen Frau Wohnung in Heimersheim bezogen haben und wurde, seinem letzten Wunsch entsprechend, in der dortigen Kirche beigesetzt.
Nach rund zehn Jahren Witwenstand heiratete seine Frau Katharina im Jahre 1549 in zweiter Ehe den Johann von Metternich zu Vettelhoven, Amtmann von Saffenberg. Auch dieser Ehe entstammen mindestens drei Kinder, darunter der später als Erzbischof von Trier bekannte Lothar von Metternich. Und hier schließt sich der Kreis — denn die auf dem Metternichaltar mit ihrem 2. Ehegatten abgebildete Katharina von der Leyen ist niemand anderes als die Witwe des im Jahre 1539 gestorbenen Hermann Quadtl
Nachdem sie beide Ehegatten um so viele Jahre überlebt hatte, war es sicher ihr Wunsch, an gleicher Stelle begraben zu sein wie ihr erster Mann. Auch ihr zweiter Mann muß hier begraben liegen, denn Erzbischof Lothar von Metternich widmet den Altar seinen „teuersten Eltern".
Aus dieser Zeit sind zumindest noch zwei Bestattungen in der Heimersheimer Kirche bezeugt: Im Jahre 1580 Oktober 27 macht eine J. Engel, geborene Blankart in Heimersheim ihr Testament. Auch diese Frau (vielleicht die Tochter des 1561 gestorbenen und in der Ahrweiler Kirche begrabenen Coen Blankart) ist zweimal verwitwet, und sie bestimmt, daß sie in der Heimersheimer Kirche bei ihrem ersten Mann Nikolaus von Schmidtberg begraben sein will. Dazu macht sie .einige fromme Stiftungen, darunter auch ein Tuch für das Heilige Grab(!) der Heimersheimer Kirche. Im übrigen ist auch sie wieder mit Katharina von der Leyen verwandt oder verschwägert, denn sie nennt die Kinder des Bernhard von Metternich „ihre Nichten". (Stadtarchiv Ahrweiler, A 150).
Beide Monumente, Altar und Grabstein, haben bis zur Renovierung der Kirche 1960/61 im südlichen Querschiff gestanden. Spätestens nach der Aufstellung des Altars, kurz nach 1600, dürfte dann auch das Südportal zugemauert worden sein.
Als vor 1958 (das genaue Jahr war den Augenzeugen nach so langer Zeit entfallen, es war jedoch in den letzten Amtsjahren des Pastors Sabelsberg, vom Keller der Sakristei unter dem Altar her ein Schacht für Heizungsrohre geschlagen wurde, stieß man in der Mitte des südlichen Querschiffes, vor dem „Metternichaltar", in etwa 1,50 m Tiefe auf ein Doppelgrab. Bei der Fundamentsicherung anläßlich der Renovierung der Kirche am südwestlichen Vierungspfeiler wurde ebenfalls ein Skelett aufgedeckt. Wenn wir annehmen, und eigentlich spricht alles dafür, daß sich hier die Grabstätte der Katharina von der Leyen und ihres zweiten Gatten Johann von Metternich zu Vettelhoven befunden hat, dann müßte das Grab des ersten Ehemannes, des Hermann Quadt von Landskron sich noch im Boden des südlichen Querschiffes befinden.
Es ist ein etwas längerer Umweg geworden, um' die drei Schritte vom Grabstein des Hermann Quadt von Landskron zu tun, hin zum Gedächtnisaltar der Eltern des Erzbischofs von Trier. Ich glaube aber, er hat sich gelohnt, um die Geschichte der Pfarrkirche zu Heimersheim etwas zu bereichern.