Der Dichter und Schriftsteller Ernst Karl Plachner

Sein Werk und seine Bedeutung — Biographische Skizze —

VON CARL SCHERHAG +

Zum 75. Geburtstag —6. September 1971 unseres langjährigen Mitarbeiters E. K. Plachner bringen wir einen Beitrag aus dem Nachlaß des 1968 verstorbenen Obersteuerinspektors Karl Scherhag, Ahrweiler. Karl Scherhag war Orgelschüler Johannes Müllers und studierte auch Harmonielehre bei ihm. Zugleich war er dem Lebenswerk E. K. Plachners tief verbunden. Wir danken Frau Scherhag dafür, daß sie uns die Arbeit ihres verewigten Gatten zur Veröffentlichung im Kreisjahrbuch überlassen hat.

Auf einem geistigen Vorposten, als Exponent beachtlichen geistigen Strebens, steht der in unserer Stadt lebende und hier 1896 geborene Dichter und Schriftsteller E. K. Plachner. Nach Absolvierung des hiesigen Gymnasiums wurde seine Berufswahl durch ererbte Anlagen bestimmt. Früh schon zeigte sich bei dem jungen E. K. Plachner eine rege geistige Lebendigkeit und eine starke Neigung zu dichterischem Schaffen. Parallel mit ihr machte sich in ihm eine weitgehende musikalische Begabung bemerkbar. Sie gab ihm die hochmusikalische Mutter als Erbe mit. Das Erleben der Kriegsjahre 1914 bis 1918, das ihm als Frontsoldat eine heute noch nachwirkende schwere Beschädigung brachte, ließ in dem jungen Stürmer die natürliche Eigenwilligkeit und die Schau nach innen sich weiter festigen. Die Jahre nach Kriegsende sehen den sich weiter Formenden nach anfänglichem Medizinstudium, an mehreren Universitäten als Student der Philosophie, Geschichte, Literaturgeschichte, Journalistik und nicht zuletzt von Theater- und Musikwissenschaft. Eine zwei Jahre währende schwere Erkrankung als Folge einer Kriegsbeschädigung zwang ihn, kurz vor seiner Promotion das Studium zu unterbrechen. Er nahm es wegen der Ungunst der Zeitlage nicht mehr auf, sondern wurde Journalist und freier Schriftsteller.

Sein Schaffen ist außerordentlich tiefgründig und vielseitig. Es reicht von der Gedichtform über Novelle und Essay bis zu schwerem dramatischem Stoff. Die Früchte seiner geistigen Lebendigkeit sind zahlreiche veröffentlichte Werke, jedoch gleich zahlreich sind die Arbeiten, die heute nur im Manuskript oder Entwurf vorliegen. Starken dichterischen Impuls verraten bereits die ersten Schöpfungen des jungen Studenten. Ihren stärksten Ausdruck finden sie in einer zunächst noch bevorzugten Pflege dichterischer Lyrik, doch schon bald drängt sich die Grundform seiner natürlichen Eigenwilligkeit in der Wahl groß angelegter Stoffe ans Licht. Immer vollkommener wird dann die gewachsene Form, die Gestaltung geschlossener, das dichterische Temperament spiritualisiert sich, wird ausgeglichener — der Dichter bekommt sein eigenes Gesicht. Es kommt die Zeit der reifen Lebensjahre, und mehr und mehr wendet sich der Geläuterte fast ausschließlich mystischkultischen Stoffen zu, die sein Schaffen bald ganz ausfüllen. In diese Zeit fallen des Dichters größte Schöpfungen.

Dazwischen liegt das Schaffen auf journalistischem oder schriftstellerischem Gebiet, hundert kleinere und größere Artikel und Abhandlungen kunst- und kulturphilosophischen Inhalts. Den geistigen Entwicklungsepochen Plachners entsprechend entstanden zunächst folgende Werke:

1918 Abenteuer im Gebirge, dramatische Dichtung in 3 Teilen
1919/20 Feldgeister, Suchende Seele zwischen den Schlachten, dramatische Dichtung in 7 Teilen
1922/23 Huczin (Hutschin gespr.), Ein Kriegserleben in russischer Steppe. Tagebuchblätter und Gedichte.
1923/25   Die Hexe. Schauspiel nach mittelalterlichen Akten in 3 Teilen.
1923—28   Die Gedichtsammlung „Begegnung".
1929/30   Die Christrose. Weihnachtsspiel in 3 Bildern.
1933   Passiflora. Osterdichtung in 3 Bildern.
1934   Die verborgene Kammer, Operndichtung in 3 Akten. Komponiert von Bal-thasar Bettingen.
1936   Bruchstück aus der Dichtung „Ritter, Tod und Teufel" unter dem Titel „Kreuzweg der Deutschen".
1940   Gotische Säule. Gedichte als Freundesgabe.
1942   Gedenkschrift für den Ahrweiler Komponisten Johannes Müller.
1944   Gesammelte Gedichte, 1. Band.
1945   Der Fremde. Apokalyptische Oper in 4 Akten. Komponiert von Balthasar Bettingen;
1946   Der Erzählband „Aus Lebensjahren mit Jahresleben".
1947/49   Das große dramatische Epos „Dante" in 2 Teilen: Comedia humana, Comedia divina.

Ernst Karl Plachner
Foto: Kreisbildstelle

Viele der hier nur im Auszug wiedergegebenen Werke sind heute vergriffen oder harren neuer Drucklegung. Allein der Band Huczin erfuhr eine Auflage von nahezu 20000 Exemplaren, der 1. Band der „Gesammelten Gedichte" 12000. Während das Schaffen Ernst Karl Plachners in seiner engeren Heimat nur einem verhältnismäßig kleinen Kreis von Interessenten bekannt wurde, haben seine Schöpfungen draußen weitgehende Beachtung gefunden. Dies kommt in zahlreichen Kritiken, Buchbesprechungen und Veröffentlichungen namhafter Vertreter unseres Geisteslebens zum Ausdruck. So brachte bereits 1931 die „New Yorker Stäatszeitung" eine eingehende Würdigung seiner „Christrosen" und spricht von dem Autor als einer „wahren Dichter-natur". Die schweizerische Zeitschrift *,Die Besinnung" berichtet 1936 in hoher Anerkennung über den Gedichtband „Begegnung". Schließlich darf darauf hingewiesen werden, daß der Künstler in einer Zeit schwerer Leidensfolge durch seine Kriegsbeschädigung eine Hilfe aus der „Deutschen Schillerstiftung" erhielt. Wenden wir uns wieder dem tieferen Wesen seines Werkes zu. So sehr E. K. Plachners dichterische Sprache ganz Bewegung, ganz Ausdruck von Lebenstiefe ist, liegt auch bei ihr, wie bei jeder ernst zu nehmenden Dichtung, der Ursprung nicht im gedruckten Wort, sondern im Klang! Hierin liegt auch die Ursache dafür, daß viele seiner Schöpfungen aus dem bei ihm stark ausgeprägten Grundstock musikalischen Empfindens inspiriert sind und fast zur gesprochenen Musik werden, Dies hat man draußen schnell erkannt. So spricht z. B. ein Kritiker der schon erwähnten „Christrose" (Dr. H. E. Lauer, Wien) von einer „ungemein musikalischen Sprache".

Es ist deshalb nicht verwunderlich und allzu erklärlich, daß mehrere seiner Werke durch namhafte Komponisten eine passende musikalische Ausdeutung erfuhren. So hat z. B. der Komponist Hans Wiltberger, Bruder des bekannten Kirchenmusikers, Stud.-Rat in Gladbeck (Westf.), nach E. K. Plachners Dichtung „Lied vom Tode" ein groß angelegtes Oratorium geschaffen (für drei Solisten, Männerchor, gemischten Chor, Orchester). Bei der Uraufführung wurden Dichter und Komponist stürmisch gefeiert. Eine enge musikalische Gemeinschaft bestand auch zwischen dem Dichter und dem in Ahrweiler unvergessenen Organisten der alten St. Laurentius-Kirche und Komponisten Johannes Müller (t 1942), der die starke Musikalität E. K. Plachners schon früh erkannte. Durch ihn erfolgte neben manchem in Musik gesetzten Gedicht aus Plachners Feder eine Vertonung der „Christrose", die den musikalischen Gehalt der lebendigen Sprache des Dichters in vollendeter Form ausschöpft und dem Werkchen eine musikalisch überaus liebevolle Ausdeutung verleiht. Die Vertonung Joh. Müllers muß übrigens mit zu den besten Kompositionen des verstorbenen Meisters gerechnet werden und ist ein Beweis für die Kongenialität beider Meister. Fragmente aus der Christrosenmusik wurden in früheren Jahren wiederholt durch den Pfarr-Cäcilienchor an St. Laurentius bei der feierlichen Weihnachtsmette vollendet vorgetragen.

Es hieße dem Schaffen E. K. Plachners unverzeihlichen Abbruch tun, wollte man die Würdigung seines Lebenswerkes nur auf die Ferne bemessen. Er ist auch der „Sänger seiner Heimat" und hier vor allem seiner lieben Vaterstadt Ahrweiler. Er wird von vielen mit Recht „der Heimatdichter" genannt. Bei allen passenden Gelegenheiten, wo es galt, seine Heimat zu feiern, griff er zur Feder. Oft gemeinsam mit dem leider allzufrüh verstorbenen Eifeldichter Heinrich Ruland, mit dem ihn ebenso wie mit Heinrich Lersch eine enge Freundschaft verband, Sein ausgesprochener Heimatsinn findet in zahlreichen prosaischen und poetischen Schöpfungen ihren Niederschlag. Wie erfrischend und belebend, oft mit einer Nuance ins Humoristische, weiß er hier meisterlich das Lokalkolorit zu zeichnen. Ich denke da vor allem auch an das ganz aus dem Milieu seiner Heimatstadt inspirierte Idyll „Das Alt-Ahrweiler Schützenfest", in dem E. K. Plachner den Ablauf des traditionellen Alt-Ahrweiler Volksfestes, das in dieser Weise einzigartig unter den deutschen Schützenfesten ist, in einer geradezu meisterlichen Form besingt. Die Presse schrieb im Erscheinungsjahr 1935 u. a.: „Man kann nur wünschen, daß dieses Büchlein in die Hand einer jeden heimatverwurzelten Ahrweiler Familie gelangt." Hierzu gehören auch seine zahlreichen Besprechungen und Abhandlungen, die Werk und Leben des ihm sehr verbundenen bereits erwähnten heimischen Komponisten Johannes Müller würdigen. In Zusammenhang hiermit darf auch auf die im Verlag P. J. Plachner erschienene Broschüre über Müller mit feinen Zeichnungen des süddeutschen Malers Anton Heck verwiesen werden. Hierher gehört auch das ergreifende balladeske Gedicht „Der Tod des Meisters Johannes", das von Plachner in den 1. Band seiner „Gesammelten Gedichte" aufgenommen wurde. E. K. Plachner hat schließlich Jahre hindurch in deutschen Städten hunderte Vorträge gehalten. Die Themen waren aus seinen nie abreißenden Studien im Laufe langer, ernster Arbeit gewachsen und brachten ihm allenthalben großen Erfolg. Zum Abschluß seien einige Themen seines umfangreichen, interessanten Vortragsprogramms genannt: „Das Wesen der Oper und ihre Entwicklung", 10 Vorträge mit musikalischen Beispielen; „Über die Dramatik Shakespeares", mit Rezitationen; „Die geistigen Hintergründe der Märchenwelt"; „Dantes Schau' der nachtodlichen Welt", mit Zeichnungen und Gemälden berühmter Meister, 2 Abende; „Der Auferstehungsgedanke in Goethes Faust II. Teil"; „Die unbekannte Droste", mit Rezitationen; „Seelenprobleme des modernen Menschen in Ibsens Peer Gynt".

Endlich muß noch der heute im 91. Jahr in Weinheim a. d. Bergstraße lebende frühere Opern- und Konzertdirigent Theodor Hausmann erwähnt werden, der durch Prof. Herrn. Unger, Köln, zu Plachner in Beziehung trat. Hausmann hat durch feine kammermusikalische Kompositionen Erfolg errungen und wurde durch seine bei Peters, Leipzig, erschienene „Schule der Treffsicherheit" weithin bekannt. Er war selbst ein hervorragender Pianist und hat über dreißig Gedichte Plachners für eine Singstimme und Klavier vertont.