Die Lochmühle bei Mayschoß und die Düsseldorfer Malerschule
VON JOSEF RULAND
1829 bereits weilte der damals schon bekannte Düsseldorfer Künstler Johann Wilhelm Schirmer mit seinen Freunden Bendemann und Schrödter im Ahrtal. 1831 war er wieder an der Ahr, 1834 in Altenahr, wo er sein bekanntestes Gemälde vom damals weitberühmten Felsendurchbruch bei Altenahr malte, für den kein geringerer als Karl Friedrich Schinkel, der Leiter der Oberbaudeputation in Preußen, einen künstlerischen Entwurf der Ein- und Ausgangsgestaltung geliefert hatte. Mit diesem Felsendurchbruch bei Altenahr, das ist mittlerweile Gemeingut geworden, eröffnete sich dem Fremdenverkehr im Ahrtal erst die eigentliche Zeit. Wenn man bis dahin auf die schmalen Wege der Talsohle, vorwiegend aber auf die größeren Straßen der anliegenden Höhengebiete angewiesen war, so konnte man nach Fertigstellung des Tunnels bei Altenahr auf einer verhältnismäßig passablen Straße von Remagen bis nach Kreuzberg und weiter hinauf nach Adenau den Weg in die schöne Eifel finden. Kein Wunder, daß von diesen Möglichkeiten gerade die Düsseldorfer Künstler profitierten, die, damals auf die Landschaftsmalerei abgestellt, dabei waren, das weite preußisch gewordene Rheinland rund um Düsseldorf malend zu erobern. Im gleichen Jahre, 1834, arbeitete z. B. der bekannte Maler Karl Friedrich Lessing im Ahrtal, von dem man heute sagt, er sei der künstlerische Entdecker der Eifel gewesen. Auch der Wallone Jean Nicolas Ponsart hatte sich die Ahr zum künstlerischen Gegenstand erkoren und widmete ihr seit dem Jahre 1831 mit einem eminenten Publikumserfolg verschiedene Blätter und gar ganze Sammlungen, die von allen Seiten, selbst von Mitgliedern des preußischen Königshauses mit Wohlwollen entgegengenommen wurden. Dieser Wallone Jean Nicolas Ponsart hat uns auch einige schöne Lithographien von der Lochmühle bei Mayschoß hinterlassen, aus denen wir so recht die Stimmung der damaligen Zeit und, wir dürfen es uns nicht verhehlen, auch die Armut des Ahrtales herauslesen können, unter dem dieses seit urdenklichen Zeiten gelitten hatte. Wenn man nämlich die Bilder Ponsarts genauer betrachtet, so wird man finden, wie gerade er den Blick seiner Zeitgenossen auf diese „Idylle hinlenkt, damit aber gleichzeitig ein soziales Problem trifft. So kündet z. B. sein bekanntes' Litho „Altes Gehöft in May/ schoß" mit den baufälligen Häusern, durchsichtig gewordenen Dächern und den Personen im Vordergrund sehr deutlich von den Schwierigkeiten, mit denen sich die Bevölkerung an der Ahr täglich in ihrem Lebenskampf auseinanderzusetzen hatte. Sollten sich spätere malerische Schilderungen der Ahr Bilder reiner Poesie und übermäßiger Daseinsfreude eingeschlichen' haben, so ist das eigentlich eine Verfälschung der historischen Tatsächlichkeit. Die Hungerjahre . unmittelbar nach der preußischen Inbesitznahme der Rheinlande in den Jahren 1817 bis 1819 hatten in der Bevölkerung viele 'Spuren hinterlassen. Im Falle Mayschoß trat noch die große Überschwemmung aus dem Jahre 1804 hinzu, deren Folgen damals, als die ersten Künstler wandernd und zu Pferde in das Ahrtal kamen, noch längst nicht behoben waren. So müssen wir auch die Bilder dieser ersten Düsseldorfer und auch fremder Maler mehr als eine Mahnung denn als eine künstlerische Überhöhung der Wirklichkeit ansehen.
Doch ist gerade diese Zeit für das Ahrtal eigentlich die Wendezeit gewesen, in deren Anschluß sich für den Landstrich ein, wenn auch bescheidener, Wohlstand ergab, der Gott sei Dank bis heute in diesem entzückenden Seitental des Rheins zu finden ist. Es ist aber nicht so, als seien die Bewohner des Ahrtals selbst passiv gegenüber ihrem Schicksal gewesen. Das darf man nicht sagen. Ich möchte glauben, daß die folgende kleine Abhandlung uns zeigen kann, wie sehr man auch an der Ahr damals die Zeichen der Zeit verstanden und zu deuten gewußt hat. So kam etwa um die Jahrhundertwende, also noch zur Zeit der französischan Besatzung, ein unternehmungslustiger Müller namens Michael Joseph Hallerbach, aus dem kleinen Örtchen Hallerbach, im heutigen Kreise Neuwied bei Asbach gelegen, über den linksrheinischen Ort Rheinbach zur Ahr und pachtete dort von der Fürstlich Arenbergischen Verwaltung die Lochmühle, die er fortan als Pächter jahrelang verwalten sollte. Dieser Michel Joseph Hallerbach muß neben einem echten Geschäftssinn auch einen guten Blick für die Zukunft gehabt haben, denn er kaufte im Jahre 1828 ein kleines Anwesen in der Nähe der heutigen Lochmühle, vor dem Felsendurchbruch, genau an der Stelle, wo sich das heutige Gasthaus „Lodtmühle" erhebt. Der Kaufvertrag über dieses Anwesen ist uns erhalten geblieben und er lautet also:
F. Heunert: Lochmühle an der Ahr
„Kund und zu wißen sey hiermit, dem es, zu wißen nothwendig, wie daß auf heute äjn unter-gesetzten Daton einen unwierrufliehen Kauf geschehen, zwischen H. Sebastian Coshmann ledigen Standes, Sohn des Nicölas Coshmanh und SchoIaStica Nietgen, wohnhaft an der Mühlen in der Pfarr Maischosh einerseits und H. Michel Joseph Hallerbach und dessen Ehefrau Anna Maria Unkelbach, Müller, -wohnhaft in der Lochmühle bei Maischosh andererseits, nämlich:
Verkäufer gibt dem Ankäufer nun von heute an die Gewalt und Vollmacht, mit Obbesagten Immobilien zu schalten und zu walten- nach Seinem Willen, wie auch der selbe /: Ankäufer: / alle Lasten von heute ab, an sich zieht. Also doppelt ausgefertigt, und unterzeichnet am ein und zwanzigsten März 1800 acht und zwanzig.
Sepastian Cosmann
Jacob
Josten als Zeug
Michael Simons Zeugen,
Das mir ankäufer M J Hallerbach im oben gemeldete Kaufschilling richtig zahlt hat. Job. Matth. Ley Zeug Jacob Karris Zeug.
Laach den sechs und zwanßigsten Mertz 1834. Sepastian Cosmann.
Damit hatte Michael Joseph Hallerbach den ersten Schritt aus dem Stand des Pächters zu dem eines Besitzers getan, bei dem er es aber nicht bewenden lassen wollte; Schon drei jähre später nämlich kauft unser unternehmungslustiger Müller aus dam Westerwald ein neues Än^-wesen, das sich neben dem soeben gekauften befunden haben muß und sicher größer gewesen ist. Die beiden Häuser mitsamt den Stallungen und Nebengebäuden sind auf verschiedenen ^Bildern und Stichen recht gut zu sehen. Auch über diesen Kauf gibt es einen sehr aufschlußreichen Kaufvertrag, der uns lehrt, wie damals, an der Ahr die Käufe und Verkäufe zustande kamen und wie sie gehandhabt wurden, „Heute am siebenten des Monats November Eintausend achthundert dreißig und ein, wurde zwischen Anna Maria Appel, Wittwe des Anton Henk, Winzerin, einerseits als Verkäuferin, sodann Michel Hallerbach und dessen Ehefrau Anna Maria Unkelbach anderen Theils als Käufer, in seiner Eigenschaft als Mühler in .der Loehmühle, alle zu Mayschoß im Kreise Ahrweiler wohnhaft, nachstehenden Kontrakt geschloßen, nämlich:
Anna Maria Appel verkauft an Michel Halfebach und .dessen Ehefrau ihr an der Lochmünte gelegene, mit Nr. 148 bezeichnete Haus und den daran befindlichen Nebengebäuden, als' Scheune und Stallung sammt Hofraüm und der dabei gelegenen Plätze, welche gegenwartig mit Weinstöcken angelegt ist — begränzt von Jacob Poppelreilter und den Ankäufer selbst sodann der Gemeinde Straße — so wie sie Anna Maria Appel dasselbe von Thomas Rochus Ley früher angekauft hatte, .. .und Michel Hallerbach somit in den Besitz und Genuß von jetzt an eingewiesen, weshalb ihm auch die darauf fallende zukünftige Lasten und Nutzungen vom Neü-jahrstage 1832 angerechnet zu Theil werden. Der zu diesem Kontrakte erforderliche Stempel in der Gesetzlichen Frist zu lösen, bleibt vorbehalten. •
Zu dessen Urkund ist gegenwärtiger Kontrakt zweifach ausgefertigt und von beiden Kontrahenten sammt Zeugen unterzeichnet worden. Gesschehen Mayschohs wie eingangs, Anna Maria Appel M J Hallerbach Johan Joseph Kolborn Zeug Joh. Nucken, Zeuge.
Mayschoß
Foto: Kreisbildstelle
Damit hatte der gegen die Jahrhundertwende eingewanderte Michel Joseph Hallerbach zu seinem Lebensende so viel an Besitztum erworben, daß der ihm folgende Sohn Severin Hallerbach in der Folgezeit die ihm wohl noch vom Vater her mitgegebenen Pläne verwirklichen konnte, Und diese Pläne zielten auf genau das, was wir zu Anfang der kleinen Betrachtung erwähnt haben.
Die Mühle hatte gemäß den bekannteren Vorbildern vor allem junge Düsseldorfer Maler angezogen, die an ihr und der romantischen Umgebung regelrecht hingen. So nahm Hallerbach sie denn, falls es der Wunsch war, regelrecht in Kost und Logis. Gewohnt, über Ein- und Ausgaben Buch zu führen, hat uns Severin Hallerbach ein Büchlein hinterlassen, das in dieser Hinsicht ganz aufschlußreich ist. So heißt es da auf Seite,53: „Die 4 Herren Maler, 1839 den 20ten Juli Nachmittags bei uns: gekommen und wie folgt erhalten
ein quart r Wein
an Butter und Brod ... usw."
Drei Seiten weiter heißt es: „Herrn Emant 1839 den 5ten August Abends vor dem Nacht Eßen bei uns gekommen ... den 5ten (Sept.) nach Kaffee Morgens nah den Laager See gegangen."
So geht das nun weiter bis zum Herbst 1845, von wann ab keine Nachricht mehr gegeben ist. Folgende Malernamen erwähnt Severin Hallerbach in seinem Aufschreibbuch:
Den |
Maler |
Docter 1839, |
" |
" |
Ehmannt 1839, |
" |
" |
Pries 1840, |
" | " |
Hauser 1839, |
" | " |
Heimerdinger 1841, |
" | " | Heunert 1843/1844/1845, |
" | " |
Hut 1841, |
" | " |
Knüppel 1841, |
" | " |
Klein (ohne Jahresangabe), |
Der |
Maler |
Ley 1840, |
" |
" |
Metz 1841, |
" | " |
Ortlov (ohneJahresangabe), |
" | " |
Pose (ohne Jahresangabe), |
" | " |
Schäffer 1841, |
" | " |
T(D)rolshagen (o. Jahresang.) und |
" | " |
Werner 1839. |
Nicht alle diese Maler sind so bekannt geworden, daß sie in Handbüchern oder Lexica eingegangen sind. Die neueste Veröffentlichung über die Düsseldorfer Malerschule (1819—1869),. (von Wolfgang Hütt, Leipzig 1964), erwähnt, hur drei der Lochmühlengäste. Das ist Friedrich Joseph Ebmant, 1804 in Frankfurt am Main geboren und 1842 in München als angesehener Landschaftsmaler gestorben. Der nächste ist August Wilhelm Leu, der sich sicher hinter unserem Maler Ley verbirgt. 1819 in Münster geboren, arbeitete er bis 1862 in Düsseldorf, verbrachte die letzten Lebensjahre bei Neuß und starb 1897 in der Schweiz. Der dritte im Bunde ist Eduard Wilhelm Pose, 1812 in Düsseldorf geboren und 1878 in Frankfurt gestorben. Da von ihm ausdrücklich bezeugt wird, er habe von 1838 bis 1842 in Düsseldorf gearbeitet, wissen wir auch, daß er nur innerhalb dieser vier Jahre in der Lochmühle gewesen sein konnte. Von Pose vermerkt .das Buch, er wohne bei „Baumeister Custotis aufm Schwanenmark in Dühseldorf".
Eine regelrechte Liebe zu Mayschoß und der Lochmühle muß Friedrich Heunert gehabt haben, 1808 iri Soest geboren und 1876 in Düsseldorf gestorben, sind seine Mayschoß- und Lochmühlenbilder vielleicht am bekanntesten geworden. Ein „Ölgemälde Mayschöß an der Ahr", abgebildet in dem Band „Die Kunstdenkmäler, des Kreises Ahrweler" zeigt den Ort Mayschoß von Osten her gesehen. Im Vordergrund das stattliche Pfarrhaus, 1790 erbaut, links davon die Kirche mit spitzem Turm. -Dieses Bild hängt im Wallraf-Richartz-Museum. Noch 1863 malte er ein entzückendes Aquarell von der Lochmühle (in Piivatbestitz), womit er vor allem der Familie Hallerbach und ihrem Oberhaupt eine Freude machen wollte. Severin Hallerbach erwähnt Herrn Heunert am 23. September 1843 zum erstenmal. „.. .ist selbiger Maler mit seiner Frau des Nachmittags bei uns in Kost und Logie gekommen und trinkt jeder Mahlzeit 1/2 quart r(ot) Wein." Da der Katalog des Wallraf-Richartz-Museums das Heunertsche Bild um 1830 ansetzt, muß man nunmehr mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, es sei mindestens gute 13 bis 14 Jahre später entstanden. Der Verzehr der Maler ist nicht so gewesen, daß man sagen könnte, sie hätten getrunken. Sie tranken im Durchschnitt einen Schoppen Wein und ein Glas Bier. Ist das viel? Reich ist Severin Hallerbach an ihnen nicht geworden, aber sie machten ihn und sein malerisches, im Entstehen begriffenes Hotel bekannt. (1863 bezeichnet Heunert selbst den Gasthof bereits als Hotel Lochmühle.), Maler haben Freunde, kommen viel herum, besuchen die Akademie. Als Gottfried Kinkels Buch über die Ahr 1846 erschien, da erwähnte der Verfasser die Maler des Ahrtals nicht. Das ist eigentlich verwunderlich, denn längst bevor er das Buch über die Ahr zu schreiben begann, hatten die Maler das Tal .bereits entdeckt.
Neben dem Tunnel zu Altenahr stand als eine der Hauptsehenswürdigkeiten die Guckley an dem Felsendurchbruch bei der Lochmühle zwischen Mayschöß und Laach. Ob die Tausende von Besuchern, die jährlich nach Mayschöß kommen, ahnen, daß Düsseldorfer Maler sie letztlich dorthin lockten? Es ist schon ein interessantes, wenn auch kleines Kapitel aus dem Buche Soziologie des Tourismus.