Vettelhoven kämpft um seine Waldrechte
von Jakob Rausch
Vettelhoven hat eine andere Agrarstruktur als die Dörfer der Grafschaft.
Die drei ehemaligen Rittergüter sind heute im Besitze der Familie de Werth von Vettelhoven, Leisten und Krewel. Diese Güter besitzen 221 ha der landwirtschaftlichen Fläche, während die übrigen 200 Grundbesitzer nur 150 ha Ackerfläche besitzen.
Die großen Güter haben dazu eine Waldfläche von 137 ha, während die Gemeinde nur 58 ha Wald einschließlich Wege und Gewässer besitzt. Wie erklärt sich diese eigenartige Agrarstruktur? Vettelhoven gehörte nicht zur „Grafschaft" Neuenahr, sondern war stets eine „Unterherrschaft" der „Kurkölnischen Mithauptstadt Ahrweiler". Und wie in Ahrweiler 12 Kloster- und 12 Adelshöfe 80 Prozent des Grund und Bodens besaßen, so besaß auch der Adel in Vettelhoven 80 Prozent. Die Kolwe von Ahrweiler besaßen zeitweise in Vettelhoven zwei Rittergüter.
Luftaufnahme aus dem Archiv des Kreises Ahrweiler
Freigegeben unter Nr. LU 2892 Bezirksregierang für
Rheinhessen
Vettelhoven — Ortsansicht mit Schloß
In einem zehnjährigen Prozeß 1832 bis 1842 kämpfte die Gemeinde Vettelhoven um ihre Berechtigungen in den Waldungen der dortigen Rittergutsbesitzer. Rittergutsbesitzer waren damals:
Josef Rolshofen von Vettelhoven, der auch Bürgermeister der Bürgermeisterei Gelsdorf war. Sein Beigeordneter war sein Schwager Josef Schieffer, der das Gut als Pächter und nachher als Besitzer bewirtschaftete. Es ist das heutige Krewelsche Gut.
Der heutige de Werthsche Hof war im Besitze des Großindustriellen Major von Niesenwand, Hüttendirektor in Rudinghausen bei Iserlohn.
Aus dem Urteil des Königlichen Landgerichtes zu Koblenz vom 16. Juli 1853 und des Rheinischen Appellationsgerichtshofes vom 26. März 1835 werden die althergebrachten Waldrechte der Gemeinde zuerkannt:
Laub und Streu zu holen,
das Hornvieh weiden zu lassen und Schweine zur Eichelmast aufzutreiben,
Raffholz zu lesen,
die Wurzelstöcke der abgehauenen Bäume auszunehmen und
Lehm aus den zwei Gruben (am
Antoniushäuschen und am
Ring gelegen) zu gewinnen.
Der Lehm spielte beim Hausbau, besonders aber beim Bau der
Wirtschaftsgebäude eine große Rolle.
In dem zehnjährigen Prozeß versuchten die Rittergutbesitzer hartnäckig die Rechte der Gemeinde zu schmälern. Während die Bäume i Fuß über dem Boden gefällt werden sollten, ließen die Rittergutsbesitzer die Bäume sogar „austopfen", d. h. mit Wurzelstock wegbringen. Da es sich jährlich um ca. 300—500 Wurzelstöcke handelte, war das für die Dorfbewohner ein Verlust, was um so unverständlicher ist, da die Gutsbesitzer für über 2000 Taler an Scheitholz, Knüppelholz und Wellen (= Reisig) verkauften.
Streitigkeiten gab es auch immer wieder über die Frage, wann und in welche Walddistrikte Hornvieh und Schweine aufgetrieben werden durften.
Trotz des Ärgers und der entstehenden Prozeßkosten kämpfte die Gemeinde unentwegt für ihre Rechte gegen die Rittergutsbesitzer, die gleichzeitig auch Arbeitgeber der Kleinbauern waren, die als Tagelöhner auf dem Rittergut arbeiteten.
Landrat und Regierungspräsident bestätigten die Rechte der Dorfbewohner.
Das war zur Zeit unserer Urgroßväter und Großväter. Und kämen diese heute wieder nach Vettelhoven, dann würden sie ihre Urenkel und Enkel erstaunt fragen:
„Warum geht ihr nicht Laub und Streu mehr holen,
kein Vieh mehr in den Wald leiten,
kein Raffholz lesen,
keine Baumwurzeln mehr austopfen,
keinen Lehm mehr gewinnen?"
Und die Urenkel antworten verwundert: „Habt Ihr das denn alles getan?", und ein Moderner sagt lautstark und selbstbewußt: „Das haben wir nicht mehr nötig."