In Pützfeld's Geschichte spiegelt sich das Geschick des Bauernstandes unserer Heimat

VON JAKOB RAUSCH

Pützfeld wird im Prümer Urbar von 893 erstmalig urkundlich genannt. Der Name hat nichts mit dem Wort „Pütz" — Brunnen zu tun; denn 893 heißt der Ort Buzzinvelt — Feld des Buzzin, das ist der Sohn des Buzzo oder Budizo; dies ist die Koseform von Bodo und bedeutet „Gebieter". So erinnert uns Pützfelds ursprünglicher Name an Bodendorf. Hier, auf der breiten fruchtbaren Mittelterrasse des Ahrtales, besaß der Franke Bodo den Hof Buzzinvelt. Andere Bauern siedelten sich in der Nähe an. So entstand hier in der Merowingerzeit eine Dorfsiedlung mit freien Bauern. Diese fränkischen Bauern waren stolz auf 3 Rechte: das Bodenrecht, das Wehrrecht und das Dingrecht. Der Boden von Haus und Hof, von Gärten und Weingärten, von Äckern und Wiesen war Odal (— freier Besitz) des Bauern. Nur 4 W: Wege, Wasser, Weide und Wald "war Allmende (= Gemeinbesitz) der Dorfbewohner. Das Wehrrecht erlaubte dem freien Bauern, Waffen zu tragen und mit in den Krieg zu ziehen.

Das Dingrecht gab ihm die Ehre, beim Volksding auf der Dingstätte nicht nur rnitzuberaten und mitzureden, sondern auch zu urteilen und mitzubestimmen.

Aber in der Karolingerzeit schrumpfte dieses Ehrenrecht zu einer belanglosen Pflicht zusammen. Er mußte zwar noch auf der Dingstätte erscheinen, wo die freien Bauern aber nur den stummen „Umstand" bildeten; denn der königliche Thunking und seine Schöffen sprachen und urteilten im Namen des Königs. Noch schlimmer entwickelte sich das Wehrrecht. Durch die vielen und langen Kriege Karls des Großen wurde es zur drückenden Wehrpflicht. In den langen Kriegszeiten verwahrloste der Hof, und die Felder trugen Disteln und Dornen. Die Höfe der unfreien Bauern, die nicht kriegspflichtig waren, lagen daneben gehegt und gepflegt.

Nach freiem Entschluß trugen nun unsere Pützfelder freien Bauern durch einen Precarievertrag (— Bittgesuch) den Hof einem mächtigen Grundherrn an. Der Grundherr gab dem nun ihm „hörigen" Bauern den Hof durchweg als Erblehen wieder zurück. Nun mußte der Lehnsherr mit seinen Kriegsleuten für den „hörigen" Bauern in den Krieg ziehen. Auch vertrat er denselben auf der Dingstätte. So wurden in der Karolingerzeit (um 800) unsere Pützfelder freien Bauern zu hörigen und zinspflichtigen Bauern.

Das Prümer Urbar von 893 gibt uns ein genaues Bild der Agrarstruktur von Pützfeld. Das Kloster Prüm war Grundherr von Pützfeld geworden. Es war Besitzer des ehemaligen Gutshofes des Buzzin. Dieses Herrengut umfaßte im Jahre 893 noch 31 Morgen Ackerland, Wiesen, die 20 Fuder Heu ergaben, 4 Weingärten mit einem Ertrag von 4 Fuder Wein (etwa 4 Morgen), "Wald in Mast für 30 Schweine und eine Mühle. Außer diesem Herrengut besaß Prüm in Pützfeld an „hörigem" Gut 10 Diensthufen, d. h. 10hörige Bauern besaßen je einen Hof, der wenigstens 30 Morgen groß war. Für den Lehnshof entrichteten diese hörigen Bauern dem Kloster Prüm folgende Abgaben: jährlich ein fettes Schwein, das aber 893 mit 4 Pfennig abgelöst wurde. Also zahlte unser Höfner jährlich nur 4 Pfennig. Diese Ablösung durfte auch im Mittelalter nicht erhöht werden, obwohl der Pfennig seinen ehemaligen Wert längst verloren hatte. An Naturalien lieferte jeder Zins- oder Lehnsbauer jährlich dem Kloster Prüm 3 Hühner, 15 Eier, 1/2 Pfand Flachs, 50 Schindeln und 100 Pfähle.

Für die abgelösten Kriegsdienste zahlte der Bauer jährlich das „Hostilicium" von 4 Pfennigen. Außerdem zahlte jeder Hof jährlich noch weitere 6 Pfennig.

Welche Frondienste (Herrendienste) leistete jeder hörige Pützfelder Bauer? Der Bauer mußte unter dem Namen „jugera" 3 Morgen Herrenland bestellen, also säen und ernten. So bebauten die 10 hörigen Bauern Pützfelds insgesamt 30 Morgen des Herrengutes.

Pützfeld
Foto: Lorenz

Wappen v. Friemersdorf gen. Pützfeld
Foto: Görtz

Der Frondienst „Corvada" verpflichtete den Bauern, 2 Morgen Beundeland zu bestellen. Als die Bevölkerung wuchs, ließ Kloster Prüm Wald roden und vergrößerte die Ackerflur. Diese Rodungen hießen Beunde, weil das Land mit dem Herrengut „verbunden" blieb. Unser Pützfelder Bauer mußte jährlich 2 Nachtwachen halten, etwa um die Ernte und die prümschen Weinberge zu bewachen. Im prümschen Klostergarten hatte der Bauer ein Beet zu hegen und zu pflegen.

Fünfzehn Düngefuhren leistete der Bauer jährlich. Und da der Herrenhof so viel Dünger nicht erzeugte, so mußte der Bauer auch von seinem eigenen Düngerhaufen aufladen und aufs Herrenland fahren. Zum Brotbacken, Bierbrauen und zu Weinbergsarbeiten wurden unsere Pützfelder Höfner nicht herangezogen.

Interessanter waren für unsere Bauern die 2 Angaria (Frondienste), die er leisten mußte. Das sind 2 Prümfahrten; über 100 Fuder Wein, dazu viele Fuhren mit Körnerfrüchten (Spelz, Gerste, Hafer, Weizen, Buchweizen) wurden nach Prüm gefahren. Das ergab eine lange Karawane von beladenen Karren, die meisten von Ochsen, seltener von Pferden gezogen wurden. Der lange Zug ging durch das Ahrtal, oberhalb von Insul durch das enge „Prümer Tor", durch eine seichte Furt der Ahr, durch die „Mutscheid" nach Münstereifel, wo übernachtet wurde. Das Kloster Prüm sorgte für gute Herberge und erstklassige Verpflegung mit Brot, Fleisch und Wein.

Am nächsten Morgen wurde die Fahrt über Gerolstein nach Prüm fortgesetzt. Auch in Prüm wurden unsere Angaria-Fahrer erstklassig beherbergt und verpflegt. Nach einem Ruhetage und 2 Übernachtungen in Prüm wurde mit leeren Karren die Heimreise angetreten. In unruhigen Zeiten begleiteten die Ahrweiler Schützen den langen Zug und sicherten ihn vor räuberischen Überfällen. Diese Prümfahrten führten unsere Bauern nach ehemaligen Begriffen in die „weite Welt", und der Großvater erzählte noch seinen Enkeln von den frohen Fahrten nach Prüm. Unsere Pützfelder Bauern waren jährlich zu 2 Botengängen verpflichtet, der Schardienst, im Prümer Urbach „scara" genannt. Diese Botengänge wurden zu Fuß, zu Pferde und am Rhein mit dem Schiff ausgeführt. So verbanden über 1000 Botengänge die zahlreichen Besitzungen Prüms untereinander. Die Boten übernahmen auch die Briefe und Nachrichten von Privaten gegen einen Botenlohn. Es war dies im ganzen Mittelalter in der Eifel die größte und sicherste Post.

Unser höriger Bauer saß wie ein Erbhofbauer gesichert auf seinem Hofe. Wenn der Vater starb, erbte zunächst der älteste Sohn den Hof. In den meisten Fällen mußte der Jungbauer als „Erbschaftssteuer" das „Besthaupt" entrichten. Es mußte das beste Stück Vieh dem Lehnsherrn abgegeben werden. Prüm hat in Pützfeld und im ganzen Ahrkreis kein „Besthaupt" gefordert. Trat eine Notzeit ein, dann brauchten keine Abgaben entrichtet zu werden. Vielmehr öffnete Prüm seine Zehntscheunen, die immer einen Vorrat von einer Jahresernte enthielten und bannte so Hunger und Not. Es galt mit Recht der Satz: „Unter dem Krummstab ist gut wohnen." Prüm trat aber im 11., 12. und 13. Jahrhundert die meisten Güter im Ahr- und Eifelgau durch Tausch oder Kauf an die Grafen von Are ab, die von 1100 bis 1246 unsere politischen Landesherrn waren. Nur die Besitzungen in Ahrweiler und Kesseling behielt Prüm. Die Grafen von Are belehnten mit dem Herrenhof und den 10 Bauernhöfen in Pützfeld nach 1222 ein Rittergeschlecht von Pützfeld. Dieses errichtete im Westen des Dorfes ein Burghaus. Im 16. Jahrhundert ist die Familie von Friemersdorf, genannt Pützfeld, Besitzer des Herrenhofes. Durch Heirat der Therese von Friemersdorf mit dem Freiherrn Damian Lothar von Eltz-Rübenach kam diese Familie in den Besitz. Der Sohn Ludwig von Eltz-Rübenach verkaufte das Gut an den Herrn Doetsch. Durch Vererbung und Heirat wurde Franz von Broe von Diepenbent Besitzer. Da das Gut ein landtagsfähiger Rittersitz -war, saßen seine Besitzer auf der Ritterbank im kurkölnischen Landtag, der in Bonn tagte.

Die Erbtochter Maria Anna von Doetsch heiratete den Freiherrn Philipp Jakob von la Valette, St. Georgen, der 1881 die Wirtschaftsgebäude abbrechen ließ. Von dieser Familie kaufte Johann Gaspers dieses Gut.

In welchem Verhältnis standen nun die hörigen Bauern zu diesen Burgherren? Zunächst waren diese Burgherren als Rechtsnachfolger des Klosters Prüm Lehnsherren der Bauernhöfe. Durch die Geldwirtschaft kamen Klöster und Adel in finanzielle Not, die durch den 30jährigen Krieg noch vermehrt wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert lösten unsere fleißigen und sparsamen Bauern ihre Lehnspflichten an Abgaben und Frondienste durch bares Geld nach und nach ab. So war auch in Pützfeld vor 1789 nur noch 30 Morgen Lehnsland, während es früher doch über 300 Morgen gewesen waren. So war die Bauernbefreiung, wie sie die Franzosen um 1800 als politische Herren in unsere Heimat brachten, von geringer Bedeutung. Ja, bald sehnten sich die Bauern nach der guten alten Zeit zurück. Die Franzosen erfaßten jeden Besitz des freien Bauern im Grundbuch und erhoben hohe Grundsteuern, die größer waren als die ehemaligen Zehnten. Auch blieben die Gemeindefrondienste an Wegen, Brücken und Gewässern bestehen. Dazu mußte der Bauer viele Kriegsdienste leisten, was er in den letzten 1000 Jahren nicht mehr gebraucht hatte. Jedoch wirkte sich die französische einheitliche Verwaltung mit guten Gesetzen günstig aus.

Im 19. und 20. Jahrhundert kam die Agrarstruktur in Pützfeld ins Wanken, Der eigene Boden wurde als verkäufliche Sache angesehen, mit Schulden belastet und oft verkauft. Die Gegenwart sieht die Bauernsöhne und sogar die Väter in der Industrie, die mit höheren Löhnen lockt. Da gilt die Mahnung: Bäuerliche Industriearbeiter, bebaut den Boden in der Freizeit und verkauft ihn nicht!

Zum Schluß sei die politische Geschichte von Pützfeld dargelegt: Pützfeld gehörte 700—1100 zum Ahrgau, 1100—1246 zur Grafschaft Are, 1246—1794 zum Kurfürstentum Köln, zum Amte Altenahr, zum Dingstuhl Brück, 1794—1814 zu Frankreich: Rhein- und Moseldepartement, Arrondissement Bonn, Kanton Ahrweiler, Mairie Brück, 1816—1945 Preußen, Reg.-Bez. Koblenz, bis 1932 zum Kreise Adenau, Bürgermeisterei Brück,ab 1932 zum Kreise Ahrweiler, ab 1. 10. 1934 ist das Amt Brück mit dem Amte Altenahr vereinigt.

Die Einwohnerzahl 1816 betrug 180, im Jahre 1964 betrug sie 208.